Wie DDR-Zwangsarbeiter für Westfirmen leiden mussten
Berlin, 9.10.2015/cw – In der Reihe „Geschichte im Ersten“ zeigt die ARD im Ersten am Montag, den 12.10., 23.30 Uhr am Beispiel des einstigen Frauenzuchthauses in Hoheneck eine Dokumentation über die Haftzwangsarbeit in der DDR .
Die aktuellen Aufnahmen des Filmes von Achim Reinhardt und Claudia Butter wurde im Juni diesen Jahres u.a. am Originalschauplatz in Hoheneck gedreht. Rund 20 ehemalige Hoheneckerinnen hatten sich im Frühsommer spontan vor der alten Folterstätte getroffen, um die Toten dieser Haft-Zeiten zu ehren. Der Verein, Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen, hatte die letzte der ansonsten alljährlichen Versammlungen 2013 durchgeführt, da der gegenwärtige Vorstand die Auflösung des von Maria Stein gegründeten Traditionsvereins betreibt. Dagegen wiederum haben engagierte Frauen unter Führung von Regina Labahn Klage erhoben und im ersten Rechtszug Erfolg gehabt. Allerdings ist der Vorstand in Berufung gegangen. Der Platz vor dem einstigen Zuchthaus soll in nächster Zeit in „Maria-Stein-Platz“ umbenant werden.
Profit für Westfirmen
Im Film schildert die ehemalige Vorsitzende des Vereins, Inge Naumann, die Akkordarbeit in Hoheneck. Auf der einstigen Burg wurden von den Frauen u.a. Bettwäsche und Strumpfhosen produziert, die auf den Warentischen von Quelle, Neckermann, ALDI und anderen West-Kozernen landeten. „Rund 6.000 westdeutsche Firmen nutzten die DDR als Billiglohnland. Knastwaren aus dem Osten landeten so auf den Wühltischen im Westen. Das „Who is who“ der deutschen Wirtschaft profitierte,“ heißt es im Ankündigungstext zum Film. Die Autoren, beide Reporter des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“, haben wochenlang im Bundesarchiv, im Stasi-Archiv sowie in Landesarchiven recherchiert und mit zahlreichen Zeitzeugen und Wissenschaftlern gesprochen.
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DDR-Täter werden von einstigen Opfern zur Rede gestellt
Ehemalige DDR-Verantwortliche, Konzernmanager und die Bundesregierung werden von den Autoren nach ihrer Verantwortung für die Opfer von Zwangsarbeit befragt. Mit der Kamera begleiteten die Autoren politische Häftlinge, die DDR-Täter und Profiteure von einst zur Rede stellen.
Resignierend klingt der Schlusssatz zur Vorankündigung: Auch 25 Jahre nach der Deutschen Einheit müssen die einstigen ZwangsarbeiterInnen noch immer auf Aufarbeitung und Wiedergutmachung warten.
Ein weiterer Skandal, der viele Beteuerungen zu den eben pompös ausgestalteten Feiern zum 3. Oktober deutlich Lügen straft. (1.039)
Wiederholung: Di, 13.10.15 | 03:40 Uhr | DasErste
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
9 Kommentare
15. Oktober 2015 um 22:20
M. T.
Schade, dass dieser Beitrag auf Grund seiner Sendezeit wohl nur wenige Zuschauer erreicht haben dürfte (wir hatten ihn zum Glück aufgezeichnet).
Ein Schelm, wer hinter diesem Sendeplatz Absicht vermutet.
Aber die viel zu vielen Halbintelligenzler, die das Verbrecherregime der 2. deutschen Diktatur immer noch glorifizieren („alles war ja auch nicht schlecht“) hätte das wohl auch nicht daran gehindert, den roten Rattenfängern weiter nachzulaufen.
Hochinteressant, dass selbst in einem konservativ regierten Bundesland eine solche Person im Justizministerium arbeitet, die sich mit ihrer eigenen Rolle als Täterin in keiner Weise auseinanderzusetzen bereit ist.
Aus meinen viel zu vielen Grenz-Erfahrungen weiß ich, dass die Frauen, die von uns intern als „Flintenweiber“ bezeichnet wurden, häufig die schlimmsten waren.
Nicht wissen, nicht wissen wollen, nicht nachdenken, zu jung sein (auch noch mit 31 Jahren?) diese Argumente kennt man doch zur Genüge von den Aussagen der KZ-Wächter, die ja auch alle nur ihre Arbeit getan hatten… und dafür nicht an die Front mussten… Dies hat nach 1945 aber auch die „DDR“-Justiz nicht davon abgehalten, selbst minderbelastete Jugendliche jahrelang einzusperren.
Für mich sind die Kommunisten… keinen Deut besser als die Nazi…
Ich erinnere mich, dass vor vielen Jahren noch 40 oder 50 Jahre nach Kriegsende in der deutschen Wirtschaft für einen Entschädigungsfond für NS-Opfer/ Zwangsarbeiter gesammelt wurde.
Aber offenbar gibt es in diesem Rechts(?)Staat Opfer 2. Klasse, für die sich einzusetzen nicht opportun erscheint.
13. Oktober 2015 um 01:21
Edith Fiedler
Habe von der Dokumentation mehr erwartet. Insbesondere auf Hoheneck bezogen vermisse ich die Hinwweise auf die kolossalen Arbeitsschutzverletzungen der damals gültigen Gesetze der DDR.
