Berlin/Aue, 5.05.2015/cw – Während in Berlin einstige NVA-Generäle und Mitglieder des Stasi-Wachregimentes „Feliks Dzierzynski“ erneut zum „Tag der Befreiung“ am 9. Mai vor dem Sowjetischen Kriegerdenkmal in Treptow aufmarschieren wollen (siehe BILD von heute: ( http://www.bild.de/regional/berlin/ddr/trotz-anklage-wollen-ex-angehoerige-marschieren-40821830.bild.html ) streitet man an anderen Orten der Republik teils heftig, teils skurril über diesen Tag und seine würdige Einordnung.
Nach einem Bericht der Freien Presse, ebenfalls von heute
(http://www.freiepresse.de/LOKALES/ERZGEBIRGE/AUE/Tag-der-Befreiung-Darf-man-ihn-noch-feiern-artikel9186114-1.php ) streiten sich örtliche Gemeindevertretungen im Erzgebirge um eine angemessene Würdigung: Darf man den Tag der Befreiung noch feiern? Während in Aue eine Ehrung abgelehnt wird, Oberbürgermeister Heinrich Kohl (CDU) zu einem Antrag der Linken vor zwei Monaten: „Da haben wir nichts geplant, der 8. Mai war bisher nicht Gegenstand der allgemeinen Erinnerungskultur in Aue.“, sah man in Schwarzenberg, hier ebenfalls von der CDU regiert, keine Probleme: „Wir wollen an alle Opfer des Krieges erinnern“, sagt Oberbürgermeisterin Heidrun Hiemer und plant eine Kranzniederlegung. Hiemer macht sich wohl selbst Mut, wenn sie dazu feststellt: „Wir brauchen aber kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir sagen, es war der Tag der Befreiung“ und dabei an Richard von Weizsäckers Rede vom 8. Mai 1945 erinnert. Der verstorbenen Bundespräsident hatte das ruhmlose Ende der Nazi-Herrschaft als eine Befreiung gewürdigt.
Die Stadtverwaltung in Aue hingegen interpretiert diese Befreiung bewußt anders: Den Alliierten sei es „darum gegangen, Deutschland zu besiegen und das Land zu besetzen, was auch Leid und Entbehrungen über das deutsche Volk brachte“. Und man erinnert daran, dass Betriebe demontiert wurden, es zu Vertreibungen und Umsiedlungen von Deutschen kam. Ins Gericht geht man dabei mit der DDR-Vergangenheit: Insbesondere im Osten Deutschlands, wo der 8. Mai als Tag der Befreiung begangen wurde, sei es zur Verfolgung und Inhaftierung von Andersdenkenden gekommen: „Die Diktatur der Nazis wurde durch die Diktatur Stalins ersetzt.“ Man würdige daher in Aue den Volkstrauertag, den Tag der Opfer des Nationalsozialismus und auch den 17. Juni 1953 als Gedenktage. „Der 8. Mai gehört nicht dazu.“
Nun will sich Aue doch dem vornehmlich durch die SED-Nachfolger DIE LINKE entstandenen Druck beugen und eine Gedenkveranstaltung durchführen. Allerdings soll diese erst im Herbst stattfinden, da die Vorbereitungszeit zum 9. Mai dafür zu kurz sei. Besser als gar nichts, scheinen sich die LINKEN vor Ort zu sagen und akzeptieren diese Absicht, auch wenn man darüber unzufrieden sei: „Wir wollten eigentlich eine Veranstaltung am 8. Mai, egal wie groß,“ sagte dazu Fraktionschefin Bamler gegenüber der Freien Presse.
Und in Berlin? Die Alt-Stalinisten werden sicherlich nur Kraft Gesetzes (ein Strafverfahren wegen des Aufzugs von 2013 ist noch nicht abgeschlossen) von ihrem Vorhaben am 9. Mai abgehalten werden können. Es steht ja auch nicht zu erwarten, dass diese vor der Tafel im Ehrenhain Haltmachen, auf der die „Befreiung der Krim von den faschistische Besatzern durch die ruhmreiche Rote Armee“ manifestiert wurde oder gar genau an dieser Stelle ihren Kranz ablegen. Der Bezug zur aktuellen Gegenwart war noch nie Sache dieser „Helden von Gestern.“
Kommentar:
Es ist gut, wenn über diesen Tag diskutiert und gestritten wird
Siebzig Jahre nach Kriegsende bewegt sich etwas in unserem Land. Die Debatten in Aue und Schwarzenberg geben augenscheinlich ein Spiegelbild über eine neue Debattenkultur in Deutschland wieder. Man wendet sich den Inhalten zu, wendet sich von nichtssagenden, wenn auch einst dröhnenden Parolen ab. Dabei muß die Rede des hochangesehenen Richard von Weizsäcker von 1985 allerdings erneut für Interpretationen herhalten, um die jeweils andere Meinung als irrig hinzustellen.
