Nr.041 Einigkeit und Recht und Freiheit 15. 05. 2015
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Auflösung abgewehrt:
Historischer Frauenkreis kann Arbeit fortführen
Michelstadt/Stollberg, 11.05.2015/cw – Das Urteil des Amtsgerichtes Michelstadt/Hessen war klar und deutlich: Die Beschlüsse der Mitgliederversammlungen vom 3. und 4. Mai 2013 werden aufgehoben. Damit sind die Bestrebungen einer offenkundigen Minderheit (16:104) gescheitert, den geschichtsträchtigen Verein „Frauenkreis der ehemalige Hoheneckerinnen e.V.“ aufzulösen. Auch sind alle verbreiteten Behauptungen, nach denen diese Auflösung „rechtsgültig“ erfolgt sei, Makulatur. Mechthild Günther, eine der maßgeblichen Kräfte, die sich für eine Auflösung einsetzten, hatte noch kürzlich auf der Mitgliederversammlung des Fördervereins Stollberg die Auflösung zitiert.
Günther: „Das sind Stasi-Methoden!“
Unter den Frauen, die einst aus politischen Gründen für oft viele Jahre in dem DDR-Zuchthausgemäuer in Hoheneck zubringen mussten, löst die Haltung von Günther seit längerem Rätselraten oder gar Unmut aus. Mechthild Günther hatte Dank einer Amnestie nur kurze Zeit im Aufnahmetrakt des Zuchthauses verbringen müssen, war dadurch schnell entlassen worden. Die einstige Direktorin der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen in Berlin, die bis vor Kurzem das Archiv der Gedenkstätte führte, irritierte einstige Insassinnen ebenfalls durch ihr lautstarkes Agieren gegen eine von Mitgliedern des Fördervereins Stollberg geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung zumindest für Vorstandsmitglieder. „Das sind Stasi-Methoden!“ bürstete Günther die Antragsteller ab. Sie stellte sich mit der Ablehnung einer entsprechenden Überprüfung auf eine mögliche Nähe zum einstigen MfS an die Seite des erneuten Vorsitzenden Dietrich Hamann, der ebenfalls vehement auf der „Freiwilligkeit“ einer Überprüfung bestand. Erst kürzlich hatte die Presse vor Ort über die einstige Tätigkeit des Optikers in der Haftanstalt zur Versorgung der Gefangenen mit optischen Geräten berichtet.
Verein: Außergerichtliche Einigung abgelehnt
Zur Fortsetzung der „mündlichen Verhandlung“ über die Klage diverser ehemaliger Hoheneckerinnen gegen den Auflösungsbeschluss von 2013 waren neben Mechthild Günther für den beklagten Verein Edda Schönherz, Konstanze Helber und Angelika Grünewald mit Rechtsanwalt Hoffmeister erschienen. Günther hatte als einzige Befürworterin der Auflösung, obgleich kein Vorstandsmitglied, bereits an der ersten Verhandlung im November vergangenen Jahres teilgenommen.
Regina Labahn vertrat zusammen mit Rechtsanwalt Matzkeit die Klägerinnen. Vor dem Sitzungssaal hatte Tatjana Sterneberg als mögliche Zeugin Platz genommen, ihre Aussage wurde jedoch nicht mehr benötigt.
Die kurze Verhandlung wurde erneut sehr souverän von Amtsrichter Dr. Rothfritz geführt. Dieser stellte die Frage einer möglichen außergerichtlichen Einigung zum Beispiel durch Neuwahlen in den Raum. Regina Labahn wollte sich einer solchen Lösung namens der Klägerseite nicht verweigern, betonte aber, dass dies nur durch einen Notvorstand erfolgen könne, da „jegliches Vertrauen in den gegenwärtige Vorstand“ fehle.
