Berlin, 30.01.2015/cw – Der älteste Verfolgtenverband, die Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), versucht seit Jahren, aus den negativen Schlagzeilen zu kommen. In den letzten zehn Jahren „verbrannte“ der Verein allein vier Bundesvorsitzende. Rainer Wagner, Vorsitzender der UOKG, weckte im April letzten Jahres mit seiner Wahl zum nunmehr fünften Bundesvorsitzenden im angeführten Zeitraum die buchstäblich letzten Hoffnungen auf eine Wende im Verband. Doch schon nach sieben Monaten scheinen diese fast schon verzweifelt aufgekeimten Hoffnungen in neuerlichen Turbulenzen zu ersticken, nachdem gleich zwei Stellvertreter Wagners ihren Rücktritt zum Jahresende erklärt hatten.
Entgegen Wagners Zusicherungen nach seiner Wahl, die Finanzen der VOS durch die Stiftung Aufarbeitung „neutral“ prüfen zu lassen, war jetzt nur von einem Gespräch beim Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in „Anwesenheit eines Wirtschaftsprüfers“ zu hören. Überdies ging es in dem Gespräch um eine mögliche Finanzierung des bisherigen Bundesvorsitzenden, langjährigen Geschäftführers und Schatzmeisters als Berater durch den Landesbeauftragten ab 2015. Der auch-ZDF-Fernsehrat hatte danach angekündigt, für den Fall einer Finanzierung der Beratung als Stellvertreter im Bundesvorstand zurückzutreten, da der Landesbeauftragte nicht „den Bundesvorstand“ finanzieren wolle.

Von diesen Hintergründen erfuhr nur ein elitärer Kreis im Verein durch die Information über eine notwendige Nachwahl zum Bundesvorstand. Ausschließlich den „lieben Delegierten“ wurden Details übermittelt. Die rund noch 1.300 Mitglieder wurden weder über erfolgte Prüfungen noch über Rücktritte und dadurch verursachte notwendige Neu- oder Nachwahlen zum Bundesvorstand informiert. Das vornehmste Recht der Mitglieder, durch eigene Vorschläge auf die Zusammensetzung des Bundesvorstandes Einfluss nehmen zu können, wurde damit – wieder einmal – ad absurdum geführt.

Ein klarer strafbewehrter Verstoß gegen das Wahlgeheimnis

Im Jahr 2009 war bereits eine Nachwahl auf schriftlichem Weg unter dubiosen Umständen durchgeführt und im Ergebnis vom zuständigen Registergericht nach diversen Einsprüchen annulliert worden. Dennoch wurden im Dezember letzten Jahres Wahlunterlagen an die Delegierten versandt, die wie 2009 erneut mit Namen und Unterschrifterfordernis auf den Stimmzetteln versehen waren. Ein klarer strafbewehrter Verstoß gegen das Wahlgeheimnis. Verantwortlich für diesen erneuten Gesetzesverstoß war der selbe Bundesgeschäftsführer, wie 2009. Aufgrund eingehender Proteste wurden die Stimmzettel abgeändert und gesetzeskonform gestaltet, die ersten versandten Unterlagen für ungültig erklärt. Allerdings wurde die erste Abstimmung über die Durchführung der Nachwahl „im schriftlichen Verfahren“ nicht korrigiert, fand also unter gravierender Verletzung des Wahlgeheimnisses statt.

Inzwischen haben Mitglieder und Delegierte die am 7. Januar stattgefundene Auszählung der abgegebenen Stimmen genutzt, dem Wahlausschuss eine umfangreiche und begründete Anfechtung der Wahl zu überreichen. Frank Nemetz, der Vorsitzende des Wahlausschusses, dessen Zusammensetzung im Übrigen ebenfalls unter Ausschaltung der Mitwirkung von Mitgliedern und unter Verstoß gegen das Wahlrecht und Wahlgeheimnis zustande gekommen war, bestätigte unlängst den Eingang der Anfechtung:

Ihren Einspruch/Anfechtung zur Nachwahl zum Bundesvorstand haben wir aufmerksam durchgearbeitet. Wegen des komplexen Themas und der nicht unerheblichen Vorwürfe wird die VOS eine interne Prüfung dazu vornehmen und zugleich überdies einen für diese Thema qualifizierten Rechtsanwalt mit der Beurteilung beauftragen. Falls sich daraus notwendige Konsequenzen für diese Wahl ergeben, werden wir selbstverständlich die erforderlichen Korrekturen vornehmen. Bitte haben Sie aus den o.g. Gründen etwas Geduld mit unserer Antwort.“

Protokoll? Veröffentlichung auf VOS-Seite im Internet

Protokoll? Veröffentlichung auf VOS-Seite im Internet

Protokoll ohne Datum und Herkunft

Statt der angekündigten Beantwortung wurde heute auf der Internet-Seite des Vereins ein „Protokoll über die Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren über eine Nachwahl in den geschäftsführenden Bundesvorstand“ veröffentlicht (siehe Kasten). Denkwürdig ist nicht nur der Inhalt dieses „Protokolls“ sondern auch die Tatsache, dass für diese Veröffentlichung weder ein Datum noch ein Urheber, z.B. der Wahlvorstand, angegeben wurde. Was Wunder, das auch über die Anfechtung der Wahl kein Wort verloren wird.

Der Verband, der in besten Zeiten von mehreren zehntausend Mitgliedern unterstützt wurde, noch 2010 wurden 10.000 Mitglieder ausgewiesen, wird hier wohl mutwillig an die Wand gefahren. So jedenfalls der traurige Anschein.

Die Verfolgten in der VOS brauchen offenbar keine Feinde mehr von Außen, sie zerlegen sich selbst. Zur Ehre der vielen alten und hochbetagten Mitglieder, die sich dem Verein aus besseren Zeiten emotional nach wie vor verbunden fühlen, muss angeführt werden, dass diesen allenfalls (altersbedingtes) Schweigen oder blind anmutendes Vertrauen in jeweilige Vorstandskameraden vorzuwerfen ist. Den Verband ruiniert haben offenbar sogen. Kameraden, die wohl aus persönlichen, wohl nicht zuletzt beruflichen Gründen über den Verband ihr Einkommen sichern wollten und dabei die ehrenvolle Aufgabe, Kameraden und Kameradinnen in ihrem Kampf um Rehabilitation und Anerkennung ihrer erlittenen Verfolgungen selbstlos zu unterstützen, aus den Augen verloren haben.

Sollte das Registergericht den Anfechtungen entsprechen und der Wahl widersprechen, wäre das wohl die letzte Gelegenheit, den traditionsreichen und in der Vergangenheit hoch geachteten Verein zu retten und womöglich wieder als beachtete Stimme in dem Ringen um eine Verbesserung der Verfolgtenversorgung einzubringen. Eine pure Wiederholung von Wahlen ohne die notwendige Einbeziehung aller Mitglieder und eine vorausgehende Diskussion um die Zukunft des Verbandes wird allerdings nicht genügen. Die schonungslose und offene Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit gehört zweifellos dazu. (935)

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