In den Nähsälen Planet-Bettwäsche gelang der Wäschestaub direkt in die Lungen der Frauen. Die Fenster durften nicht geöffnet werden. Der damalige Direktor (1977) des Wäschekombinates Lößnitz (WKL) stellte sich vor 60 Frauen, darunter ca 50% politisch Inhaftierte und brüllte diese mit überlauter Stimme voll, gefälligst mehr zu schuften. Der Betrieb müsse sein Planungssoll erfüllen. Er meinte, die Lieferverträge mit dem Westen. Ich hatte Hemdkragen gewendet. Die Chargenaufdrucke ließen einwandfrei auf Westfirmen schließen. Über die miesen Zustände im Arbeitsraum verlor er kein Wort.
Leider sind diese Zustände heute nicht mehr nachvollziehbar. Es wurde alles übertünscht und zu Ausstellungsräumen umgestaltet.
Für die „Gedenkstätte – Frauenhaftanstalt“ also verloren gegangen. An Inge Naumann herzlichen Dank für ihre klaren Worte im Sinne aller ehemaliger politisch verfolgter Frauen in Hoheneck.
12. Oktober 2015 um 23:17
Petra G.
Ich habe gehört (Zeitzeuge), dass z.B. bei Karstadt erkennbar war, dass die Artikel im Gefängniss angefertigt wurden! Und heute will niemand mehr davon etwas wissen!
14. Oktober 2015 um 23:40
Edith Fiedler
Hallo Petra G., nach meiner Haftentlassung im Dez. 1977, bin ich ab ca Feb. 1978 jeden Sonnabend mit einer Kameradin zu den Kaufhäusern in Westberlin gegangen und wir haben an den Krabbeltischen den Kunden erläutert woher die Waren ( Bettwäsche, Strümpfe „Hausmarke“, Männer- Freizeithemden; kommen. In der Bettwäsche waren die Nähnummern eingenäht. Einmal habe ich meine Nr. gefunden. Irgendwo habe ich sie aufbewahrt. Die Nr. war für Reklamationen gedacht. Die Frauen an den Krabbeltischen haben gut zugehört und meistens auf den Kauf verzichtet. Die Verkäuferinnen beobachteten unser Tun. Nach einiger Zeit erschienen die zuständigen Geschäftsführer und wir begründeten unser Tun, denn es war ja geschäftsschädigend. Kein einziges Mal wurden wir vertrieben oder belangt. Man zeigte immer offen ein gewisses Verständnis. Höflich bat man uns, für den Tag unsere Negativpropaganda einzustellen. Das taten wir dann auch und gingen zum nächsten Kaufhaus.
Bei einem bekannten Möbelhändler in Berlin bezog ich meine ersten Möbel für meine Wohnung. Der mußte mir genau nachweisen, woher die Möbel stammten. Der wollte dann wissen, warum ich so penetrant nach der Herkunft suchte, und ich offenbarte ihm das. Daraus entstand fast eine zeitweise Freundschaft. Er versprach mir beim Einkauf auch so wie ich darauf zu achten und damals solche Produkte nicht zu verkaufen.
Der Westen wußte ganz genau woher die Waren stammten, behaupte ich.
10. Oktober 2015 um 12:12
angelika
Klasse, endlich der Beitrag. Grüße alle die mit in Stollberg waren!
Leider wieder mal später Sendetermin.
Für Inge, bist wieder mal schön anzusehen 🙂
10. Oktober 2015 um 11:33
catharina
Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Produkte und Produktionen aus der DDR-Zwangsarbeit kommen zutage. Frauen in der Leichtindustrie wie in Hoheneck/Thüringen und Männer in der Schwerindustrie verdienten u.a. die Devisen für Waren, die in Wandlitz von Krenz und Co konsumiert wurden.
Seit ungezählten Jahren kämpfen zehntausende Betroffene um eine Anerkennung dieser Zwangsarbeit, denn Haft mit Arbeit und sehr harten Strafen bei Verweigerung der Arbeit ist nix anderes als Zwangsarbeit – stehen weiterhin aus und werden lapidar abgetan.
Heute sitzen Wirtschaftskriminelle in den Vollzugseinrichtungen komfortabel vorm privaten TV anstatt ihren Schaden am wirtschaftlichen Gemeinwohl durch Arbeitseinkommen zu mindern. Herr Hartz – der Erfinder gleichlautender Gesetzgebung – entkam mit einem Strafgeld per Gerichtsbeschluss. Das hat ihn wohl sehr betroffen gemacht ?!
Für soviel Ignoranz der Politikkasper kann ich mich nur fremdschämen.
9. Oktober 2015 um 21:55
saminana
Danke fürs Teilen. Der Beitrag hört sich interessant an, die Zeit ist leider wieder einmal nicht besonders vorteilhaft, insbesondere auch weil manche Beiträge von der Schweiz aus nicht abrufbar sind in der Mediathek…
9. Oktober 2015 um 20:19
Springer
In Sachen „DDR-Zwangsarbeit“ haben wir ehemaligen politischen Häftlinge von Frau Iris Gleicke – bzw. vom Staat eine „Wiedergutmachung/Rente“ nicht zu erwarten. Das sei ein Thema der betreffenden Betriebe!
Also Freunde, bitte keine falschen Hoffnungen.
Ja, ja-wer hat uns verraten,………?! Täter hätten wir wohl sein müssen!!!!
fragt Manfred Springer aus Hamburg
11. Oktober 2015 um 18:44
Edda Sperling
Langsam wird die Ignoranz der Politiker zu diesem Thema unerträglich, eine Ostbeauftragte Iris Gleicke von der SPD aus der ehemaligen DDR stammend reagiert auf keine Anfrage von politischen Häftlingen