Für den beklagten Verein erklärte Konstanze Helber, die „Auflösung sei rechtmäßig und mit ausreichender Mehrheit beschlossen worden. Daher habe man keinen Anlass, Wahlen für einen aufgelösten Verein durchzuführen.“
RA Matzkeit wandte ein, dass die „formalen Voraussetzungen für einen Auflösungsbeschluss“ gar nicht gegeben gewesen seien.
Dr. Rothfritz erinnerte daran, dass es dabei ja auch um die Frage der gültigen Satzung ginge.

2012 noch einträchtig: Ehem. Hoheneckerinnen bei der Ehrung der Toten von Hoheneck in Stollberg – Foto: LyrAg
RA Matzkeit: Dies sei zwar u.U. zu klären. Es käme aber aus seiner Sicht gar nicht mehr darauf an, weil allein die Wahl des Vorstandes entgegen der Tagesordnung satzungswidrig erst am nächsten Tag durchgeführt worden war. Mithin sei der Vorstand nicht rechtmäßig gewählt worden und hätte daher keine Befugnis gehabt, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Zwecke der Auflösung einzuberufen.
Dr. Rothfritz: Das müsse sicherlich auch bedacht werden.
Matzkeit: Frau Helber, warum sollen wir auf Formalismus beharren statt an einer konstruktiven Lösung mitzuwirken? Im Übrigen sei es doch den Mitgliedern, die eine Auflösung wollten unbenommen, den Verein zu verlassen und die Fortsetzung willigen Mitgliedern zu überlassen.
RA Hoffmeister: Wir wollen eine Entscheidung.
Dr. Rothfritz: Eine gütliche Einigung ist also gescheitert.
Unterstellungen gegen die Hessische Justiz zurückgewiesen
Daraufhin verlas RA Matzkeit eine Erklärung der Klägerseite und bat darum, diese zu Protokoll zu nehmen. In dieser Erklärung verwahrten sich die „einst von einer manipulierten Justiz Betroffenen“ gegen den Versuch der Beklagten, dem Registergericht in Darmstadt oder der Hessischen Justiz zu unterstellen, diese hätte wohlmöglich „Akten manipuliert oder eine Manipulation zugelassen.“ Die Klägerseite habe „volles Vertrauen sowohl in die Amtsführung des Registergerichtes wie in die Hessische Justiz als Vertreter unseres Rechtsstaates.“
RA Hoffmeister verwahrte sich gegen diese Unterstellungen, man habe dies nie behauptet. Er sei dagegen, dass diese Erklärung zu Protokoll genommen werde.
Labahn: „Sie wissen jetzt, dass Sie lügen, Herr Rechtsanwalt!“
RA Matzkeit: Herr Kollege, wollen wir aus den Akten die entsprechenden Schriftsätze hervorholen?
Nach diesem kurzen und heftigen Disput erklärte Richter Dr. Rothfritz, dass es beidseits bei den eingereichten Anträgen vom 10.11.2014 bleibe. Er unterbreche die Sitzung und werde gegen 15:00 Uhr im Sitzungssaal das Urteil, zumindest aber den Tenor verkünden.
Verein ohne amtierenden Vorstand
Im Ergebnis des verkündeten Urteils, das noch nicht rechtskräftig ist, hat der Verein nunmehr keinen amtierenden Vorstand, da alle Beschlüsse der Mitgliederversammlungen aufgehoben worden sind und der vorhergehende Vorstand zuvor geschlossen seinen Rücktritt erklärt hatte. Daher wollen die Klägerinnen nach Rechtskraft unverzüglich die nächsten Schritte beraten, wozu zuförderst die „rechtsgültige Wahl eines neue Vorstandes gehört,“ so Regina Labahn nach der Urteilsverkündung. Sie sei erleichtert, dass „unser Vertrauen in den Rechtsstaat endlich Früchte getragen hat und wir jetzt mit neuer Kraft an die Arbeit gehen können.“
Siehe auch das nachfolgende Interview .
