Von Christoph Lütgert, NDR
Man kann das rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen und die Wahl von Bodo Ramelow zum ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei gut finden oder schlecht – für beide Sichtweisen mag es Gründe geben. Aber das Lamento der Verlierer-CDU wie der CSU ist an Verlogenheit kaum noch zu überbieten.
Die christdemokratischen und christsozialen Heulsusen blenden die unrühmliche Vergangenheit ihrer Partei in der DDR dermaßen frech aus, dass man es schon unverschämt nennen muss. Ramelows Wahl sei „ein Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland“ tönt es aus der Union, ein Schlag ins Gesicht der SED-Opfer, eine Beleidigung für die Menschen, die vor 25 Jahren in der DDR für die Freiheit auf die Straße gegangen seien. CDU-Generalsekretär Peter Tauber warnt SPD, Grüne und Linkspartei in Thüringen „Geschichtsklitterung“ vor.
Geschichtsklitterung mit Schimpfkanonaden
Dabei ist es die Union, die mit ihren moralisierenden Schimpfkanonaden skrupellos klittert. Augenscheinlich ist vergessen, wie ungeniert sich die CDU des legendären Einheitskanzlers Helmut Kohl nach dem Fall der Mauer die DDR-CDU mitsamt deren Vermögen einverleibte, obwohl die es kaum weniger schlimm als die SED getrieben hatte.
Dass die Ost-CDU als Blockpartei fest an der Seite der SED mitverantwortlich für das DDR-Unrechtsregime war, störte die Parteifreunde im Westen nicht. Mit Pathos und Absingen der Nationalhymne schlossen sich im vereinten Deutschland die Christdemokraten aus Ost und West zusammen.
Ost-CDU bedenkenlos eingegliedert
Bedenkenlos wurden Männer in höchste Staats- und Parteiämter gehievt, die noch kurz vorher Mitläufer oder sogar Mittäter im repressiven DDR-System waren: Erster CDU-Ministerpräsident nach dem Mauerfall wurde beispielsweise in Thüringen Josef Duchac, ein Politiker, schon zu DDR-Zeiten ganz oben, dessen Vergangenheit gewiss sehr viel kritischer zu bewerten war als heute die Vergangenheit des linken Wessis Bodo Ramelow.
Vergessen und faktisch vergeben, was der Vorsitzende der CDU-Ost, Gerald Götting, noch kurz vor dem Zusammenbruch der DDR herausposaunt hatte: „Unsere historische Entscheidung für den Sozialismus, für die Teilnahme an seinem Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik war richtig und hat sich bewährt.“ Und dass im Zentralorgan der DDR-CDU jedes Jahr zum 13. August die Mauer gefeiert und damit die Mauertoten verhöhnt wurden – Schwamm drüber.
Jetzt also stellt die Linkspartei, die SED-Nachfolgepartei, in Thüringen den Ministerpräsidenten. Über zwei Jahrzehnte lang machte das die Nachfolge-Organisation der CDU-Blockpartei. Und die hat nicht mal den Namen gewechselt. Trotzdem ist Thüringen nicht untergegangen.
Quelle: http://www.tagesschau.de/kommentar/thueringen-kommentar-101.html
3 Kommentare
8. Dezember 2014 um 22:40
Gustav
Liebe Kameradin Edith,
alles was Du hier schreibst, kann ich unterstreichen.
Allerdings irrst Du in einem Punkt:
Die etwa 250.000 bis 300.000 politischen Gefangenen werden (erst) ab 1949 gezählt. Die vom NKWD/MWD/Smersch Verschleppten kommen noch dazu!
Sie fallen heute quasi unter den Tisch, man zählt nur ab 1949 („DDR“-Gründung) weil man Angst hat, Putin dreht den Öl- und Gashahn zu. Hoffentlich tut er es bald, damit „meine“ Deutschen endlich etwas zusammenrücken wie in den Not-Jahren nach dem Krieg!
