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Von Tatjana Sterneberg*

Stollberg-Hoheneck/Berlin, 17.04.2015 – Als ehemalige politische Gefangene im DDR-Frauengefängnis Hoheneck / Stollberg verfolge ich die Entwicklung der zukünftigen Gedenkstätte.

Mit Befremden musste ich nun zur Kenntnis nehmen, dass der „Förderverein – Gedenkstätte Stollberg – Haftanstalt Hoheneck e.V.“ auf seiner jüngsten Mitgliederversammlung eine Überprüfung der Mitglieder auf eine mögliche Stasi-Mitarbeit abgelehnt hat.

In der Satzung des Vereins ist dazu in § 3 formuliert: „5. Der Verein kann eine persönliche Erklärung verlangen aus der hervorgeht, dass der Antragsteller nicht Mitglied einer nazistischen Organisation war und nicht stasibelastet ist. In Zweifelsfällen entscheidet der Vorstand. 6. Die Aufnahme kann verweigert werden, wenn diese den Interessen des Vereines entgegen steht. 7. Die Entscheidung über die Aufnahme erfolgt durch den Vorstand.“ (Unterstreichungen durch Autorin.)

Im Antragsformular zur Aufnahme in den Verein wird die „Freiwilligkeit“ entsprechender Angaben postuliert. Darin wird zwar nach einer früheren Tätigkeit * „als IM, Mitarbeiter oder ähnlich für die Stasi“ gefragt, aber hinzugefügt: „Alle mit *(Sternchen) gekennzeichneten Fragen sind keine Pflichtangaben und beruhen auf Freiwilligkeit“.

Während die Frauen, die als Zeitzeuginnen beispielsweise über das Koordinierende Zeitzeugenbüro der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin tätig sein wollen oder tätig sind, sich einer Überprüfung durch die BSTU unterziehen müssen, können sich also ehemalige Täter im Förderverein Stollberg – Haftanstalt Hoheneck e.V. nach diesem Votum und lt. Aufnahmeantrag verbergen, bleiben zumindest über diesen Weg unerkannt. Ein Schlag ins Gesicht der einstigen Opfer und Toten von Hoheneck, wie er schlimmer nicht sein kann.

Warum setzte sich die ehemalige Leiterin des Zeitzeugenbüros in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Mechthild Günther, auf besagter Versammlung vehement gegen eine Überprüfung ein? War sie vielleicht emotional durch ihre Dankbarkeit für den kurzzeitigen Aufenthalt in Hoheneck wegen der damaligen Amnestie befangen?

Wer oder was veranlasste den Vorsitzenden, seinerzeit ein solches noch immer unverändertes Aufnahmeformular zu entwerfen? Waren oder sind seine einstigen vertraglichen Bindungen als Lieferant von optischen Hilfsmitteln an das ehemalige Frauenzuchthaus Hoheneck / Stollberg wohlmöglich emotional ausschlaggebend?

Man wird ja doch mal fragen dürfen, vielleicht sogar fragen müssen. (972)
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* Die Autorin wurde 1973 durch das MfS verhaftet, weil sie sich in einen in West-Berlin lebenden Italiener verliebt hatte. 1974 wurden die Verlobten zu hohen Haftstrafen verurteilt. Sterneberg verbüßte ihre Haft von 1974 bis 1976 in Hoheneck.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 oder Autorin:                    0176-5111 3680

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