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Tatjana Sterneberg: Wir wollen das Gedächtnis gestalten
Berlin, 14.05.2015/cw – Der Hohenecker Bote sprach nach dem Urteil von Michelstadt in Berlin mit der Vorsitzenden des „Fördervereins Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck e.V.“, Tatjana Sterneberg.
HB: Frau Sterneberg, ein Verein gerettet, einen anderen Verein abgemeldet. Zufrieden?
TST: Zunächst einmal bin nicht nur ich überglücklich über das Urteil. Es eröffnet zweifellos die notwendige Perspektive, die nunmehr dreijährigen Auseinandersetzungen im Frauenkreis endlich beenden zu können und erlaubt uns – einen arbeitsfähigen Vorstand vorausgesetzt – an der zukünftigen Gestaltung der Gedenkstätte aktiv mitzuwirken. Wer anders als wir betroffenen Frauen könnte das Gedächtnis an diese Horrorjahre glaubwürdig gestalten? Wir haben durch diese Querelen, wenn auch in der Sache wichtige rechtliche Auseinandersetzungen, ohnehin viel Zeit verloren. Jetzt müssen wir zu-. und anpacken.
Mit der „Abmeldung“ ist wohl unser erster Förderverein BuG gemeint? In der Tat haben wir diesen 2011 im nachfolgenden Schwung durch den Besuch des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte übrigens auch Dietrich Hamann, der sich dann allerdings durch Einflüsse von Außen hat abwerben lassen und fast ein Jahr später einen zweiten Förderverein gründete. Wir sind Realisten. Unsere Hauptziele haben wir erreicht: Eine von Christian Wulff bei seinem Besuch angemahnte Gedenkstätte wird es nun unbestritten geben. Es existiert ein Förderverein, der hoffentlich seine gegenwärtigen internen Auseinandersetzungen bald beendet. Und unser bereits 2011 vorgelegtes und vielbeachtetes Konzept für eine Zukunft in Hoheneck wird in wesentlichen Teilen bereits umgesetzt.
Wir haben also unsere Arbeit getan und sehen keinen Sinn darin, zwei Vereine – vielleicht nur aus Reputationsgründen – nebeneinander zu führen. Uns ging es und geht es um die Sache. Darum ist die letzte Mitgliederversammlung unserer Empfehlung gefolgt, den Verein aufzulösen, und darum haben wir jetzt die Abmeldung auf den Weg gebracht.
HB: Also ist die Auflösung eines Vereins doch Normalität? Warum haben Sie sich dann, zusammen mit anderen Frauen, gegen die Auflösung des Vereins „Frauenkreis“ gestemmt?
Frauenkreis Urzelle jedweden Gedenkens
TST: Das muss man nun wirklich auseinanderhalten. Unser Förderverein war zur Unterstützung der berechtigten Anliegen der Frauen von Hoheneck vor Ort gegründet worden. Wir wollten direkt vor Ort die Notwendigkeit einer würdigen Gedenkstätte vertreten. Dafür ist die Einbeziehung der Bürger vor Ort unabdingbar. Diese sahen doch in Hoheneck eher eine permanente Anklage als die Aufforderung, sich an einem würdigen Gedenken aktiv zu beteiligen. Der Frauenkreis hingegen ist aus einer jahrzehntelangen Verbindung ehemaliger Hoheneckerinnen hervorgegangen, die sich regelmäßig getroffen haben. Nach der Wiedervereinigung hat die unvergessene Maria Stein, die eigentlich vor dem Gefängnis eine Straße bekommen sollte, die losen Treffen in einem Verein zusammengefügt. Dieser Frauenkreis ist die Urzelle jedweden Gedenkens. Jeder Förderverein, das sagt ja auch schon der Begriff, sollte dieses Gedenken, diesen permanenten Anspruch des Nicht-Vergessens fördern und unterstützen. Das haben wir getan, das wird, so hoffe ich, auch der jetzige einzige Förderverein tun, den es ohne unsere Initiative von 2011 sicherlich auch nicht geben würde. So gesehen waren wir zwar kurz auf der Stollberger Bildfläche, aber wir haben unsere Arbeit gemacht. Auftrag erfüllt, Verein abgemeldet, so einfach ist das.
