THEMA VERFEHLT!
Von Dr. Jörg B. Bilke*
Zur Sendung: „Menschen bei Maischberger“ am 30.09.2014, 22:45 Uhr (ARD).
Das Thema „War die DDR Heimat oder Unrechtsstaat?“ hätte viel gründlicher diskutiert werden können, wenn die Moderatorin Sandra Maischberger (1966) nicht zehn Minuten verschenkt hätte mit der unsinnigen Diskussion über Dagmar Frederic (1944), die neben der Wachspuppe Erich Honeckers salutiert hatte. Die ehemalige DDR-Unterhaltungsdame führte ein privilegiertes Leben mit Westreisen und sonstigen Zuwendungen, derer der normale DDR-Bürger nicht teilhaftig wurde. Während sie wortreich bestritt, Anhängerin Erich Honeckers gewesen zu sein, klingelte Peter-Michael Diestels (1952) Mobiltelefon, in das die DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ eingespeichert war, die unter Honecker wegen der drei Worte „Deutschland, einig Vaterland“ nicht mehr gesungen werden durfte. Das war nun ein besonderer Gag, dass das Telefon mit dieser Melodie klingelte, und das war ganz sicher mit Sandra Maischberger abgesprochen. Erstaunlich war nur, dass Diestel, der immerhin der letzte DDR-Innenminister war, nicht wusste, wann diese Hymne verboten worden war, was kein gutes Licht auf seine DDR-Kenntnisse warf.
Ernst Elitz (1941), der erfahrene TV-Moderator, studierte 1961 in Westberlin, als die Mauer gebaut wurde und durfte seine Mutter in Ostberlin jahrelang nicht mehr besuchen. Er hatte den überzeugenden Durchblick und gute DDR-Kenntnisse und nannte die DDR ohne Hemmungen „Diktatur“ und „Unrechtsstaat“, was Peter-Michael Diestel vehement bestritt. Er bezeichnete sich als „Bürgerrechtler“, der nicht ausgereist, sondern in der DDR geblieben und die Mauer gestürzt hätte. Das müsste man überprüfen! Seine Argumente, warum die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sein sollte, waren keine. Was er von sich gab, war wirres Zeug, zur Analyse politischer Zustände war er nicht fähig.
Schon der Titel der Sendung „Heimat“ oder „Unrechtsstaat“ war falsch, denn auch eine Diktatur kann Heimat sein, wenn auch eine verfremdete und feindliche. Dass Dagmar Frederic mit ihren Privilegien gerne dort gelebt hat, ist verständlich.
Die drei Brüder Ingo, Holger und Egbert Bethke, die auf verschiedenen Wegen aus der DDR geflohen waren, brauchten keine Auseinandersetzung darüber, welcher Art Staat die DDR war: Sie wollten dort nicht leben, durften aber den ungeliebten Staat „legal“ nicht verlassen, weil „Republikflucht“ unter Strafe stand. Auch gegen Ellen Thiemanns (1937) Erlebnisse, die über zwei Jahre wegen „Republikflucht“ im Zuchthaus Hoheneck gesessen hatte und 1975 ausreisen durfte, konnte man nicht argumentieren. Peter-Michael Diestel tat es dennoch und machte sich lächerlich, als er konstatierte: „Die Stasi ist keine verbrecherische Organisation!“ Ja, was ist sie dann? Was Ellen Thiemann erlebt hat, wäre kein „typischer Fall“, sondern ein „Einzelfall“. Dann hätte die menschenverachtende Praxis der „Staatssicherheit“ aus Zehntausenden von „Einzelfällen“ bestanden!
Nicht diskutiert wurde, wie sich ein Rechtsstaat von einem Unrechtsstaat, der keine Gewaltenteilung kennt, unterscheidet: Der Bürger ist der Staatsmacht hilflos ausgeliefert. In der DDR waren durch Gesetz alle Freiheiten (Redefreiheit, Informationsfreiheit, Reisefreiheit, Versammlungsfreiheit, Streikrecht), die Bürgertum und Arbeiterbewegung im 19./20. Jahrhundert erkämpft hatten, abgeschafft. Insofern war die DDR ein reaktionärer Staat!
