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Berlin, 21.03.2016/cw – Der Sponsor für das geplante Formel-E-Autorennen in Berlin ist ausgerechnet eine Bank, die von der Bundesrepublik auf die Rückführung von SED-Millionen verklagt wurde. Darauf machte jetzt die Berlinerin Tatjana Sterneberg in einem Offenen Brief an die Senatorin für Wirtschaft, Cornelia Yzer, aufmerksam. Sterneberg fordert die Senatorin auf, „Ihre Unterstützung für die Formel-E-Veranstaltung zu überdenken und diese ggf. nur unter einem anderen Sponsoring zuzulassen,” um Schaden von der Stadt und der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
“Auch wenn das Bankhaus Bär nur als Nachfolger betroffener Banken in Anspruch genommen wird, die seinerzeit mit der DDR und SED über die KoKo von Schalck-Golodkowski diverse Geschäfte getätigt haben, ist es aus meiner Sicht als ehemalige politische Gefangene (Berlin, Hoheneck) nicht hinnehmbar, zumindest bis zur juristischen Klärung einen derartigen Sponsor in Berlin zu akzeptieren,” schreibt Sterneberg. Auch würden unter diesen Umständen “etwaige Schriftzüge des Sponsors Julius Bär auf den vorgesehenen Boliden als entsprechende Provokationen empfunden werden.”
Tatjana Sterneberg ist als ehemalige Insassin des Frauenzuchthauses Hoheneck und Aktivistin in der Aufarbeitung bekannt geworden. Sie war seinerzeit zu vier Jahren Haft verurteilt worden, weil sie sich in einen Italiener verliebt hatte und mit diesem im Westen leben wollte. Nach einem abgelehnten Ausreiseantrag hatten die Verlobten eine Flucht Sternebergs über den Checkpoint Charlie geplant. Diese war von längst eingeschalteten IM´s der Stasi verraten worden.
Nach Medien-Berichten aus dem Jahr 2014 ist das Schweizer Bankhaus Julius Bär von der Bundesrepublik Deutschland auf die Herausgabe von über 130 Millionen Euro verdeckten SED-Vermögens verklagt worden. Das Bankhaus hingegen weist jede Verantwortung zurück, da diese Transaktionen Vorgänger der Bank beträfen, in deren Geschäfte Julius Bär erst später eingetreten sei. Die Bundesrepublik sieht die Bank als Rechtsnachfolger von USB u.a. in der Pflicht, die vorenthaltenen SED-Millionen zu erstatten. Diese sollten nach Auffassung der Bundesregierung den sogen. Neuen Ländern zukommen. Verfolgte des SED/DDR-Regimes hatten dagegen bereits früher die Forderung erhoben, die ausstehenden Millionen z.B. für die Entschädigungen von Haftzwangsarbeit durch politisch Verurteilte einzusetzen.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030/30207785 (1.088)
Brüssel/Paris/Berlin, 20.03.2016/cw – Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande haben am Donnerstag anlässlich eines Treffens mit dem Ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko die unverzügliche Freilassung der Ukrainerin Nadya Sawtschenko gefordert.
Nach einer Mitteilung des Sprechers der Bundesregierung, Steffen Seibert, waren sich die drei Staatsführer mit ihrer Forderung nach einer sofortigen Rückkehr der Pilotin in ihre ukrainische Heimat einig. Auch die Einhaltung der Minsker Vereinbarungen sei unerlässlich, bevor die gegen Russland verhängten Sanktionen gelockert oder gar aufgehoben werden könnten.
Pressekonferenz in Berlin

Auf der Pressekonferenz (von li.): Sofia Onufriv
(Dolmetscherin), Wira Sawtschenko (Schwester) und Natalia Pysanska (Freie Journalistin) – LyrAg
Auf einer Pressekonferenz in der Ukrainischen Botschaft in Berlin berichtete die Schwester Wira in Anwesenheit des Botschafters Andrij Melnyk und einigen Vertretern der Medien am vergangenen Freitag über die aktuelle Situation der inzwischen weltweit bekannten politischen Gefangenen der Russischen Föderation. Nadya Sawtschenko schwebe nach ihrem wochenlangen Hungerstreik in Lebensgefahr und ist sich dieser Gefahr selbst nicht so bewusst, wie das sein sollte. Sie, Wira, und ihre Mutter sind froh, dass Nadya wenigstens ihren Durststreik aufgegeben habe und nun wieder Flüssigkeit zu sich nehme.
Für die Freilassung von Nadya setzten sich nicht nur Ukrainer und ihre Politiker ein. In aller Welt würden sich Menschen und namhafte Politiker für die zu Unrecht Inhaftierte engagieren. „Allerdings haben wir nicht mehr viel Zeit,“ betonte die zierlich wirkende, aber sehr selbstbewusst auftretende Schwester der in Russland angeklagten ukrainischen Pilotin. Die Weltgemeinschaft müsse sich jetzt engagieren.
