Von Carl-Wolfgang Holzapfel
Erfurt, 5.12.2014/cw – Protestkundgebung? Was sich da in kalter Winternacht vor dem Landtag in Thüringen abspielte, entsprach wohl eher einer behutsamen Einstimmung auf den bevorstehenden – und inzwischen vollzogenen – Machtwechsel als einer ermutigenden Protestkundgebung. Enttäuschende 1.500 Demonstranten hatten sich zum letzten Protest gegen ROT-Rot-Grün eingefunden; am 9. November waren es auf dem Domplatz noch rund 4.000 Menschen. Trotz fleißig gemalter, vielfach kreativer Schilder war rundum die Resignation spürbar. Man machte sich im Vorfeld gegenseitig Mut: „Es kommen bestimmt noch mehr, die Kundgebung hat ja noch nicht begonnen.“

Dem ersten Hungerstreik 1962 am Mahnmal für Günter Litfin schloß sich Andreas Möller an, der am 5.12.2014 im Parlament in Erfurt eigens von Bodo Ramelow als „väterlicher Freund“ begrüßt wurde – Archiv Holzapfel
Was dann der Organisator vom miserabel organisierten Podium von sich gab, war die Einstimmung auf einen eher friedlichen Winterabend: Man wolle keineswegs Bodo Ramelow diffamieren, der ein überzeugter Christ sei und am nächsten Tag mit seinem Gewissen zurecht kommen müsse. Später hieß es dann ermunternd im selben Stil: Liebe Freunde, die Welt geht nicht unter, wenn Ramelow gewählt wird.
Ermutigung hört sich anders an
Der Barde und alte Revoluzzer-Fuchs Wolf Biermann ahnte wohl die vergebliche Liebesmühe und war erst gar nicht erschienen, um „die bevorstehende ROT-Rot-Grüne Gespensterhochzeit“ zu beehren. Seine übermittelten Worte blieben dennoch so ziemlich einzig ausdrucksvoll, wenn auch der Vortrag seines Briefes den textlich gewohnten Zorn des einstigen Kommunisten und späteren Aufbegehrers nur bedingt transportierte.

Am 5.12. wurde in der 2. Abstimmung die Tür in der Staatskanzlei aufgestoßen: DIE LINKE zieht ein. Foto: LyrAg
Ähnlich waren die Gesangseinlagen strukturiert. Der jämmerlich wirkende Vortrag durchaus annehmbarer Texte scheiterte nicht nur an der unzureichenden Stimme, sondern – wie im Übrigen die meisten Vorträge – auch an der fehlerbehafteten Tontechnik, die die Demonstranten wiederholt zu „Lauter!“-Rufen animierten. Dennoch dankte der Veranstalter den fleißigen Helfern, die auch „so unermüdlich die Ton-Technik“ aufgebaut hätten.
Die wenigen Lichtblicke dieses vermasselten Protestes waren ebenfalls der einstige Bundestagsabgeordnete Stefan Hilsberg (SPD) und Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, die eigens aus Berlin angereist waren. Knabe wurden als fast letztem Redner ganze zwei Minuten Redezeit eingeräumt. Das spielte aber ohnehin keine Rolle mehr, weil zu diesem Zeitpunkt die ersten Resignanten enttäuscht und frustriert den Platz verließen.
Ach ja: Die ob der Thüringer Gespenster-Hochzeit (Biermann) laut jammernden Verfolgten – und Opfer-Verbände der zweiten deutschen Diktatur waren natürlich auch vertreten: Zwei vor Kälte zitternde Aspiranten hielten vor dem Podiums-Lkw tapfer ein meterlanges Schild in die Höhe: Die Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft … etc.