HB: Der einstige Vorstand des Frauenkreises sieht das wohl ähnlich in Bezug auf den Frauenkreis. Wozu diesen noch bestehen lassen, wenn es einen Förderverein gibt?

Die Freie Presse in Stollberg über den Aufruhr im Förderverein: „Gründungsmitglied stellt die Stasi-Frage“ (Interview mit Theo Schreckenbach / Ausschnitt).
Auflösungsbeschluss des Frauenkreise wurde förmlich durchgepeitscht
TST: Ich sagte bereits: Förderverein geht von fördern einer Sache, einer Idee oder der Förderung eines anderen Vereins aus. Er kann also nie einen Ursprung ersetzen. Natürlich kann sich auch ein Verein erschöpfen und zum Ergebnis kommen, wir lösen uns auf. Da das aber in jedem Fall eine schwerwiegende Entscheidung ist, muss hier bei einer Umsetzung besondere Sorgfalt eingebracht werden. Das war ja hier nicht der Fall. Der Vorstand des Frauenkreises hat sich wählen lassen, ohne den Mitgliedern vorher die eigene Option auf die beabsichtigte Auflösung mitzuteilen. Diese Wahl wäre dann vermutlich anders ausgegangen. Zweitens hat er unter gröblicher Verletzung des Vereinsrechtes und der eigenen Satzung diese Auflösung faktisch durchgepeitscht, praktisch an den Mitgliedern vorbei. Wir können uns hier Einzelheiten ersparen, da ja das Urteil darüber gerade verkündet wurde. Hier lässt sich also keine Vergleichbarkeit herstellen, auch wenn wir die Auflösung unseres ersten Fördervereins rechtlich konform mit den Stimmen von über 90% unserer Mitglieder durchgeführt haben.
HB: Der jetzige Förderverein hat ja wohl aktuell das Problem einer Überprüfung von Mitgliedern und besonders von Mitgliedern des Vorstandes auf eine ehemalige Nähe oder gar Mitarbeit zur Stasi…
Ablehnung von Überprüfungen gegen die Vereinsinteressen
TST: Ich verstehe diese Debatte nicht, weil es hier um Selbstverständlichkeiten geht. Man kann doch nicht einen Verein begründen oder führen, der das Gedächtnis an die Verbrechen der zweiten Diktatur und hier vornehmlich der Stasi zum Thema hat und dann dem Problem einer möglichen früheren Stasi-Nähe von Mitgliedern oder gar Vorständen gleichgültig – oder grob fahrlässig? – gegenüberstehen.
Wenn Dietrich Hamann trotz seiner Tätigkeit für die oder auch in der Haftanstalt keine Probleme hat, warum beantragt er nicht einfach diese Unbedenklichkeits-bescheinigung? Wenn Mechthild Günther keine Probleme mit ihrer glücklichen schnellen Entlassung hat, warum wehrt sie so vehement diese Überprüfung ab? Das ist kein Engagement für den Verein, das ist eine Haltung gegen die Interessen des Vereins. Denn diese ganze Diskussion hätte man sich durch eine klare Linie von vornherein ersparen können.
HB: Vielen Dank!
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Verwirrung um Heimkinderfonds:
„Können Sie uns den Sterbetag benennen?“
Köln, 15.05.2015/cw – Große Befriedigung kürzlich in Berlin: Ein ehemaliges Heimkind (Ost) war verstorben und sollte nun, mangels nicht aufzufindender Angehöriger, durch das Ordnungsamt mittels eines sogen. Sozialbegräbnisses, anonym beigesetzt werden. Durch das Engagement der gerichtlich eingesetzten Betreuerin, einst selbst Heimkind, wurde innerhalb von 24 Stunden eine Entscheidung des Heimkinderfonds in Köln herbeigeführt, der die anteiligen Kosten für eine „würdige“ Beisetzung übernahm (wir berichteten).
