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Titel HB 2014Nr.046Einigkeit und Recht und Freiheit15. 10. 2015

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UOKG:                                                                                            Verfolgte, schart Euch zusammen, ehe Ihr einzeln zerbrecht

Berlin, 15.10.2015/cw – 25 Jahre nach der Wiedervereinigung und 26 Jahre nach dem Fall der Mauer steht der Dachverband der Verfolgten- und Opferverbände UOKG vor einer Zäsur. Am 17. und 18. Oktober wählt er im einstigen Zentrum des DDR-Unterdrückungsapparates vorzeitig einen neuen Vorstand. Bisher ist als einziger Kandidat für den Vorsitz der Brandenburger CDU-Politiker Dieter Dombrowski bekannt. Über weitere Vorstands-Kandidaten sind selbst die Verbandsmitglieder bislang nicht informiert. Der seit 2007 amtierende Vorsitzende Rainer Wagner hatte im April seinen Rücktritt erklärt und damit die Wahlen notwendig gemacht.

Wer aber glaubt, der Dachverband sei erst durch den Rücktritt des umstrittenen evangelikalen Predigers in die Krise gestürzt, verkürzt die seit Jahren angestauten Probleme in unzulässiger Weise. Wagner war es gelungen, den Kreis der Mitgliederverbände im Dachverband stetig zu erhöhen. Kritiker warfen der UOKG allerdings vor, die Erhöhung numerischer Masse „ohne Inhalt“ der qualitativen Gewinnung arbeitsfähiger Vereine vorzuziehen. So bestehen viele der aktuell ausgewiesenen über 30 Mitgliedsverbände häufig nur aus wenigen Mitgliedern, die teilweise noch nicht einmal die Möglichkeit hätten, sich als rechtsfähiger Verein eintragen zu lassen (Minimum sieben Mitglieder). Mit der einer Monstranz ähnlich vor sich her getragenen Mitgliedschaft des Bundes der Vertriebenen wies der Wagner-Vorstand zwar darauf hin, daß die Mitglieder der UOKG immerhin über 2 Millionen Menschen umfassen. Der BdV ließ dagegen schon vor längerer Zeit eine Nachfrage nach seiner Mitgliedschaft in der UOKG unbeantwortet. Nachweislich gehört der Frauenbund im BdV als Verein dem Dachverband an, dessen Vereinsmitglieder aber überschaubar sein sollen.

Kostspielige Diffamierung: Sogen. Abschlußerklärung der UOKG vom 24.08.2015

Kostspielige Diffamierung: Abschlußerklärung der UOKG vom 24.09.2015

Im Jahr 2007 und 2008 hingegen hatte die UOKG wichtige Verbände durch Austritt verloren, unter diesen die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), das Bautzen-Komitee und die Vereinigung 17. Juni 1953. Im Zuge der parallelen Wahl von Wagner zum Auch-Vorsitzenden der VOS war zwar der älteste Verband aus Opfern des Kommunismus wieder der UOKG beigetreten, allerdings in einer Zeit und einem Zustand, der nur ein bedauernswertes Spiegelbild einstiger Effizienz abgibt und damit eher eine Belastung als eine echte Bereicherung für die nach wie vor notwendige Arbeit eines Dachverbandes ist.

