Nr.052 – Einigkeit und Recht und Freiheit – 15. 04. 2016
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Merkel knickt ein: Demokratischer Samba oder Totentanz?
Ade, du schöne Zeit voll Glück
die Freiheit geht verlor´n
Der Schrecken sitzt jetzt im Genick,
der Sultan sprüht vor Zorn.
Einst hat man bei uns aufgetrumpft
und ließ die Freiheit zu.
Jetzt sind wir wieder eingeknickt:
Was machen wir denn nun?
Stimmung, es lebe die Mauerfall-Zeit
denn nun wird diese zur Nach-Wende-Zeit.
Und weil wir bei uns der Freiheit nicht mehr trau´n
wird auf die Macht-Pauke gehau´n.
Einst war´n wir endlich frei,
jetzt sind wir entsetzt:
Wir dienern vor der großen Türkei,
sind von der Demokratur besetzt.
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
das hatten wir ja alles schon:
In Weimar ließen wir es ganz allein,
da war dann Hitler unser Lohn.
Bald haben wir dann Einsamkeitsgefühle,
der Widerspruch wirkt sehr antik.
Nur wenige machen sich dann noch Mühe.
Kein Wunder nach des Sultans Sieg.
Achtung: Satire! © 2016 LyrAg
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Nach Toresschluss: Betroffene sollen endlich gehört werden
Berlin, 15.04.2016/cw – Ulrike Poppe, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg, will, jetzt – quasi in letzter Minute – den Betroffenen dieser Diktatur die Möglichkeit geben, zu den beabsichtigten Änderungen der BstU Stellung zu nehmen und eigene Vorstellungen vorzutragen. Der Deutsche Bundestag hatte am 5.04. d.J. seinen Bericht zur Zukunft der BstU abgeschlossen und am 12. April dem Bundestagspräsidenten übergeben. Einzig Hildigund Neubert hatte in einem Minderheitenvotum wesentliche Aussagen der Expertenkommission widersprochen. Betroffene, wie ehemalige politische Gefangene der Diktatur oder Flüchtlinge waren zu keinem Zeitpunkt zur Mitwirkung eingeladen oder z.B. in durchaus möglichen Anhörungen um ihre Meinung gebeten worden. Anzunehmen ist, dass der Bundestag die Einbindung „anerkannter Bürgerrechtler“, die vielfach zu „Parteisoldaten“ mutiert waren oder von Funktionären der Aufarbeitungsindustrie als ausreichend angesehen hat, das komplexe Thema zu bewältigen.
Bei den zitierten Betroffenen hingegen genießen die Bürgerrechtler bis auf wenige Ausnahmen nicht den besten Ruf. Waren sie doch meist zu einem sehr späten Zeitpunkt in den Jahren 1988 und 1989 auf den in Fahrt gekommenen historischen Zug aufgesprungen. Dabei wird deren zweifelloser Verdienst um die Beschleunigung des Auflösungsprozesses nicht infrage gestellt, andererseits aber auch entgegen gehalten, dass die Bürgerrechtler zunächst vielfach für eine Vernichtung der Stasi-Akten gestimmt hatten, um das Land „zu befrieden“. Auch sei deren Ziel zunächst eine Erneuerung der DDR und keinesfalls deren Beseitigung oder gar Wiedervereinigung gewesen. Vielmehr waren es die Millionen Flüchtlinge und Widerständler, die der DDR die Existenz-Grundlagen durch beharrlichen Widerstand entzogen hätten. Auf diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass die Expertenkommission die „demokratische Kräfte der Friedlichen Revolution von 1989“ mehrfach besonders hervorhebt, denen die „Sicherstellung eines großen Teils (!) der Akten“ zu verdanken sei.
In ihrer Einladung an die „Lagergemeinschaften, Opferverbände und -vereine und Aufarbeitungsinitiativen im Land Brandenburg“ lädt die Landesbeauftragte „zur Verständigung über eine gemeinsame Stellungnahme zum Bericht der Expertenkommission über die Zukunft der Behörde des BstU“ ein. Das „außerordentliche Treffen“ soll am 21. April 2016 von 11:00 – 13:00 Uhr „wie immer in der Dienststelle der Landesbeauftragten, Hegelallee 3, in Potsdam“ stattfinden.
Wenn auch der eingeräumte Zeitraum von einer Woche (zwischen Veröffentlichung/Übergabe) für das Studium der Empfehlung für die meisten Verbände zu kurz sein dürfte, eine kritische Beurteilung oder gar Alternativen zu erarbeiten und die angesetzten zwei Stunden für eine ernsthafte Beratung kaum ausreichend sein dürfte, ist der erkennbare gute Wille der Landesbeauftragten zu würdigen, die unmittelbar Betroffenen wenigstes „kurz nach Toressschluss“ einzubeziehen. Der Dachverband jedenfalls kam nicht auf diese Idee.