Die Freude über diese unbürokratische und menschliche Entscheidung (die Verstorbene hatte zwar einen Antrag gestellt, es war aber noch nicht zu einer Entscheidung oder Mittelausreichung gekommen) hielt jedoch nur kurz an. Im Schatten dieser erfolgreichen Durchsetzung einer würdigen Beerdigung wurden Details aus den diversen Beratungsstellen bekannt, die durchaus geeignet sind, neue traumatische Belastungsstörungen auszulösen.
In einem Fall wurde sogar davon berichtet, dass die Antragstelle vor Ort von einem ehemaligen Heimkind wissen wollte, wann „denn sein Tod eintreten“ werde. Das Heimkind war lebensbedrohlich erkrankt, sein Tod absehbar. Daher wurde vorsorglich ein Antrag gestellt, mögliche bewilligte Mittel, die im Falle des Todes noch nicht ausgereicht worden wären, für eine Beisetzung zu verwenden.
Der Verein „Ehemalige Heimkinder Deutschland e.V.“ berichtet über mehrere Fälle, in denen eine Beerdigung aus Mitteln des Fonds abgelehnt werde. Häufige Begründung: Wenn eine solche Mittelverwendung nicht unmittelbar bei der Antragstellung vorgetragen werde, könne der Fonds diese unabhängig davon, ob bereits Mittel ausgereicht worden seien, nicht bewilligen. Im Falle einer Mittelverwertung könne eine Kostenübernahme ohnehin nicht erfolgen.
Mangelnde Information
Die Crux sehen viele externe Berater in der mangelnden Information durch die Beratungsstellen. Zwar gäbe es eine Regelung für den Fall von Beisetzungen, diese sei aber meist nur intern bekannt, würde nicht transportiert oder Antragstellern vorgetragen bzw. erläutert. Im Falle mangelnder oder gar unterbliebener Beratung sieht man allerdings den Fonds in der Pflicht.
Nach Kenntnis der Redaktion soll der Lenkungsausschuss, der für die grundsätzlichen Festlegungen von Leistungen an ehemalige Heimkinder zuständig ist, kurzfristig einen Musterantrag für die Berücksichtigung von Vorsorgewünschen beschlossen haben (siehe Einfügung weiter unten). Einzelheiten sollen den Beratungsstellen demnächst übermittelt werden.
Erst kürzlich hatte RP ONLINE über eine aktuellen Fall berichtet http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/feilschen-um-ein-wuerdiges-begraebnis-aid-1.5070602. Darin wurde über den Sterbefall eines ehemaligen Heiminsassen berichtet, dem bereits Mittel aus dem Heimkinderfonds bewilligt worden waren. Der Freund Uwe W. hatte sich daraufhin an die zuständige Beratungsstelle mit der Bitte gewandt, anstelle der noch nicht ausgereichten Leistungen die Beerdigungskosten in Höhe von 3.000 € zu übernehmen. Ansonsten, so W., würde das Ordnungsamt eine anonyme Beisetzung veranlassen, was nicht im Sinne des Verstorbenen wäre. Nachdem die Beratungsstelle zunächst eine Übernahme unter Hinweis auf die Bestimmungen abgelehnt hatte, wandte sich der Freund, selbst einstiges Heimkind, an
die Zentrale mit Sitz in Köln.
Nach einem erneuten Gespräch in der Beratungsstelle ist Uwe W. nun vorsichtig optimistisch, dass sich auch beim Heimkinderfonds eine Lösung finden lässt, die „einem menschlichen Umgang mit den einstigen Opfern einer rigiden Heimerziehung“ entspricht.