Die Geburtswehen dieses Dachverbandes im Jahre 1992 waren ohnehin schmerzhaft. Das ursprüngliche Ziel der seinerzeitigen Bundesregierung, über das Innenministerium die Gründung eines Dachverbandes der DDR-Verfolgten und Opfer anzustreben, um statt einer unübersichtlichen Zahl von Vereinen einen kompetenten Gesprächspartner zu haben, scheiterte  an der Vielfältigkeit der angesprochenen Vereine und Organisationen. Im Gefolge gründete sich ein Gegenverband, der Zentralrat von Opfern Kommunistischer Gewaltherrschaft. Erst 2004 gelang es unter gemeinsamen Anstrengungen und damals auf beiden Seiten vorhandener Kompromissbereitschaft, den Zentralrat mit seinen Mitgliedsverbänden in die UOKG einzubinden. Unter der Führung des heute 90 jährigen ehemaligen Workutaners und eloquenten Journalisten Horst Schüler gelang der UOKG eine überzeugende und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Allerdings zeigte sich schnell, dass mit dem erfolgreichen Zusammenschluss auch die Konflikte in den Verband getragen worden waren. Weggefährten aus dieser Zeit erinnern sich an die verstörenden und zerstörenden, vor allem aber zeitraubenden Debatten, die durch zersetzende Vorwürfe gegen Personen und Mitgliedsverbände eine nach vorn orientierte Arbeit nahezu unmöglich machten. Diese Auseinandersetzungen gipfelten in dem mehr oder weniger erzwungenen Rücktritt Schülers 2006 in Salzgitter, der viele Anwesende eher an den Ablauf eines Putsches als an eine geordnete Stabübergabe an den Nachfolger erinnerte.

Vor der Entlastung unangenehme Fragen an den alten Vorstand vom VOK-Deutschland e.V.

Vor der Entlastung unangenehme Fragen an den alten Vorstand vom VOK-Deutschland e.V. (Ausschnitt).

Dass infolge dieser Auseinandersetzungen die bereits erwähnten Traditionsvereine die UOKG verließen, war nicht Rainer Wagner anzulasten, der sich bis zuletzt redlich mühte, diese Zäsur zu verhindern. Danach allerdings begann ein den grundsätzlichen Zusammenhalt gefährdender Schlingerkurs des deklarierten Christen. Wagner, unter dessen Ägide eine beachtliche Organisationsstruktur mit zeitweilig 25 Mitarbeitern aufgebaut wurde, verlief sich offensichtlich in politisch wohl gewohnte, für den Verband nicht gerade förderliche Taktiererei: Er umwarb einerseits die ausgetretenen Verbände in vielen persönlichen Gesprächen und stellte diverse Zusagen in den Raum. Lesenswert die Protokolle aus dieser Zeit, in denen Wagner über die „andauernde Zusendung der Protokolle an die ausgetretenen Mitglieder“, deren „weitere Antrags- und Teilnahmeberechtigung zu und an den Verbändetreffen“ referierte. Andererseits beauftragte der selbe Wagner Funktionäre der UOKG, Verbindungen zu Kritikern dieser Verbände aufzunehmen, um den einen oder anderen unliebsamen Vorstand ablösen zu können.

Dieses für einen im Hauptberuf tätigen Prediger ungewöhnliche Doppelspiel, das letztlich in einer jüngst gerichtlich untersagten Diffamierung ehemaliger politischer Häftlinge durch einen vom Vorstand zur Abstimmung gestellten „Beschluss“ kulminierte, mußte schlussendlich scheitern. Neben den nun aufzubringenden vermeidbaren Gerichts- und Anwaltskosten aus diesem Verfahren – der Vorstand hat inzwischen eine Abschlusserklärung abgegeben, in der er das ergangene Urteil anerkannte – muß der neue, in wenigen Tagen zu wählende Vorstand die UOKG neu aufstellen, mit den Mitgliedsverbänden neue Arbeits- und Umgangsformen für den internen wie den öffentlichen Auftrag erarbeiten. Muss sich die UOKG gar neu erfinden?