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Demo ehemaliger DDR- Heimkindern vor dem OLG Brandenburg
von Lutz Adler
Recht haben und Recht bekommen ist, so die Feststellung der ehemaligen Heimkinder der ehemaligen DDR, selbst 26 Jahre nach der Wende offensichtlich wieder zweierlei. Das war der Grund für den vom DEMO Landesverband Hessen e.V. organisierten Protest vor dem OLG Brandenburg am 11.04.2016.

Vor dem OLG in Brandenburg fand am 11.04.2016 eine Demo engagierter ehem. Heimkinder statt – Foto: LyrAg
Die Vereinigung DEMO ist ein Zusammenschluss von ehemaligen Heimkindern der DDR bzw. ehemaliger Insassen von JWH und Spezialkinderheimen. Diese können, so will es der Gesetzgeber nach dem Strafrechtlichem Rehabilitationsgesetz, ihre Rehabilitation für die zu Unrecht erlittene freiheitsentziehenden Maßnahmen beantragen. Allerdings sind bereits im Gesetz immer klarer zutage tretende Ungereimtheiten verankert. Dieses Gesetz ist offenbar nicht für minderjährige und strafunmündige Kinder gemacht worden.
Diese Verfahren werden, und das ist eine erhebliche Fehlentwicklung in der Umsetzung dieses Gesetzes, als ausschließlich schriftliche Verfahren geführt. Die Kammern haben die Praxis entwickelt, diese Verfahren ohne Öffentlichkeit und ohne Anhörung der Betroffenen zu führen. Selbst die Entscheidungen „Im Namen des Volkes“ werden ohne dieses verkündet. Das ist der derzeitige Stand zumindest beim OLG Brandenburg.
Aufgrund dieser Praxis kann Niemand überprüfen, welche Verfahren die Gerichte und die einzelnen Kammern durchführen. In einer Rüge des Bundesverfassungsgerichtes, die das OLG Brandenburg im Dezember 2014 bezüglich eines solche Verfahrens erreicht hat, hat das BVG bewusst den Begriff „veranstalten“ gewählt . In der besagten Rüge (AZ.: 2 BvR
2063 /11) ist weiter die Rede von „ineffektiven Verfahren“, von einer „Nicht-Erfüllung der Ermittlungspflicht von Amtswegen“, die das Gesetz eindeutig vorschreibt, und weiter von „der Verweigerung des rechtlichen Gehörs“, auf das jeder Bürger laut GG-Artikel der Bundesrepublik einen Anspruch hat.
Verfahrenszeiten von mehr als fünf Jahren
Als wäre diese juristische Ohrfeige nicht schon schlimm genug, trifft ein weiterer Vorwurf die Vorsitzende des zweiten großen Strafsenates des OLG Brandenburg, Frau Pisal. Die im Gesetz explizit herausgestellte „besondere Fürsorgepflicht“ gegenüber den Antragstellern, alle samt und sonders im fortgeschrittenen Lebensalter, scheint bei der Vorsitzenden vollkommen unter die Räder der Justiz gekommen zu sein. Wie sind sonst Verfahrenszeiten von mehr als fünf Jahren zu erklären? Derzeit sind allein fünf Fälle bei diesem OLG anhängig. Der Verdacht drängt sich förmlich auf, das diese Kammer offensichtlich mit dieser Aufgabe überfordert zu sein scheint.
Alle Teilnehmer der Demo vor dem OLG, auch ich, (mit einer Kunstaktion „Offizieller Gerichtstag“) achten die unbedingte Unabhängigkeit der Richter und Gerichte in einer Demokratie. Dies bedarf keiner ausdrücklichen Betonung. Das kann aber nicht dazu führen, das wir als Betroffene stillschweigend zusehen, wie man uns unserer Rechte beraubt. So ordnet die genannte Vorsitzende die Erstellung und Beschaffung von „Vollbeweisen“ in Form von Gutachten an, die schnell mehrere tausend Euro kosten können. Sie beruft sich dabei offenbar nach einer Rüge auf die Ermittlungspflicht von Amtswegen. In einem Verfahren soll ein überklebtes Zeugnis in einem aufwändigen Verfahren vom Unterblatt getrennt werden, wofür eigens die Generalstaatsanwaltschaft und ein Gutachter eingeschaltet wurden. Auch das ist im Gesetz (StrehaG) eindeutig anders geregelt. So heißt es in der zitierten Rüge an das OLG Brandenburg: „An die Darlegung durch den Antragsteller sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen“.