Mit kameradschaftlichen Grüßen,
Gustav Rust
8. Dezember 2014 um 17:47
Frank
Kurz nach der Wahl von Bodo Ramelow zum MP beeilten sich politische Analysten sofort zu unken, daß wohl jetzt eine schärfere Positionierung der unterschiedlichen Parteien folgen werde! Links wird wieder linker, rechts wird wieder…….. „ups“ rechtsstehender! Ach, ist das schön, wenn es bezahlte Leute gibt, die einem die Welt erklären! Dabei ist „Schwarzweißdenken“ ohnehin wohl nur für Denkfaule erfunden worden, glaube ich. Könnte ich meine Wählerstimme prozentual splitten, ich würde es tun!
Warum? Weil der Richter, der mich damals in der DDR „im Namen des Volkes“ verurteilte, heute ein Rechtsanwalt mit CDU-Parteibuch ist, weil die blutjunge Therapeutin wärend meiner Traumatherapie leise stammelte, daß sie mit der Linkspartei sympathisiere, und fragte ob ich sie deshalb ablehnen würde,…..vieleicht aber auch, weil ich zu viele sah, die sich nach der Wende ein anderes Mäntelchen überwarfen und flöteten, ich bin eigentlich ein ganz Anderer!
Nur wer blieb dann ich? Ein Verlierer des „Bäumchen wechsle dich Spieles“, was schon nach 1945 gespielt wurde? Ich glaube eher Einer, der Parolen, egal von welcher Partei, nicht mehr sofort blind glaubt, sondern diese Parteien nach ihren Taten beurteilt! Ich denke, ich brauche es nicht mehr Schwarz/Weiss, ich bin über diesen Punkt hinaus!
7. Dezember 2014 um 23:39
Edith Fiedler
Zitat: „…wie ungeniert sich die CDU nach dem Fall der Mauer die DDR-CDU mitsamt deren Vermögen einverleibte, obwohl die es kaum weniger schlimm als die SED getrieben haben…“
Das ist billige Hetze und schlechte Recherche. Soweit ich mich erinnere, wurde die Ost-CDU nicht einverleibt. Deren Mitglieder hatten es so gewollt und beschlossen. Schließlich haben sie über vier Jahrzehnte darauf gewartet. Gut das diese mutigen Männer und Frauen an unserer Seite waren.
Mit der Vereinigung kam zusammen, was zusammen gehörte.
Jeder Bürger, der seit dem Mauerfall sich für Politik in Deutschland interessiert und sich noch erinnern kann, weiß eigentlich, dass die Ost-CDU auf ihr Parteivermögen bei der Wiedervereinigung mit der West-CDU verzichtet hatte.
Im Gegenteil dazu fehlen noch immer Millionen des SED-Vermögens. Für zahlreiche Immobilien, die die SED an sich gerissen hatte, steht in den Grundbüchern „Die Linke“ als Eigentümer.
Wer 25 Jahre nach dem Mauerfall die CDU-Mitglieder in den neuen Bundesländern als „Blockflöten“ beschimpft, boxt unter der „Gürtellinie“.
Inzwischen gibt es eine Generationsverschiebung und Zuzüge aus dem Westen. Wenn man also kritisieren möchte, bitte mit Namensnennung, Geburtsort, Eintrittsjahr in die CDU und konkreten Beweisen zur Mitarbeit
bei der „Zersetzung von DDR-Bürgern“.
Die Richtlinie Nr. 1/67 des Ministeriums für Staatssicherheit (Schild und Schwert der SED), ausgearbeitet zur systematischen Zersetzung, führte zu massiven Eingriffen in die Persönlichkeit der davon Betroffenen.
Das hat tiefe Narben hinterlassen und sind nicht mit einer Reueformel oder gesprochenen Entschuldigung zu heilen.
Entschuldigen kann man sich, wenn man jemandem versehentlich auf den Fuß tritt. Ca 60 % der Betroffenen haben psychische Folgeschäden, insbesondere Angst und somatoforme Störungen.
Darüber hinaus gab es von 1945 – 1989 ca. 300.000 politische Gefangene. Bei diesen bildeten sich Haftfolgeschäden aus. Neben Depressionen, Angststörungen auch posttraumatische Belastungsstörungen. Diesen Betroffenen genügt keine Entschuldigung. Sie müssen endlich angemessen entschädigt werden.
Ich bin nicht verwundert, dass so eine unqualifizierte Hetzkanonade aus der ARD (NDR) kommt. Der Verfasser ist frech und leider unkündbar.