Bundesbeauftragter für die Diktatur-Opfer

Die Vereinigung 17.Juni in Berlin, einer der ausgetretenen Vereine, verneint das: „Die UOKG braucht sich nicht neu erfinden, aber sie sollte sich neu definieren nach dem Motto: Verfolgte, schart Euch zusammen, ehe ihr einzeln zerbrecht. Nach Meinung des zweitältesten Verbandes in der Szene (1953) sollte der Dachverband die „Querelen der letzten Jahrzehnte“ hinter sich lassen und sich den nach wie vor offenen Aufgaben widmen: Um die nicht zufriedenstellende Rehabilitierung von Verfolgten und Opfern der zweiten Diktatur, den Skandal der DDR-Renten-Umwandlung zu Lasten einstiger DDR-Bürger, die Schaffung eines Bundesbeauftragten zur Betreuung und Rechtsvertretung von Diktatur-Opfern, die Beweislastumkehr bei Geltendmachung gesundheitlicher Schäden, um nur die wichtigsten Vorhaben zu erwähnen. Der Vorstandssprecher: „Wir brauchen nicht den 28. Jahrestag der UOKG-Gründung abzuwarten, wie weiland den Fall der Mauer.“ Jedes weitere Jahr des Zuwartens wäre sträflich verschenkt, würde immer mehr Menschen ohne Anerkennung ihrer Leiden sterben lassen und spätestens dann die UOKG überflüssig machen.

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Einstige DDR-Grenzer üben sich ungehindert in der Traditionspflege

Berlin, 15.10.2015/cw – Während regelmäßig an die Morde an der Berliner Mauer und der Teilungsgrenze in Deutschland und Europa erinnert wird (siehe zuletzt DIE WELT, 8.10.2015: http://www.welt.de/geschichte/article147382401/Guenter-Litfin-das-erste-Opfer-des-Schiessbefehls.html) , üben sich die Täter von einst nach wie vor und augenscheinlich vom Gesetzgeber unbehelligt in Traditionspflege.

So ruft die Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V. (GRH) zum Jubiläumstreffen der „Grenztruppen der DDR“ auf. Am 24.Oktober wollen  die einstigen Mauerschützen zu ihrem „ 30. Grenzertreffen“ in der „Landkostarena“ Goethestraße, 15741 Bestensee, zusammenkommen. Das Treffen wird organisiert von der Arbeitsgruppe Grenze, Franz-Mehring-Platz 1 in 10243 Berlin in der vorgen. Gesellschaft. Deren Leiter, Günter L., war in einem Mauermord-Prozess 1998 wegen „Totschlags in zwei Fällen“ verurteilt worden. Der Prozess erregte damals aber auch Aufsehen, weil Günter Bazyli, seinerzeit Oberst der Grenztruppen, schonungslos seine Mitschuld an den Mauermorden eingeräumt hatte. Bazyli war dafür von Mitangeklagten und früheren Untergebenen als „Verräter“ gebrandmarkt worden. „Er hat seine Ehre verkauft, weil er nicht den Mut hatte zu sagen: Mein Kommandeur ist kein Mörder“, hieß es verächtlich nach der Urteilsverkündung über Bazyli. Der aber hielt die offenen Anfeindungen durch. Einem früheren Offizierskollegen, der Bazyli wegen seiner Haltung beschimpfte, hielt er entgegen: „Auch du wirst dort ankommen, wo ich jetzt bin.“

Von der Öffentlichkeit übersehen, von Zeitzeugen am 50.Todestag geehrt: Maueropfer Paul Schultz - unvergessen. Foto: Lyrag

Von Zeitzeugen am 50.Todestag geehrt: Maueropfer Paul Schultz – unvergessen. – Foto: Lyrag

Das war wohl zu optimistisch, denn die Mehrzahl der einstigen „Kameraden“ organisiert sich nach wie vor in Traditionsvereinen, hält unerschütterlich an der Richtigkeit der einstigen Mord-Befehle ihrer obersten Führung fest. So schreibt denn auch Günter L., seinerzeit Stabschef und Oberst im Grenzkommando (1989) in seiner Einladung: „Wir freuen uns auf Deine Teilnahme, weitere Freunde und Interessenten sind herzlich willkommen.“ Und: „Wir schlagen einen Blick ins INTERNET unter http://www.ddr-grenztruppen.de vor. Mit kameradschaftlichen Grüßen, gez. Günter L.“

Schmerzliche Retraumatisierung ehemaliger Verfolgter

Zum 25 Jahrstag der Wiedervereinigung stand allerdings der Jubel im Vordergrund. Mit den kalten Realitäten, wie der ungehinderten Traditionspflege ehemaliger DDR-Kader und der damit einhergehenden schmerzlichen Retraumatisierung ehemaliger Verfolgter oder Angehörigen von Mordopfern an der Mauer ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der zweiten Diktatur mochte sich offensichtlich kein Politiker auseinandersetzen.

