Berlin, 7.04.2016/cw – Heftige Proteste löste die letzte Sendung von Anne Will am vergangenen Sonntag (3.April) aus. Nicht die Fragestellung: „Wenn das Geld in der Sonne liegt – Wer trocknet die Steueroasen aus?“ (Anne Will), mit der die Hintergründe um die Panama-Papers thematisiert wurden, sondern die Einladung an Gregor Gysi zum Paper-Talk löste Unmut aus.
Auch Tatjana Sterneberg, als ehemalige Hoheneckerin (1974 – 1976) besonders sensibilisiert für die Darstellung der DDR-Geschichte in den Medien, wandte sich mit Fragen an die zuständige Redaktion und bezeichnete die Einladung Gregor Gysis als grotesk. „Seine (Gysis) SED / PDS – heute Die Linke – haben in der Vergangenheit der DDR das Verschwinden von Staatsvermögen zu verantworten. Über 200 Firmen umfasste das Imperium von Schalck-Golodkowski in Zusammenarbeit mit dem ZK der SED und der Stasi. Die Bundesregierung klagt derzeit gegen die Bank Julius Bär (Schweiz), wegen der vorgenannten Gelder,“ merkt die einst wegen der Liebe zu einem Italiener politisch Verfolgte an. Sterneberg erinnert an die kürzlich in der ARD/MDR gezeigte Dokumentation “SOKO Deutsche Einheit” vom 14.03.2016 (23:30 Uhr
(Quelle: http://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2810616993850884)
– und fragt: „Alles schon vergessen?“. Sie zitiert aus dem SPIEGEL-Titel vom 15.01.1990 (SED-Chef Gysi: Der Drahtzieher): „Die SED-Devisenbeschaffer arbeiteten mit gewaltigen Beträgen. Allein die Vaduzer Briefkastenfirma Elmsoka – eine Gründung des 1982 verstorbenen Schalck-Kumpels Konstantin Assimakis – hatte treuhänderisch für KoKo 200 Millionen D-Mark Festgelder-Depots bei verschiedenen Banken angelegt, jeweils … aufs Konto einer Ko-Ko-nahen oder angegliederten Firma – wie etwa der AHB-Intrac-Tochter America Latina S. A. …“.
So wurde auch in Panama von der SED/KoKo/MfS offensichtlich Briefkastenfirmen eingerichtet, wie „Intrac Amerika Latina S.A“, Panama City, Klaus Neubert (Quelle: http://www.spiegel.tv/filme/alexander-schalck-golodkowski/).
Nicht nur die empörte Hoheneckerin fragt an, warum keiner der Anwesenden in der Anne-Will-Talkrunde entsprechende Nachfragen an Gregor Gysi gerichtet hat. „Das wäre doch eine aktuelle Gelegenheit gewesen,“ so Sterneberg. So konnte der einstige Partei- und Fraktionsvorsitzende mit gewohnter Unschuldsmiene verkünden: „Wir sollten das Geldanlegen in Briefkastenfirmen verbieten!” und dafür auch noch, von den Talk-Teilnehmern unwidersprochen, Beifall des Studio-Publikums einheimsen.
Und Georg Mascolo, einer der führenden Investigativ-Journalisten, die den Panama-Skandal aufdeckten? Der nahm die Beifall-heischenden Ausführungen Gysis ebenso sprachlos hin und merkte an: „”Wir haben dem Kreml einen sehr ausführlichen Fragenkatalog vorgelegt…“. Die Chance, dem anwesenden Insider der versteckten SED-Millionen wenigstens eine Frage zu stellen, ließ auch Mascolo verstreichen.
Die Redaktion „Anne Will“ hat bislang auf die Einwendungen Sternebergs nicht reagiert (7.04., 12:00 Uhr).
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 (1.098)
8 Kommentare
11. Juli 2016 um 08:16
Gustav Rust
Lieber Fritz:
„An all diesen geraubten Gütern klebt ebenso viel Blut wie an jenen der NS-Täter.“
Genauso ist es! Danke!
Kameradschaftliche Grüße,
Gustav Rust
10. Juli 2016 um 19:01
Fritz Schüler
Die Antwort der Vereinigung (AK)………..ist nicht nur interessant, sondern entspricht der Wahrheit.
Durch rigorose, widerrechtliche Beschlagnahme mit anschließender Enteignung des Hab und Guts ganzer Bevölkerungsschichten, Entrechtung der Werktätigen im Lande, rücksichtslose Ausbeutung zehntausender Häftlinge in Zuchthäusern wie Lagern des SED-Staates konnten seine Machthaber, deren Stasischergen riesige Reichtümer an Immobilien, Kunstschätzen, Devisen, Wertpapieren etc. zusammenraffen.
Allein unmittelbar vor der Wende – dem Herbst 1989 – verschob die SED-Clique Devisen und Goldreserven im Wert von 100 Milliarden DM in die Schweiz. Letzteres wurde noch unter dem Modrow-Regime aufgedeckt; von anderen noch nicht entdeckten schwarzen Konten in weiteren Ländern ganz zu schweigen?!