Wira spricht nicht gerne über die Gesundheit ihrer Schwester, zu tief sitzen die Sorgen darüber. Vor einem Jahr, als Nadya 83 Tage in den Hungerstreik getreten sei, habe sie das Schlimmste befürchtet. Die Familie habe in dieser Zeit „in großer Angst“ gelebt. Jetzt sei man sich bewusst: „Die letzte Schlacht steht bevor. Erst kommt das Urteil, dann die große Stille,“ sagte Wira Sawtschenko. Jetzt brauchten wir die größte Kraftanstrengung und Unterstützung, um Nadya mögliche Jahrzehnte in russischer Haft zu ersparen.
Auf die Frage der DEUTSCHEN WELLE, ob das deutsche Angebot auf ärztliche Untersuchung durchsetzbar wäre und wie der augenblickliche Gesundheitszustand der Gefangenen einzuschätzen sei, antwortete Wira:
Ihre Schwester betrachte die Situation sehr nüchtern. Ihre Handlungen sind sehr durchdacht und wohl überlegt. „Ich bewundere Nadya. Sie steht allein gegen dieses Imperium.“ Es ständen auch Ärzte bereit, jederzeit zu ihr zu fahren. Gegenwärtig würde das jedoch nicht gestattet werden. Nadya versichert uns ja auch, ihr gehe es gut, aber: „Sie kann ihren Zustand nicht richtig einschätzen, wenn sie behauptet, dass sie keine Hilfe brauche.“
Gefangenenaustausch möglich?
Einen Austausch lehnt Russland ab. Aber auch Nadya: „Man kann nicht Unschuldige gegen Schuldige tauschen.“ Auf eine weitere Frage betonte Wira, die Ukraine habe alles unternommen, um Nadya zu befreien, aber die Möglichkeiten sind beschränkt.
Auch zu den Gerüchten in westlichen Medien, wonach Nadya durch den russischen Geheimdienst getäuscht wurde, um ihren lebensbedrohlichen Durststreik zu beenden, nahm Wira auf Nachfrage der Redaktion Hoheneck Stellung: Der angebliche Brief des Ukrainischen Staatspräsidenten an Nadya sei ein Fake gewesen. Die Absicht sei aufgegangen, alle sprechen über den Abbruch. Diese Aktion der russischen Sicherheitsbehörden sei ein Tiefpunkt gewesen: „Tiefer kann man nicht sinken, als der FSB.“ Das Ziel der Aktion war wohl, alle gegeneinander aufzubringen und damit die Solidarität zu zerstören.
Mit welchem Urteil, voraussichtlich am Dienstag nächster Woche, rechnet Wira? „Wir sollten ein maximales Urteil erwarten. Putin kann nicht mit Würde verlieren.“
Auch Wira wurde bereits bedroht
Ob sie, Wira, inzwischen auch bedroht worden sei? Wira Sawtschenko lacht: „Darüber könnte ich sehr lange erzählen, diese Erlebnisse wären Hollywood-reif. Manchmal habe ich natürlich Angst. Dann helfen mir die ukrainischen Konsulate. Aber sie haben es bisher nicht geschafft, mich mundtot zu machen.“ Auf der anderen Seite steht die Hybris Russlands. Der russische Sender „TV24“ berichte jeden Abend über den Zerfall im Westen. Nadya ist „die Fahne“, zweifellos. Aber es gibt mindestens 28 weitere politische Gefangene in diesem Zusammenhang, die dürften nicht vergessen werden.
Nach dem Urteil sind in Russland alle Rechtswege erschöpft. Ob eine Berufung vor dem Europäischen Menschengerichtshof möglich sei, müsse man prüfen. Immerhin würden auch in Moskau viele Menschen mutig für die Freilassung Nadyas und der anderen Gefangenen demonstrieren. Das gebe Nadya und auch der Familie viel Kraft.
Nach Urteil weltweite Solidaritätsaktion
In vielen Orten und Metropolen der Welt werden ab kommenden Montag, dem 21. März, zweitägige Solidaritätsaktionen durchgeführt. Auch in Berlin wird der Dauerdemonstrant für die Freilassung Nadyas Sawtschenkos, Ronald Wendling (56), vor der Russischen Botschaft (Unter den Linden nahe dem Brandenburger Tor) mit Sondermahnwachen am Montag und Dienstag (jeweils 13:00 – 19:00 Uhr) die internationalen Demonstrationen für die Freilassung der ukrainischen Pilotin unterstützen. Wendling steht seit 2014 allwöchentlich vor der Botschaft und hat bereits angekündigt, seine Aktion nach dem Urteil täglich durchführen: Für jedes Jahr Freiheitsstrafe will er einen Tag lang vor der Russischen Botschaft demonstrieren. Es sei denn, Sawtschenko werde wider aller Erwartung „in einem humanitären Akt vorzeitig entlassen.“
Auch für den aktiven Berliner und ehemaligen DDR-Häftling gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Siehe auch: http://www.bz-berlin.de/berlin/kolumne/wer-ist-der-mann-der-71-mal-gegen-putin-demonstrierte
Letzte Meldung, 21.03.2016, 17:00 Uhr:
Wie die ARD-Tagesscheu meldet, will sich auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in Moskau in dieser Woche für die Freilassung Nadya Sawtschenkos einsetzen. Auch US-Präsident Obama hat die Freilassung gefordert.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 (1.087)
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