Berlin, 26./29.05.2015/cw – Am 2.06.2015, um 21:00 (-21:45) Uhr sendet der rbb erstmals den Film „Meine Oderberger Straße“, http://mediathek.rbb-online.de/tv/Dokumentation-und-Reportage/Meine-Oderberger-Stra%C3%9Fe/rbb-Fernsehen/Video?documentId=28649626&topRessort=radio&bcastId=3822114 , eine Gemeinschaftsproduktion des Duos Freya und Nadja Klier (Mutter und Tochter).

Auch der Tunnelbau von 1963 wurde thematisiert:
Freya u. Nadja Klier (von li.) im Gespr. mit einem der Tunnelbauer (re.) – Foto: LyrAg
Am 26.Mai wurde der Filmstreifen in der Gedenkstätte „Berliner Mauer“ an der Bernauer Straße uraufgeführt. Das Interesse überraschte sowohl die Filmemacherinnen wie den Veranstalter, so die stv. Direktorin der Stiftung Berliner Mauer, Dr. Maria Nooke, in ihrer Begrüßung; der Veranstaltungsraum war überfüllt. Der Co-Produzent rbb schaltete zudem life in die laufende Sendung von „Zuhause in Berlin-Brandenburg“ (zibb) (bis 3.06.2015 im Internet unter http://www.rbb-online.de/doku/m-n/meine-oderberger-strasse-.html).

Vom Güterbhf. (West) sendete der 20jährige C.W.Holzapfel 1964 auch in die Oderberger Straße:
Hier spricht Studio Freies Deutschland – Sender am Stacheldraht – Archiv: cwh
Die Autorinnen gingen auf Spurensuche in einer Straße, schildern sensibel in beeindruckender Weise die leidvollen aber auch erinnerungsfreudigen Geschichten dieser Straße im Zentrum Berlins, deren Höhen und Tiefen. Dabei verzichten die beiden Frauen auf den erhobenen Zeigefinger, auf die sonst bei diesem Sujet beliebte Belehrung über vermeintliche oder tatsächliche Versäumnisse durch die jeweilig politisch Verantwortlichen. Sie erzählen fast liebevoll aus Jahrzehnten der Historie der Oderberger Straße, die ihnen selbst über zehn Jahre bis zur erzwungenen Ausreise zum Kiez, zur Heimat geworden war.
Seit 1961 durch Mauer und Stacheldraht getrennt, gelingt es Nadja Klier als unaufgeregte, stellenweise durchaus in die Straße verliebte Moderatorin (diese Metapher erscheint in diesem Fall angebracht) gerade über diese Mauer zu springen, eine Brücke zwischen der in West-Berlin an dieser Stelle errichteten Aussichtsplattform und der abgeriegelten Straße im Osten der Stadt herzustellen. Ihre Mutter Freya, bekannte einstige Bürgerrechtlerin und Regisseurin, fasst die Symbiose zwischen einfühlsamer Beschreibung und Bild durch eine unaufdringliche Regie. Die Aussichtsplattform, über Jahrzehnte ein wichtiger Kommunikations- und Sichtbogen zwischen beiden Stadtteilen an dieser Stelle, wurde übrigens zunächst einzig für die (West-Berliner) Polizei errichtet. Erst nach einem engagierten Artikel durch den Autor dieser Zeilen im „7-Uhr-Blatt“, einer sonntäglich erscheinenden Wochenzeitung, wurde die Plattform thematisiert und schließlich für die unzähligen Besucher in der Bernauer Straße öffentlich zugänglich gemacht.