Skandal im Umgang mit einstigen DDR-Dissidenten
Steht für den Todesfall in Mönchengladbach und hoffentlich in den vergleichbaren anstehenden Fällen eine Lösung in Aussicht, liegt der Redaktion auf der anderen Seite ein Bericht vor, der im Jahr 26 nach dem Mauerfall und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung einem Skandal gleichkommt.
Der Mann von Regina L. wurde in den siebziger Jahren aufgefordert, in die SED einzutreten, was dieser verweigerte. Die danach einsetzenden Probleme auf der Arbeit löste Heinz L. durch eine Kündigung und den Aufbau einer zunächst erfolgreichen Schweinezucht. Nachdem dieser Betrieb durch gezielte Intrigen scheiterte, verlegte sich der findige DDR-Bürger auf die Zucht von Nutrias (Biberratten/Pelztierzucht). Nachdem alle Tiere vergiftet worden waren, stellte das entnervte Ehepaar einen Antrag auf Familienzusammenführung mit der im Westen lebenden Mutter des Mannes.
Doch die Diktatur des Proletariats schlug zurück. Im Sommer 1981 kamen zwei Kinder, Tochter und Sohn, nicht mehr von der Schule nach Hause. Sie waren abgefangen und in ein Kinderheim verbracht worden. Den Eltern stellte man die Rückkehr in Aussicht, wenn der Ausreiseantrag zurück genommen werden würde. Das standhafte Ehepaar lehnte ab, der Familienvater wurde verhaftet. Die Mutter floh daraufhin mit dem jüngsten Sohn nach Rügen, wo sie allerdings von dem Ortspfarrer an die Stasi verraten wurde. Auch das dritte Kind kam in ein Heim, Regina L. wurde inhaftiert. Die Begründung für den Kindesentzug im typischen Stasi-deutsch: Die Eltern könnten die Kinder nicht im Sinne der sozialistischen Moral erziehen. Eine erste Verurteilung erfolgt 1982, eine weitere nach erneuter Verhaftung 1984 „wegen Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit“ sowie „Vereitelung von erzieherischen Maßnahmen.“

Noch heute Schikanen alter Kader beim Kampf um ihre Rechte ausgesetzt: Das Ehepaar vor dem Ministerium der Justiz im Meck-Pom – Foto: LyrAg
Nachdem das Ehepaar nach der Haftentlassung „innerhalb von zwei Stunden“ ausreisen durfte, wurde eine Familienzusammenführung mit den Kindern verweigert. Erst nach dem Fall der Mauer konnten die Eltern ihre Kinder aus dem Heim befreien und zu sich nehmen.
DDR-Massnahmen rechtens – Leistungen abgelehnt
Als jetzt ein Sohn (der zweite Sohn war zwztl. verstorben) Antrag auf Entschädigung aus dem Heimkinderfonds Ost beantragte, wurde dies abgelehnt. Die zuständige Beratungsstelle hatte die Unterlagen nach Mecklenburg-Vorpommern mit der Bitte um eine Stellungnahme übersandt. Von dort kam die Auskunft, dass die Kinder wegen „asozialen Verhaltens der Eltern“ zu Recht in ein Heim eingewiesen worden waren. Daraufhin hatte der Fonds Leistungen abgelehnt.
An der Öffentlichkeit gehen bislang offenbar diese skandalösen Vorgänge vorbei. Die Diktatur-Opfer werden ja entschädigt, Heimkinder erhalten Entschädigungsleistungen aus einem eigens geschaffenen Fonds. Der soziale Staat hat offenbar seine Aufgaben gemacht. Doch wie heißt es in der Dreigroschenoper von Bert Brecht: „Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht und man siehet die im Lichte die im Dunkeln sieht man nicht.“
Es wird Zeit und es ist im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung überfällig, sich den Schicksalen im Dunkeln zuzuwenden, ihre Leidensgeschichten ans Licht zu holen und da, wo man nichts wieder gut machen kann, wenigstens die Zuwendungen zu ermöglichen, die gesetzlich eigentlich dafür geschaffen worden sind. (985)
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