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ARD-Hauptstadtstudio:
Hohenecker Frauen waren auch Lastenträger der Einheit

Berlin, 13.10.2015/cw – Im Foyer des ARD-Hauptstadtstudios fanden sich am vergangenen Dienstag erfreulich viele Gäste zur Eröffnung der Ausstellung „Das Frauengefängnis Hoheneck: 25 Portraits ehemaliger politischer Häftlinge“ ein. Die von der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin geförderte Ausstellung mit hervorragenden Portrait-Fotos des Fotografen Dirk von Nayhauß ist seit 2012 im gesamten Bundesgebiet unterwegs und wird jetzt aus Anlass des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung in Berlin an diesem prominenten Ort unweit des Reichstages gezeigt. Tatjana Sterneberg, ehemalige Hoheneckerin, hat die sehenswerte Dokumentation (Texte von Maggie Riepl) an das ARD-Hauptstadtstudio  vermittelt. Die Ausstellung basiert auf dem Buch DER DUNKLE ORT (bebra-Verlag Berlin, 19,90 Euro).

Plakat ARD-Hauptstadtstudio_2Auch zahlreiche portraitierte Frauen waren neben anderen ehemaligen Hoheneckerinnen der Einladung gefolgt, um den Gästen für Anfragen und Gespräche zur Verfügung zu stehen. Wolfgang Holzapfel, Redaktion Hohenecker Bote, hielt die Einführung, nachdem Eva Marock von der ARD-Abteilung Kommunikation die Gäste herzlich begrüßt hatte. Detlef Jablonski, selbst ehemaliger politischer Gefangener und heutiger Barde, sang zu Beginn zu seiner Gitarre das Lied von „Anna und Giovanni„, einer dem Schiksal Sternebergs nachempfunden Liebesgeschichte zu Zeiten der Mauer.

Er wolle bewußt die Besucher nicht mit Ausführungen zur Historie dieser furchtbaren DDR-Einrichtung im Erzgebirge malträtieren, führte der freie Journalist zu Beginn aus. Sicherlich ließen sich mit derlei Historien auch gut vorgegebene Zeiten überbrücken, allerdings kämen dann die betroffenen Personen, Sinn dieser Ausstellung, zu kurz. Die Hohenecker Frauen seien mit den weiteren über 200.000 politischen Gefangenen der zweiten Diktatur die eigentlichen Lastenträger der deutschen Einheit gewesen. Ihnen solle dieser Abend gewidmet sein.

Auf 25 Tafeln eindrucksvolle Biografien ehem. Hoheneckerinnen - Foto: LyrAg

Auf 25 Tafeln eindrucksvolle Biografien ehem. Hoheneckerinnen –
Foto: LyrAg

Der Referent erinnerte dann seine erste Begegnung mit dem Thema Hoheneck, das ihm bereits 1962 im Alter von 18 Jahren von der ehemaligen Hoheneckerin Anneliese K. nahegebracht worden sei. Anneliese, damals 30 Jahre alt, hatte bereits 10 Jahre ihres Lebens in der Hölle von Hoheneck verbracht. Dieses Schicksal habe ihn schließlich veranlasst, sich für die Freilassung der politischen Gefangenen in der damals sowjetisch besetzten Zone einzusetzen.