Nach dem „7-Uhr-Blatt“ griff auch die Berliner Morgenpost das Thema auf. Im Hintergrund die Mauerschrift von C.W.Holzapfel: „Diese Schande muss weg“ – Archiv: cwh
Das familiäre Film-Duo lässt auch zahlreiche Zeitzeugen zu Wort kommen, die zumindest zeitweise ihr Lebensschicksal mit dieser Straße verbanden oder durchlebten: Fluchthelfer, Künstler, mutige Outsider oder einfach jahrzehntelange Bewohner dieser Straße.
Fazit: Ein bemerkenswerter Film, der 45 Minuten lang fesselt, Geschichte durch den Bezug zu dort lebenden Menschen lebendig werden lässt und neugierig macht auf diese Straße im Herzen des seit nunmehr 25 Jahren wiedervereinigten Berlin. Unbedingt „in die Röhre“, heute: „auf den Schirm“ schauen. (994)
Freya Klier und Nadja Klier. „Meine Oderberger Straße“ (2015), RBB, gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953
3 Kommentare
3. Juni 2015 um 09:48
Weber
Klaus Dörfert „lasst Euch nicht hinter die Fichte führen, denn das sind heute alle “Opfer oder Verführte“
Auf dieser Internetseite erfahre ich oft „Hintergründe“, die einem Wessi so nicht bekannt sind. Es bestätigt meinen Weg, unsere gemeinsame Geschichte nach dem 8.Mai 1945 aufzuarbeiten. Diese Zeit hat sich anderes abgespielt (viele dunkle Flecken der Alt-BRD-Regierungen wurden noch nicht aufgearbeitet, keine Alt-BRD-Aufarbeittungsindstrie) bzw. müssen noch an die Öffentlichkeit (warum sind die Alt-BRD-Archive noch immer fest verschlossen?). Ist den Akteuren dieser DDR-Aufarbeitungsindustrie gelegen, einen Mantel über die Alt-BRD-Geschichte zu legen?
31. Mai 2015 um 11:40
Klaus Hoffmann
Lieber Dörfert,
die “DDR” korrumpierte jeden ihrer aufmüpfigen Künstler so lange, wie diese noch in die ihnen auferlegte Vorbildfunktion des neuen sozialistischen Menschen paßten. Wenn die Toleranzschwelle überschritten war, entledigte man sich ihrer durch Rausschmiß aus dem roten Paradies. Einige dieser Ausgewiesenen kamen sich als “DDR-Widerständler” geadelt vor und hofften mit diesem Prädikat auf Geldsegen. Das ging nicht auf, weder handelte es sich auch nur um die Splitter einer “DDR”-Opposition, noch hatte die Kunstszene im Westen auf sie gewartet.
Im Film „Meine Oderberger Straße“, wird die Künstlerrolle in der “DDR” nur schwach gestreift, das macht Sinn – “Weniger ist manchmal mehr“.
Die stadtgeographische und geopolitische Lage der Straße und das in ihr über die Jahrzehnte gewendete und gewandelte Millieu geben Zeugnis über die Schmerzen und Wunden der Kriegsnachwirkungen, wie sie für Berlin so zahlreich sind. Diese Entwicklung im Zeitraffer als Beleg für die Stärke des pulsierenden städtischen Leben erzählt zu bekommen von Nadja Klier (Tochter), als erste Generation nach der Wende, mit ihrer Mutter Freya (nur) als Künstler-Zeitzeugin – dieser Kunstgriff überzeugt und fesselt den Zuschauer.
Als politischer Akteur und ehemaliger Stadtplaner danke und beglückwünsche ich das Team und besonders die geldgebenden Entscheidungsträger.
30. Mai 2015 um 13:16
Klaus Dörfert
Liebe Kameraden/Innen
Kunst ist alles,aber ohne Kunst ist alles nix !
Dazu gibt es vielleicht auch mal einige aufklärende Worte zu sagen. Neben den SED Funktionären gehörten auch die „Künstler“ zu den Nutznießern des Regimes. Die Künstler lebten in der DDR besser als jede andere Berufsgruppe, außer der Politbonzen. Die Künstler die mit Verboten und Ausweisungen „bestraft“ wurden, für jene war das die beste Werbung. Dadurch wurden sie populär und gehörten in der Bundesrepublik zu einer moralischen Instanz. Wo sind denn heute diese sogenannten „Künstler“? Gibt es keine Ungleichheit in der Gesellschaft? Es war doch wohl alles nur Mache, jedenfalls bin ich der Meinung. Denn diese „Künstler“ waren Ausreiser mit Sack und Pack, mit schönen sauberen Papieren und sogar mit einer freundlichen Verabschiedung. Liebe Kameraden/Innen, lasst Euch nicht hinter die Fichte führen, denn das sind heute alle „Opfer oder Verführte“.