*Quelle: http://f3.webmart.de/f.cfm?id=2165073&r=threadview&t=4036505&pg=1
5 Kommentare
8. Oktober 2014 um 16:53
Lothar Scholz SAndhofweg 34 12 209 Berlin
Natürlich war die „DDR“ kein Unrechtsstaat! Unrecht ist, wenn man Oma die Hausschuhe versteckt! Wenn eine Regierung das eigene Volk einmauert und jeden, der auch nur darüber guckt, erschießt, so ist das kein Unrecht, sobdern ein Verbrechen!!
3. Oktober 2014 um 08:57
H.R.C.
Ich kenne kaum Jemanden, der so offen seine Meinung in so einer Talkrunde sagt, wie Ellen Thiemann. Nur immer schade, dass Leute wie Frau Frederik und Herr Diestel so eine Bühne bekommen sich zu äußern.
2. Oktober 2014 um 17:10
Frank Hiob
Eigendlich hätte Frederic bei der Hymne sofort Spalier stehen müssen.
Wer kann ihrer Bekundung denn glauben, eine einfache Bürgerin gewesen zu sein, oder hatten einfache Leute Privilegien? Distel ist doch nur ein Schmarotzer. Die Moderatoren trauen sich nicht die Warheit zu sagen, da sie Angst haben, in ihrem Job beschnitten zu werden. Die richtigen Fragen hat in der Sendung auch niemand gestellt und wirklich Benachteiligte waren auch nicht eingeladen. Frau Thiemann hat, was mich betrifft. in unserer Sache enttäuscht.
mkG Frank Hiob
2. Oktober 2014 um 14:30
Frank
Es drängt sich stark der Eindruck bei mir auf, daß der Titel der Sendung polarisieren sollte! Auch die Auswahl der Gesprächsteilnehmer konnte illusterer nicht sein. Da räsonierte ein Peter-Michael Diestel langatmig über die Frage:“War die DDR nicht doch ein Rechtsstaat, weil auch Scheidungen und Verurteilungen von Hühnerdieben verhandelt wurden?“ Herrn Diestel sei ins Stammbuch geschrieben, wenn die Parteiführung es für nützlich hielt, wurden Scheidungen per Beschluß verboten und Hühnerdiebe entgingen ihrer Strafe, wenn sie sich zum Beispiel zur Zuarbeit mit der Staasi verpflichteten! Punkt! So, so, laut Maischberger hätte Dagmar Frederic lieber die Zunge rausstecken, statt salutieren sollen! Weiser Ratschlag sich „mainstreamgerecht“ zu verhalten! Geschenkt! Das der Bürgerrechtler Diestel im Schutze der Kirche heimlich gegen die Mauer angesungen hatte, aber nie die DDR widerrechtlich verlassen hätte(Salut), stößt mir doch ein wenig schal auf. Ich selber habe damals auch gesungen,um nicht verrückt zu werden! Leise weil es sonst Schläge gegeben hätte, in den 6 Monaten Untersuchungshaft bei der Stasi! Ich sang gegen die Angst vieleicht, wie wenn man als Kind pfeifend in den Keller Kohlen holen ging. Ich sang vieleicht, weil ich erst sechzehn Jahre alt war und eine Vorahnung hatte, daß die kommenden Jahre mein Leben nachhaltig verändern werden….
Wie recht ich mit dieser Vorahnung hatte, zeigt der Umstand, daß ich noch heute unter Albträumen leide und Psychopharmaka zum Einschlafen brauche. Und allen die unter Entzugstraumata bezüglich der DDR-Nationalhymne leiden, kann ich aus eigener Erfahrung sagen: „Es gibt da Ärzte, gute spezielle Ärzte!“
2. Oktober 2014 um 11:39
Edda Sperling
das ist die richtige Antwort auf diese Talkshow, am Thema vorbei diskutiert