An all diesen geraubten Gütern klebt ebenso viel Blut wie an jenen der NS-Täter.
Werden in einer offenen, demokratischen Gesellschaft Korruption, Betrug, Diebstahl, Schmiergeldaffären publik, entfernt man diese Leute aus ihren Positionen; leitet Ermittlungsverfahren gegen sie ein.
Nicht so im Arbeiter-und-Bauern-Paradies!
Wer es in ihm wagte, derartige Machenschaften aufzudecken, wurde in Geheim- oder Schauprozessen für immer „unschädlich“ gemacht.
Nicht selten holten Mielkes mörderische Tschekistenbanden missliebige Kritiker vom Territorium des „Klassenfeindes“ zurück, um sie heimlich zu „liquidieren“.
Vor diesem düsteren Hintergrund mutet jene sorgfältig einstudierte, dialektische Klassenkampfpolemik eines Herrn Weber von „Profitmaximierung der Unternehmen“, „dass Investoren die BRD verlassen“ usw. wie ein altbekanntes Verschleierungsmanöver aus finsterer (roter) Terrorherrschaft an.
Solche erschreckenden Auswüchse ideologischer Blindheit bzw. Orientierungslosigkeit sind nicht mehr zu überbieten.
Wie lange soll unsere brüchige demokratische Ordnung dieser Unterminierungsstrategie ohne mentale Abwehrmaßnahmen noch standhalten???
6. Juli 2016 um 17:31
Anne Will verpasste eine Chance « Ampelmännchen und Todesschüsse
[…] Siehe hier! […]
17. April 2016 um 09:55
Weber
Österreich ist uns wieder einmal voraus:
„STANDARD: Bringt es eigentlich etwas, mit Gesetzen gegen Briefkastenfirmen und Steuerhinterziehung vorzugehen? Man könnte ja auch sagen: Solange sich die Einstellung in manchen Unternehmen und bei einigen Bürger nicht ändert, wird hinterzogen werden …
Gardner: Das Argument ist stimmig. Ich habe sehr viele US-Unternehmen in meiner beruflichen Laufbahn kritisiert, weil sie mit komplexen Offshore-Konstruktionen Steuern gespart hatten. Die Antwort darauf lautete in vielen Fällen nicht nur, dass die Vorgänge legal seien, sondern dass man als Firma gegenüber den Aktionären sogar dazu verpflichtet wäre, die Steuerbelastung zu minimieren. Solange Profitmaximierung das einzige Ziel von Unternehmen bleibt und sie nicht auch danach trachten, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, wird jede neue Regelung dazu führen, dass Steuerexperten sofort nach Wegen suchen, sie zu umgehen. (András Szigetvari, 16.4.2016)
Matt Gardner leitet das Institute on Taxation and Economic Policy (ITEP). Der Thinktank in Washington beschäftigt sich mit Fragen der Steuergerechtigkeit.“
http://derstandard.at/2000034980664/Steueroasen-USA-werden-keine-Steuerdaten-ans-Ausland-liefern
7. April 2016 um 12:47
Felix Heinz Holtschke
Die AfD wird medial als politisches Schmuddelkind, die Linke als Nachfolgepartei der SED/ PDS hingegen als „demokratischer“ Medienliebling gehätschelt. Und das bereits spätestens einem Jahr nach der Wende…Und aus diesem Grunde werden eben keine kritischen Fragen gestellt. So einfach ist das!
7. April 2016 um 12:34
Weber
Gab es in der DDR eine Steuerhinterziehung?
7. April 2016 um 12:52
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Zu: „Gab es in der DDR Steuerhinterziehung?“
JA und NEIN. Konnte zum Beispiel das MfS tatsächliche oder vermeintliche Feinde des Systems nicht „packen“, so wurde gege diese Personen ein strafbewehrtes Steuerhinterziehungsverfahren eingeleitet. da die horrenden Strafen gar nicht gezahlt werden konnten (was ja bereits so beabsichtigt war), wurden Enteignungen eigeleitet und oftmals zusätzlich Haftstrafen ausgesprochen.
Die agierenden Stasi-Mitarbeiter zahlten als „Schild und Schwert der Partei“ keine Steuern (wodurch sich der ohnehin horrende Abstand zu durchschnittlichen DDR-Einkommen weiter erhöhte), sie konnten also keine Steuern hinterziehen.
Von den Steuermodellen der KoKo ganz zu schweigen…
Redaktion Hoheneck
15. April 2016 um 10:52
Weber
Antwort ist zwar interessant, hat aber mit der Problematikt der Panama-Briefkasten nichts zu tun. Bei den Panama-Briefkastenfirmen geht es um Schwarzgelder und unversteuertes Vermögen. Es gibt auch Anleger, die legen ihr regulär versteuertes Einkommen bei solchen Briefkastenfirmen an. Es gibt hierfür unterschiedliche Gründe, z.B. politische. So soll nach Presseberichten die Afd ein Grund dafür sein, dass Investoren die BRD „verlassen“.