Von Michael Kleim*
Gera, 25.02.2015/mk – Ich habe – auch durch die Vereinigung 17. Juni – die entsprechende Auseinandersetzung um die theologischen bzw. besser ideologischen Positionen von Rainer Wagner wahrgenommen und im Grunde stehe ich weiterhin zu meiner Einschätzung. Diese kann ich in zwei Aspekte fassen:
1) Als Christ sehe ich die Äußerungen von Herrn Wagner sehr kritisch. Dabei orientiere ich mich an Person und Botschaft Jesu. Jesus hat Grenzen, die Menschen zwischen sich gezogen haben, überschritten und demonstrativ ignoriert. Es handelte sich dabei sowohl um soziale, kulturelle, geschlechtsspezifische Abgrenzungen, aber auch um Abgrenzungen nationalistischer und religiöser Art. Prägnantes biblisches Beispiel ist die Begegnung Jesu mit der Samariterin (Johannes 4). Jesus begegnet dieser Frau ohne Vorurteile. Er nimmt ihre Würde ernst und sie als vollwertigen Menschen wahr; obwohl sie als Samariterin eine andere Religion und Volkszugehörigkeit vertreten hat und eine für damalige Verhältnisse eine zweifelhafte Vorgeschichte hatte. Das radikale Liebesgebot Jesu stellt jeden eigenen Absolutheitsanspruch, jede Ausgrenzung auch religiöser Art, jede Fremdenfeindlichkeit in Frage. Wo Liebe in der Religion, wo Liebe im christlichen Glauben fehlt, da wird Religion und Glaube zur Ideologie.
Wer Menschen „verteufelt“, wird zum Hassprediger
Herr Wagner zeigt, dass er nicht nur keinen Respekt vor anderen Religionen und ihren Vertretern hat, sondern dass er auch gar keine Sachkenntnis besitzt. Begriffe wie „Götzendienst“, „Dämonen“ und „Teufelsanbetung“ sehe ich als Zeichen hoher Inkompetenz, aber eben auch als bösartige Polemik und Diffamierung an. Auch wenn ich Aussagen anderer Religionen inhaltlich nicht teile, so erwarte ich auch und gerade von Christen den „Respekt vor dem Heiligen der Anderen“. Herr Wagner wird zum Hassprediger, wenn er wortwörtlich Menschen auf Grund ihrer Religion „verteufelt“. Die blutige Geschichte der Inquisition, der christlichen Pogrome und kirchlichen Verfolgungen liegt als schwere Schuld auf den heutigen Generationen von Christen, die ganz bewußt sich dieser geistigen Hypothek stellen und in großer Mehrheit christliche Arroganz und Aggressivität ablehnen. Zudem sind die biblisch bezogenen Aussagen nach theologischen Gesichtspunkten nicht haltbar. Ein billiger Biblizismus entspricht nicht dem Stand heutiger Erkenntnis.
Als Opfervertreter unglaubwürdig
2) Als politischer Mensch, der bereits in der DDR für die Wahrnehmung der Stalinismus-Opfer gewirkt hat, ist Herr Wagner als Opfervertreter unglaubwürdig. Warum? Weil dem Terror Lenins und Stalins eben nicht nur Christen zum Opfer gefallen sind, sondern auch: jüdische Menschen, Schamanen in Sibirien, Muslime, Buddhisten, Agnostiker und Atheisten.
Auch Mao Zedong und Pol Pot ließen neben Christen auch Buddhisten, Muslime, Taoisten, Laotse-Anhänger, Schamanen, Agnostiker und Atheisten verfolgen, foltern und ermorden. Wer Angehörige anderer Religionen und philosophischen Richtungen abwertet, diffamiert, kann nicht gleichzeitig diese als Opfer würdigen. Das wäre grotesk. Das aber muss, ich sagte es bereits an anderer Stelle, der Opferverein mit sich selbst klären. An Glaubwürdigkeit hat er durch seine indifferente Haltung bereits heute eingebüßt, und das nicht nur bei mir. (951)
* Der Autor ist Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Trinitatis in Gera.
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3 Kommentare
1. März 2015 um 16:10
Manfred
Es erschließt sich mir nicht wie dieser Herr Wagner bereits in der DDR …“ für die Wahrnehmung der Stalinismus-Opfer gewirkt hat“…Was soll dieser Unsinn. Das so ein „Herr“, ich möchte das Wort „Opfer“ vermeiden u. schreibe lieber ehemals Verfolgte u. Gegner der ehemaligen DDR vertritt ist schon schon mehr wie absurd. Ein Schelm wer böses denkt.
26. Februar 2015 um 08:52
Klaus Dörfert
Ich muss feststellen, dass die Vereine und Organisationen sich meist mit sich selbst beschäftigen. Das sich aus der Aufarbeitung ein Wirtschaftszweig entwickelt hat und die Akteure sich reichlich bedienen.
Überraschend war für mich, festzustellen, wie eng legale und Scheinvereine zusammenarbeiten. Es zeigen sich Praktiken, die moralisch als verwerflich einzustufen sind und der Umgang mit den Opfern oftmals nicht angemessen ist. Denn die Entrechteten der Diktatur bleiben weiter entrechtet. Da, wo eine Studie nach der Anderen in Auftrag gegeben wird, wird nur das Geld der Opfer verprasst. Denn ehrlich gesagt, wenn jemand über Täter und Opfer Informationen haben möchte, der ist überrascht wie leicht es ist, sich die nötigen Informationen zu beschaffen, vorausgesetzt man sitzt an der richtigen Stelle. Ich habe auch immer einen investigativen Journalismus als informative Quelle vermisst. Die Millionen €, die angeblich für die Heimkinder der EX-DDR gezahlt
werden, wecken falsche Hoffnungen, denn die Millionen € sind schon längst für „Studien,Gedenkstätten und Stiftungen“ verplant. Also nehmt meinen Ratschlag an, so wie es geschrieben steht: Bist du Gottes Kind hilf dir selbst, dann hilft dir auch Gott.
Gott mit uns
26. Februar 2015 um 07:06
Bernd Stichler
…“Wer Angehörige anderer Religionen und philosophischer Richtungen abwertet, diffamiert, kann nicht gleichzeitig diese als Opfer würdigen. Das wäre grotesk. „…
Absolut treffende Formulierung, die auch ich unterschreibe.
Allerdings muß man bei dieser ganzen Sache berücksichtigen daß es den Opferverbänden nicht so einfach möglich ist, Leute wie Rainer Wagner kaltzustellen. Hier üben die staatlichen Geldgeber ihren ökonomischen Einfluß aus, um einen ihnen genehmen Untertanen im Amt des Opfervertreters zu halten. Also alles ganz demokratisch, oder ?