Ex-Hoheneckerin Tatjana Sterneberg war mit der Vereinigung 17. Juni ebenfalls in Erfurt, hier im Gespräch mit Wolf Biermann (2013)
Während sich hier und da Prominenz unter das gemeine Volk mischte, so Hildigund Neubert, einstige Landesbeauftragte und nunmehrige kurzfristige ehemalige Chefin der Staatskanzlei, veranstalteten die PIRATEN hinter der offiziellen Kundgebung ihr eigenes Protest-Szenario: Ein einsamer Megafon-Tröter pustete seine unverständlichen Worte in Richtung Demo-Gelände und Landtag, flankiert von zwei weiteren Unentwegten. Vor dem Protest-Trio standen (und saßen in aufgefahrenen Einsatzfahrzeugen) ungleich mehr Polizeibeamte, um den offenbar gefährlichen Protest unter Kontrolle zu halten.
Leider kam keiner der Redner auf den Gedanken, die widersprüchlichen Aussagen des nunmehrigen Ministerpräsidenten zu thematisieren. Denn es ging eben nicht um die eingangs in den Raum gestellte Diffamierung eines Bodo Ramelow. Es hätte deutlich seine mangelnde Glaubwürdigkeit angesprochen werden müssen, seine Verbeugung vor den SED-Stasi-Opfern und seine nach wie vor devote Verbeugung vor und Inanspruchnahme einstiger Stasi- und SED-Funktionäre für seine Wahl. Hü und Hott für den vor uns liegenden Schlingerkurs eines Gewerkschafts-Christen, der seine eigens kreierte Versöhnung mit den Diktatur-Opfern mit den Forderungen nach der Aufhebung des KPD-Verbots, der Aufhebung und Entschädigung für „Berufsverbotsopfer in der alten BRD“ und der Forderung nach einer Anpassung (nach oben) der „aus politischen Gründen reduzierten Renten“ für einstige Stasi-Kader garniert.
Vielleicht ging es den Veranstaltern ja wirklich nicht mehr um diese notwendige inhaltliche Auseinandersetzung. In diesem Sinn war der zuvor groß angekündigte Protest gegen die „geistigen Erben des totalitären Ungeistes“ (Biermann) in Thüringen erfolgreich. Die Einstimmung eines zuvor zornigen Publikums auf den Machtwechsel scheint gelungen. Die immer wieder aufflammenden „Stasi-raus!“-Rufe waren da folkloristisches Beiwerk. Sie verhallten in einer wahrhaft als kalt gefühlten Winternacht mitten in Erfurt. (901)
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
4 Kommentare
8. Dezember 2014 um 16:56
lepke
An Herrn Holzapfel. Bin der Meinung Sie sollten sich eine neue Brille zu legen. das Schild der kommunistischen Opferverbände haben keine jungen Aspiranten gehalten sondern Betroffene Verfolgte des SED Regimes, die weder gezittert haben noch je wieder so Jung werden als Sie uns hinstellen. Ihr ganzer Artikel. Kann man sich nur Fragen. Was wollten Sie Kommentieren? Sinn und Zweck selbst einer Vereinigung des 17. 1953. An Hand Ihres Artikels könnte man glatt weg meinen. Sie müssen für ein Herrn Ramlow, wie die Links Partei, die Partei ergreifen. Haben Sie solch Bolzen in der Hose. Das Sie sich heut schon fürchten. Herr Ramlow kommt bis Berlin. Aufarbeitung einer Sozialistischen Diktatur sieht ganz sicher anders aus. Soweit ich mich erinnern kann, auch die opfer des 17.Juni 1953. Das waren Opfer eines SED Regimes. schämen Sie sich, für solch ein Artikel. Andere kritisieren, selbst noch nie eine eigen Demo auf die Beine gestellt . Wer hat Sie gehindert in Erfurt es Besser zu machen, Wie das Wort zu ergreifen?anscheinend nicht einmal soviel Sachkenntnis was die Opferverbände der kommunistischen Gewaltherschaft vertreten. wenn Sie dann mal persönlich an wesend waren. Dann hätte ich Sie nicht bitten müssen sich eine neue Brille zu zu legen. Sie können das gerne richtig stellen. Ein Mann muss sich von ihnen nicht zur Frau machen lassen. Eine Frau auch nicht um Mann.
7. Dezember 2014 um 09:58
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
„Professionell sieht anders aus“.
Warum haben die Veranstalter nicht ein Opfer der SED/Stasi-Diktatur sprechen lassen?
Es erklang ein Torgau – Lied. Das Thema, worum es ging / geht ist mehr als das. Gegen Ende der Demo wurde es dann immer peinlicher. Die Besucher würdigten dies mit ihrem vorzeitigen Weggang.
Oder gab es seitens der CDU Bedenken und fehlte deshalb die wirklich professionelle Unterstützung? Warum haben die Veranstalter Dr. Hubertus Knabe nicht ausführlich sprechen lassen?
Die Übertragungstechnik war einfach zu leise – ja schon fast überhörbar.
Für uns entstand der Eindruck, es müsse zwar was gesagt werden, aber ansonsten eher eine
Beruhigungspille verteilen in Form der Ausführungen zu Bodo Ramelow.
Faktenreicher Protest sieht anders aus.
Natürlich entschieden letztlich die wenigen Funktionsträger im Landtag, wobei aus unserer Sicht einer aus den eigenen Reihen die Seiten wechselte. Ein Skandal.
Leider haben die Veranstalter die Kritik nicht auf den Punkt gebracht, offensichtlich nicht bringen wollen oder lustlos vorgetragen. Geschah dies wegen der engen Verbindung zur CDU?
Resume: Chance vertan. Es ging alles wie gehabt seinen sozialistischen Gang.
Tatjana Sterneberg
Zur Person:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tatjana_Sterneberg
http://www.zeitzeugenbuero.de/index.php?id=detail&zzp=163
6. Dezember 2014 um 23:28
W. Mayer
Die ehemalige FDJ-Sekretärin und überzeugte Kommunistin Christine LIEBERKNECHT hat den Staffelstab erfolgreich an Bodo RAMELOW übergeben. Um die Verteidigung ihres Amtes hat sie nicht gekämpft.
Man gewinnt den Eindruck, daß im Freistaat Thüringen alles wie geplant gelaufen ist.
6. Dezember 2014 um 19:44
Manfred Springer
Ramelow ist ein derart stark überzeugter Christ, das er bei seinem Eid auf die Worte „So wahr mir Gott helfe“ verzichtete. Kommunisten brauchen nun einmal keinen Gott so wie einst „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein!“. Von der Wirtschaft haben sie nur solange eine Ahnung, wie sie das Geld anderer rausschmeißen können -und die Sozis sind nicht besser- denn die verraten ihre eigenen ermordeten und umgekommenen Genossen – und die 17Millionen in der SBZ sollten noch 1989 zu Ausländern erklärt werden! Das wollte ja auch die FDP! Schlimm, die Verbiegerei – und das bezeichnen diese … noch als Politik! -sagt Manfred Springer