Der 8. Mai 1945 war für tausende Überlebende in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ein Tag der Befreiung, ohne Wenn und Aber. Er wurde im Nachhinein von den Millionen Menschen im westalliiert-besetzten Teil Deutschlands als Befreiung verstanden. Das bezog sich aber nicht auf die sogen. DDR, nicht auf die vom einstigen Deutschland abgetrennten Landesteile. 17 Millionen Menschen in Mitteldeutschland, das von der SbZ zur DDR mutierte, sahen sich vom Regen in die Traufe gekommen: Die überwundene Diktatur wurde durch eine zweite Diktatur abgelöst. Allein drei Millionen DDR-Bürger stimmten mit den Füßen darüber ab, was sie von der Befreiung hielten. Tausende noch lebende Verfolgte und Opfer dieser zweiten Diktatur haben bis in ihr heutiges, bislang hohes Alter ernste Schwierigkeiten, in diesem Tag im Mai anno 1945 eine Befreiung zu sehen. Sie sahen diese Befreiung frühestens am 9. November 1989 am Horizont aufscheinen.
Das ist die Realität unabhängig von den vielfachen individuellen Wahrheiten oder auch verkündeten Polit-Sprüchen im Mai des Jahres 2015. Darum ist es gut, wenn offen und ehrlich über diesen Tag diskutiert und gestritten wird. Ohne Schaum vor dem Mund, ohne den Hang zur Rechthaberei. Wie in Aue und Schwarzenberg und hoffentlich auch anderswo in diesem Land. Das wäre immerhin ein gutes Vermächtnis der Mai-Tage von 1945 und der Rede unseres verstorbenen Bundespräsidenten (cw) 980.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
4 Kommentare
6. Mai 2015 um 11:36
Klaus Hoffmann
“Tötet, tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist, die Lebenden nicht und die Ungeborenen nicht! Folgt der Weisung des Genossen Stalin und zerstampft für immer das faschistische Tier in seiner Höhle. Brecht mit Gewalt den Rassehochmut der germanischen Frauen. Nehmt sie als rechtmäßige Beute. Tötet, ihr tapferen, vorwärtsstürmenden Rotarmisten!”
Dieser Text ist den sowjetischen Soldaten von ihren Politkommissaren als Kampfparole des bekannten russischen Schriftstellers Ilja Ehrenburg vorgelesen und ausgehändigt worden!
Allein in Berlin sind 300.000 + Dunkelziffer Frauen geschändet und getötet worden. Meine Mutter war eine von ihnen!
Im Westen gab es den Plan, alle Männer zu sterilisieren um das deutsche Volk aussterben zu lassen…..
Diese (damalige) Geisteshaltung hatte nichts mit BEFREIUNG der Deutschen zu tun!
Weizsäcker und heute Gauck war/sind Schönredner – mich schaudert sie zu lesen oder zu hören!
Ich erfreue mich an der Aussöhnung mit unseren damaligen Kriegsgegnern und bekenne meine Liebe zum russischen Volk, aber ich wehre mich gegen Geschichtsfälschung und Deutung i.S. einer gekünstelten Political-Corectness!
9. Mai 2015 um 20:00
Edith Fiedler
Lieber Klaus, das hast du schön geschrieben. Ich danke Dir im Namen meiner verstorbenen Mutter. Sie haben es ihr angetan…..Ich bin heute unendlich traurig…..ihretwegen, wegen der gefallenen deutschen Soldaten in unserer Familie… wegen der getöteten Freunde meiner Eltern, die im Widerstand zum Naziregime lebten…. wegen meines Ehemannes, der als totkranker Mann aus sowjetischer Gefangenschaft heimkehrte und schließlich wegen der Leiden, die die deutschen Rotfaschisten als Stadthalter des Sowjetsystems… mir und meinen Kindern als Kriegsopferhinterbliebenen zufügten.
5. Mai 2015 um 19:38
Manfred Springer
Diese roten Nazis sollen mal so nach Polen fahren und sich dort ’ne Tracht Prügel holen! Dort hat man nicht den 17.September 1939 vergessen, als eine halbe Million an „Befreier“ aus Russland einmarschierte und für Mord und Todschlag sorgte.
5. Mai 2015 um 16:27
Bernd Stichler
Die Sachlage ist doch seit 70 Jahren eindeutig , auch wenn es immer wieder einige Ewiggestrige leugnen. In den alten Bundesländern darf man den 8. Mai als Tag der Befreiung empfinden und würdigen. In den neuen Bundesländern Gleiches zu tun ist geradezu verbrecherisch. Es war dort absolut keine Befreiung sondern ein Wechsel von brauner zu roter Diktatur!
Niemals dürfen wir vergessen was in den GPU-Kellern geschah, was mit den Verschleppten passierte, was in den Speziallagern geschah, woher viele unbekannte Massengräber kamen, welche Gesellschaftsordnung uns die Sowjets aufzwangen und welch herrliches Leben uns die DDR mit all ihren Segnungen bescherte! Das Wissen darum wachhalten und weitergeben !