Viele Hoheneckerinnen hätten sich ihre Leidenszeit aber auch in Büchern buchstäblich von der Seele geschrieben. Es existierten mittlerweile viele bewegende Zeugnisse der Frauen von Hoheneck, die geeignet wären, den verantwortlichen Politikern reale Hintergründe zu vermitteln, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen oder verabschieden zu können. So habe Ellen Thiemann, einst von ihrem eigenen Mann an die Stasi verraten, in ihrem letzten Buch „Wo sind die Toten von Hoheneck?“ bisher ungeklärte Hindergründe um diese Haftanstalt aufklärt. Nach der Wende hatte man zahlreiche Urnen von verstorbenen Gefangenen auf dem Dachboden der Haftanstalt aufgefunden. Die Aschen dieser toten Frauen sind heute in einem Ehrengrab der Stadt Chemnitz beigesetzt.

Eine Rose un d Trauerflor für die 2013 verstorbene Petra Koch - Foto: LyrAg

Eine Rose und  Trauerflor für die 2013 verstorbene Petra Koch – Foto: LyrAg

Auch die Hoheneckerin Erika Riemann habe mit ihrem Buch „Die Schleife an Stalins Bart“ die Geschichte einer gestohlenen Jugend reflektierte. Sie war 1945 im Alter von 14 Jahren von den Sowjets verhaftet und verurteilt worden und über das reaktivierte NS-KZ Sachsenhausen und Bautzen nach Hoheneck gekommen. Sie hatte dem Diktator Stalin auf einem Plakat im jugendlichen Überschwang eine Schleife an den Bart gemalt. Acht Jahre Haft mußte Riemann dafür verbüßen.

Eva-Maria Neumann beschrieb in ihrem Buch „Sie nahmen mir nicht nur die Freiheit“ ihre gescheiterte, weil verratene Flucht. Diese brachte die beiden Eheleute Neumann ins Zuchthaus, trennte sie von der dreijährigen Tochter. „Diese schlimme, diese dunkle Zeit dürfe niemals vergessen werden,“ appellierte der Referent unter Beifall.

Holzapfel ging auch auf die aktuellen Konflikte im Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen ein, dessen Vereinsauflösung gegen den Willen vieler betroffener Frauen gegenwärtig vom jetzigen Vereinsvorstand betrieben werde und erinnerte daran, daß das bislang alljährliche Treffen zum letzten Mal 2013 stattgefunden habe: „Das sollte wieder aufleben, das sollte fortgesetzt werden.“ Wer anders, als die Frauen von Hoheneck seien prädestiniert, in einer und für eine Gedenkstätte ihr ganzes Wissen und ihre Erfahrungen einzubringen, an Besucher und Schulen weiterzugeben, solange sie als Zeitzeuginnen zur Verfügung stehen können?

>Gemeinsam mit Kinsmörderinnen in einer Zelle: Mutter und Tochter im Zeitzeugengespräch - Foto: LyrAg

Gemeinsam mit Kindsmörderinnen in einer Zelle: Mutter und Tochter im Zeitzeugengespräch
– Foto: LyrAg

Detlef Jablonski verwies im Anschluß mit seinem  Lied „Wenn ich ein Stasi-Spitzel wär´“ satirisch auf die unterschiedlichen Berufswege einstiger Täter und ihrer einstigen Opfer.

Abschließend moderierte Holzapfel ein kurzes Gespräch mit den Zeitzeuginnen Hannelore Höfelmayr und Ina Jaekel, die gemeinsam als Mutter und Tochter in den achtziger Jahren wegen Republikflucht mit Kindsmörderinnen in einer Zelle in Hoheneck inhaftiert waren. Während Höfelmayr bis heute nicht wieder in Hoheneck gewesen sei, weil sie diese Zeit „hinter sich lassen“ wolle, hatte ihre Tochter Ina zusammen mit ihrem Freund diesen „Weg der bitteren Erinnerung“ versucht, war aber an dem Tag vor „verschlossen Toren“ gestanden. Rückblickend sei sie darüber froh, denn die Erinnerung „unmittelbar vor diesem Ort“ hatte sie unerwartet heftig aufgewühlt.

