Von Angelika Kanitz*
Nur „Theater“ um einen Mini-Galgen? Ein Meter hoch. Immer wieder werden und wurden Galgen und Fallbeile als Symbole für ein Scheitern und aburteilen der Regierung durch das Volk eingesetzt. Sogar 1989 (!) in Leipzig. Die „Aufregung“ lässt sich wohl einzig aus der spezifischen deutschen Geschichte erklären. Schlimmer finde ich die Beschimpfung Andersdenkender als Nazis. Hier ein Märchen ohne Galgen, aber mit gleicher Symbolik. Heutzutage durchaus für eine Anzeige wegen „Volkverhetzung“ prädestiniert:
Es war einmal ein dummes, weil höriges Volk
Es war einmal ein dummes, weil wieder einmal den Politikern höriges Volk. Das hatte sich nach ungeheuerlichen Verbrechen, einigen Missgeschicken, Fehltritten und Dummheiten aufgerappelt, war fleißig, strebsam und erfolgreich gewesen und hatte es so zu einigem Wohlstand gebracht.
Aber es hatte offenbar nichts gelernt, das Wort Verhaltensintelligenz hatte es nicht in seinen Wortschatz aufgenommen. Und so wurde es erneut übermütig, bequem und eitel und hielt den Wohlstand für eine Selbstverständlichkeit und einen ewig sprudelnden Quell.
Der Wohlstand weckte den Neid der Anderen, der Nachbarn und absehbar auch der Faulpelze und Habenichtse in der Welt und sie schielten begehrlich auf den Wohlstand und das gute Leben des Volkes. Da sie nicht viel über das Volk wussten, erlagen sie dem schönen Schein und wähnten dort das Paradies in dem einen die gebratenen Tauben ins offene Maul fallen.
Da begab es sich, dass eine alte Hexe des Weges kam. Und weil sie keine Kinder und wenig Konzepte hatte, schlich sie sich in das Vertrauen des Volkes, rautete beruhigend ihre Hände, versprach dem dummen Volk, in die Küche zu gehen und zu kochen. Das Volk war begeistert.
Die Hexe stellte sich fortan an den Herd, rührte eine Suppe nach der Anderen an und vergeudete mit den teuren Zutaten das Volksvermögen. So ging das eine ganze Weile, da tischte die Hexe dem Volk in einem besonders großen Topf eine neue Suppe auf und lud auch alle Anderen, die Nachbarn und auch die Faulpelze und Habenichtse der Welt großzügig zum Essen ein.
Diese Suppe nannte sie WILLKOMMENSSUPPE. Und alle, alle begannen zu löffeln und zu schlürfen und sich ordentlich aufzukellen. Diese Suppe war mit einem Schuss Baldrian zur Beruhigung und einem Schwuppdich Alkohol versetzt. Der Baldrian sollte beruhigend wirken und der Alkohol das Volk besoffen machen und in Euphorie versetzen.
Das Salz aber in der Suppe war die Willkommenskultur, ein Geheimrezept, dessen Ingredienzien kompliziert waren, das der HEFE glich und welches man nur sparsam verwenden durfte. Die Hexe aber dosierte so hoch von dem Salz, dass der Topf überquoll und sich die Willkommenssuppe über den ganzen Tisch ergoss. Da freuten sich die Eingeladenen, die Anderen, die Nachbarn und natürlich besonders die Fressköppe, die Faulpelze und die Habenichtse.
Sie gaben Rauchzeichen in den Himmel, schickten Brieftauben in die Welt, warfen Postflaschen ins Meer, und viele Faulpelze und Habenichtse telefonierten mit Smartphons. Darunter besonders auffällig die Barfüßigen, die Abgerissenen, die sonst „nichts“ hatten. Und berichteten von der Suppe und der großzügigen Hexe.
Da machten sich alle auf, die Lahmen und die Kranken, die Hungernden und die Frierenden, und auch die Faulen und die Bequemen, die Diebe und die Räuber. Alle, alle kamen und wollten sich an der Suppe laben. Und die Suppe quoll und quoll. Und sie kamen und strömten.
Nun begannen einige in dem Volk zu rufen: „Töpfchen steh“. Das war nach einer wieder anstrengenden und beunruhigenden Woche, an einem Montag. Aber der Lärm war so laut, das Gelage so heftig, kaum jemand hörte die Rufe. Auch der Topf nicht. Die Hexe lehnte sich zurück und amüsierte sich köstlich.
Da gab es einen gewaltigen Rums. Der Topf hatte der Hitze und dem Druck nicht standgehalten. Und so flog die Willkommenssuppe allen um die Ohren und verbrühte sie: Das Volk und die Anderen, die Nachbarn und die Lahmen, die Kranken, die Hungernden und die Frierenden, aber auch die Faulpelze, die Habenichtse und die Bequemen, die Diebe und die Räuber.
Und als nach dem Knall das Volk zu sich kam, die Wirkung des Baldrians und des Alkohols verflogen waren, es die verlaberte Bescherung sah, da, ja da dämmerte dem Volk, dass es nun wieder einmal von vorne beginnen sollte. Das der Staat und das Land renoviert werden musste.