Es entsteht der Eindruck, so auch der Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichtes, Herr Möller, auf einer Veranstaltung der UOKG im Landtag vor ca. drei Wochen, dass diese Vorsitzende am OLG das Gesetz offensichtlich entweder nicht gelesen oder mindestens nicht verstanden hat. Eine freie Beweiswürdigung, so schreibe es das StrehaG vor, ist oft mehr als 50 Jahre nach diesen Vorgängen vom Gesetzgeber verständlich und nicht von ungefähr sachangemessen vorgesehen. Hier einen Vollbeweis erbringen zu wollen oder von den Betroffenen einzufordern, die meist noch heute unter schweren traumatischen Folgen der menschenverachtenden Behandlungen in diesen Einrichtungen leiden, steht im krassen Widerspruch zu der vorhin erwähnten „Fürsorgepflicht“.
OLG Naumburg: Schwere Menschenrechtsverletzungen
Dass es auch anders geht, beweist derzeitig die Kammer für Rehabilitation am Oberlandesgericht von Sachsen–Anhalt in Naumburg. Dort hat man offensichtlich die prekäre Situation des StrehaG und auch die Mängel des Gesetzes erkannt. Hier sind inzwischen zwei Entscheidungen zu Gunsten der Antragsteller ergangen. In diesen wurde umfassend den damaligen schweren Menschenrechtsverletzungen und der unwürdigen Behandlung der Betroffenen Rechnung getragen (AZ.: 2 Ws ( Reh) 45/15 vom 03.12.2015 und 2 Ws ( Reh) 8 /16). Hier hatten die Richter offensichtlich das Gesamtbild und auch die Belastungen, die ein solches Verfahren für die Antragsteller bedeutet, im Auge. Weiterhin bemerkenswert ist der Leitsatz der erst genannten Entscheidung: „Die Einweisung in ein Spezialkinderheim ist in der Regel unverhältnismäßig, wenn der Betroffene sich nicht gemeingefährlich verhalten oder erhebliche Straftaten begangen hatte.“
Drei Richter, die offensichtlich nicht nur das Gesetz gelesen, sondern es auch verstanden haben. Drei Richter, die ihrer vom Gesetz vorgeschriebenen „Fürsorgepflicht“ nachkommen und drei Richter, die mit ihren Entscheidungen gegen den bundesweiten Strom schwimmen und den Betroffenen endlich 26 Jahre nach der Wende eine Anerkennung ihrer Leiden zusprechen. Der Deutsche Bundestag hatte schon im Sommer 2011 in öffentlicher Sitzung klar erklärt: „Wir wollen den Betroffenen nun endlich Glauben“ zuteil werden lassen!
Gerne hätten wir während der DEMO vor dem Haus diesbezügliche Fragen an den derzeitigen Präsidenten gestellt. Aber da standen wohl nicht nur terminliche Hindernisse im Weg. Ist es nicht auch für das OLG Brandenburg längst an der Zeit, die eigene Haltung zu überdenken und im Sinne eines Gesetzes zu handeln?
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Workutaner: Hansgeorg Wagner am 1. April 2016 verstorben
Ein Nachruf von Werner Gumpel
Wieder ist einer der besonders liebenswerten Workuta-Kameraden von uns gegangen: Hansgeorg Wagner, der zuletzt in Feucht bei Nürnberg gelebt hat, ist am 1. April 2016 nach langer Krankheit verstorben. Tapfer hat er jahrelang versucht gegen die mit seinem Leiden verbundene Atemnot anzukämpfen, hat aber am Ende doch diesen Kampf verloren. Immerhin: Trotz seines oft schweren Lebens hat er das 91. Lebensjahr erreicht und damit bewiesen, dass er zu kämpfen versteht: Er verlor seine ostpreußische Heimat, er überstand zwei Jahre Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern.
Danach verschlug es ihn nach Döbeln in Sachsen. Seine Kontakte zu der von den Kommunisten gehassten „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ und seine Proteste gegen die Verhaftung von liberalen Lehrerkollegen führten zu seiner Verhaftung durch den Staatssicherheitsdienst, der ihn nach wenigen Tagen an die Russen übergab. Ein sowjetisches Militärtribunal in der Dresdener Bautzner Straße verurteilte ihn wegen „antisowjetischer Propaganda“ und „Gruppenbildung“ (Artikel 10 und 11 des StGB der RSFSR) zu 25 Jahren Zwangsarbeit. Ebenso wie einige tausend andere politische Oppositionelle wurde er in ein Zwangsarbeitslager im Gebiet Workuta, 160 Km. nördlich des Polarkreises, verbracht. Nach vier Jahren wurde er nach Deutschland entlassen. In der Bundesrepublik begann er ein neues Leben, aus dem er nun gerissen wurde.
Hansgeorg Wagner hat sich tapfer durch die Zeit der Gefangenschaft geschlagen und sich stets als guter Kamerad bewährt. Trotz der vielen negativen Erfahrungen, die er schon frühzeitig in seinem Leben machen musste, ist er Optimist geblieben. In der Freiheit hat er den Kontakt zu vielen seiner ehemaligen Kameraden aufrechterhalten, die es stets geschätzt haben, mit ihm zusammenzutreffen. Die ihn gekannt haben, werden ihn in angenehmer Erinnerung behalten.
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