Nach dem bewegenden Gespräch wurde bis in den späten Abend zwischen Gästen und Zeitzeuginnen diskutiert und die eindrucksvollen Biografien der 25 Frauen mit großem Interesse studiert.

Die Ausstellung im ARD-Hauptstadtstudio (Wilhelmstr.67 a, 10117 Berlin) ist tagsüber noch bis zum 1. November zugänglich.

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ARD-Doku: Ausgebeutet für den Klassenfeind – War da noch was?

Ein Einwurf von Tatjana Sterneberg*

Berlin, 15.10.2015/tst – Die ARD zeigte zu später Stunde – wieder einmal – eine Dokumentation, der man eine breite Zuschauerschicht gewünscht hätte: Die Haftzwangsarbeit von politischen Häftlingen in der ehemaligen DDR – ein seit Jahren brisantes Thema (ARD, “Geschichte im Ersten” 12.10., 23.30 Uhr). Lobenswert also, aber warum zu dieser nächtlichen Sendezeit? Das Thema zu unangenehm? Oder gar zu Lasten der Quote ?

Gut, dass einstige politische Häftlinge hier erneut zur Haftzwangsarbeit sprechen konnten. Die Recherchen von Achim Reinhardt und Claudia Butter belegten einmal mehr das bis dahin nicht bekannte Ausmaß dieser Ausbeutung im Wortsinn. Im Ruhestand konnten nun auch einstige Konzernvertreter Wahrheiten ventilieren. Großartig, 25 Jahre nach dem Fall von Mauer und Grenze in Deutschland.

Dass die Täter von einst heute weder Verantwortung noch Reue zeigen, war zu erwarten, mit einschränkender Ausnahme der Sprecher von KAUFHOF, der immerhin Recherchen ankündigte. Ein Schlag ins Gesicht der Opfer war dagegen das Statement der Ost-Beauftragten Iris Gleicke, SPD. Aufarbeitung von Unrecht – Studie um Studie, ja. Entschädigung für die Opfer? Da will man keine falschen Hoffnungen wecken (Gleicke).
Welchen Stellenwert haben eigentlich die Lastenträger der Deutschen Einheit heute wirklich? Offensichtlich, wie ich meine, keinen nennenswerten.

Nein, hier geht es darum, mit einer konkreten Durchsetzung von Entschädigungsleistungen nicht anzuecken, erreichte Politiker- und Behördenpositionen zu behalten, der Sicht der führenden Politik-Elite zu entsprechen. Eine Entschädigung mit tatsächlichen Koordinaten? Nein, das geht nicht. Weil dazu nach unseren rechtstaatlichen Maßstäben auch alle Kriminellen zählen würden, die in den Strafvollzügen der DDR ebenfalls zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden? Unausgesprochene Gleichsetzung von Kriminellen mit unschuldig Verurteilten auf leisen Sohlen?

Jedenfalls gab der Beitrag unverhohlen Auskunft über die Nutznießer der Haftzwangsarbeit, dem „Who ist Who“ der (damals) westdeutschen Wirtschaft. Aber war da nicht noch was?
Ach ja: Die Lobbyisten – auch dieser Firmen – waren (und sind zumeist noch) im Bundestag „akkreditiert“. So manche Spende erreicht(e) die Parteien der Bundesrepublik. Beispielsweise über Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble, die nach wie vor in dezidierter Benennung das Licht der Öffentlichkeit scheuen und einer denkwürdigen Amnesie unterliegen. Über „Zuwendungen“ an die Opfer dieser modernen Ausbeutung – früher treffender als Sklavenarbeit bezeichnet – ist hingegen nichts bekannt.

Warum auch? Schon Brecht wusste: „Doch die im Dunklen, die sieht man nicht.“ (1.042)

*  https://de.wikipedia.org/wiki/Tatjana_Sterneberg

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(Ehem. „Komitee 17.Juni“ von 1953)

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