Die Hexe aber hatte sich feixend bei Zeiten aus dem Staube gemacht und war ob ihrer verhexenden Kochkünste mit einem hohen Amt belohnt worden. Da aber nicht alle an der Willkommenssuppe gestorben waren, wälzen sie sich nun mit verdorbenem Magen und Schmerzen auf dem Boden (1.048)
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* Die Autorin war DDR-Bürgerrechtlerin und wurde wegen eines Flugblattes verhaftet und verurteilt. Sie mußte ihre Strafe im berüchtigten DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck absitzen, ehe sie freigekauft wurde. Siehe auch: DER SPIEGEL http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-67768093.html
V.i.S.d.P.: Angelika Kanitz, Leipzig – c/o Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.:030-30207785
6 Kommentare
24. Oktober 2015 um 05:42
Edda Sperling
Danke Wolfgang für die politische Märchenwelt, das hatte ich befürchtet nach dem sogenannten Einigungsvertrag mit Streichung des Artikels 23 aus dem Grundgesetz, nicht mal das Kochen einer Suppe beherrscht die Hexe im Märchen und die saure Suppe stößt dem Volk bitter auf
23. Oktober 2015 um 18:09
Bernd Stichler
Um der Wahrheit Willen hier ein Beitrag zu Hintergründen und tatsächlichen Abläufen:
22. Oktober 2015 um 18:14
Matze
Getroffene Hunde bellen. Möglicherweise trifft das Sprichwort genau ins Schwarze. Selbst bin ich kein Befürworter der Todesstrafe – doch was ist, wenn diese in einer Demokratie vom Gesetz her vorgeschrieben Ist? Sollten alle wirtschaftlichen und diplomatische Beziehungen zu Amerika abgebrochen werden, wenn diese dort vorgesehen ist? Die Hysterie von den politisch Verantwortlichen (soweit irgend wie noch von Verantwortung gesprochen werden kann), hat folgende Ursachen: Fakt Nr.1: In der Bundesrepublik Deutschland ist der Hochverrat gegen den Bund oder die Länder unter den Staatsschutzdelikten in den §§ 81–83a StGB als Verbrechen geregelt. Die Tat ist ein Unternehmensdelikt, bei dem der Versuch genauso bestraft wird wie die Vollendung. Zudem ist auch die Vorbereitung des Hochverrats (§ 83 StGB) unter Strafe gestellt. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof klagt den Täter im ersten Rechtszug vor dem zuständigen Oberlandesgericht an (§ 120 GVG).
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochverrat
Problem: Kleine Anfrage vom 20. Februar 2015 (Drucksache 18/4076), im Speziellen auf die Antwort zu Frage 27. Darin wird von der Regierung ausgeführt:
„Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass das Völkerrechtssubjekt „Deutsches Reich“ nicht untergegangen und die Bundesrepublik Deutschland nicht sein Rechtsnachfolger, sondern mit ihm als Völkerrechtssubjekt identisch ist (BVerfGE 36, S. 1, 16; vgl. auch BVerfGE 77, S. 137, 155).“
Wenn dies der Fall wäre gilt eine realistisch abstrakte „Todesstrafe“ bei Verurteilung nach rechtsstaatlichen Maßstäben – siehe Quelle: https://books.google.de/books?id=wxXNBgAAQBAJ&pg=PA261&lpg=PA261&dq=deutsches+reich+hochverrat&source=bl&ots=XpEXugdqB8&sig=aOPA4tKfb-SFYKupG_HQTb1KvOA&hl=de&sa=X&ved=0CDMQ6AEwAzgKahUKEwj55ImexNbIAhWF6CwKHSRADDo#v=onepage&q=deutsches%20reich%20hochverrat&f=false
22. Oktober 2015 um 15:23
Bernd Stichler
……….der Minderheiten und andere Ethnien diskriminiert…….
Wäre es eventuell möglich , die Art und Weise der Diskriminierung zu beschreiben und vor Allem – W e r wird heute tatsächlich diskriminiert? Und auch aus welchem historischen Grund sollten wir uns nicht vor welchen Wagen spannen lassen? Wären hier auch einige Datails möglich?
22. Oktober 2015 um 12:15
Bernd Stichler
Trotz oder gerade wegen der Ernsthaftigkeit und Schicksalsträchtigkeit dieser Problematik empfinde ich diese Satire köstlich , weil sie genau ins Schwarze trifft.
Ich möchte nicht versäumen , unseren lieben Wolfgang zu loben ob seines Mutes , diese Real – Satire zu veröffentlichen .
22. Oktober 2015 um 12:14
Klaus Helmut Dörfert
Liebe Kameraden/Innen
Ob ein Galgen das richtige Symbol ist,sollte jeder für sich selbst entscheiden,ich sehe so etwas als Satire an.Das Problem liegt doch wohl ganz woanders,25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, ist der Prozess noch nicht abgeschlossen (Löhne,Renten usw.).Ost und Westdeutschland weisen immer noch erhebliche Unterschiede auf,gerade in sozioökonomischer Hinsicht.Da kommen neue soziale Transformationen auf Deutschland in Form von Flüchtlingen zu,in einer Größenordnung,die keiner berechnen kann.Trotzdem sollten wir uns nicht, aus historischen Grund vor einen Wagen spannen lassen,der Minderheiten und andere Ethnien diskriminiert.