Das ist die Frau, die für die Stasi die Kinder holte
Von Tomas Kittan
Berlin, 7.09.2014/tk – Helga P. (78) war Oberstleutnant und arbeitete für die Staatssicherheit. Sie schulte in der DDR Verhör-Spezialisten. Und sie brachte Kinder von Republikflüchtlingen ins Heim! „Diese Eltern haben eine Straftat begangen und die Kinder in Gefahr gebracht“, sagt sie noch heute. Und: “Ich habe ein reines Gewissen.“
Sie hatte knapp 25 Jahre Zeit, über ihre Stasi-Karriere nachzudenken. Sich mit dem Unrecht auseinanderzusetzen. Doch Helga P. (78) wählte den anderen Weg und erklärt bei einer öffentliche Buchpräsentation, warum sie Kinder von DDR-Flüchtlingen in Heime brachte.
Es kam zum Eklat, mitten in Mitte. In einem Zweckbau an der Torstraße – das Ladengeschäft der „Junge Welt“, vis-á-vis vom schicken Soho House.
Die Vorstellung des Buches „Unbequeme Zeitzeugen“ war im Internet beworben worden, Eintritt: fünf Euro. Man mußte sich vorher anmelden – denn eigentlich wollten die Autoren, allesamt ehemalige Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), mit ihresgleichen unter sich bleiben.
Doch auch Mitglieder der “Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ (VOS) sind unter den Gästen. Gereizte Stimmung.
Eine Frau steht auf, ruft in den überfüllten Saal: Frau Oberstleutnant, was haben Sie mit den Kindern von Republikflüchtlingen gemacht? Warum sind so viele in Heimen gelandet?“ Es ist Ute Wunderlich (55), die man 1973 nach versuchter Republikflucht für 21 Monate ins Gefängnis und in den Jugendwerkhof gesteckt hatte. Sie will Antworten – von einer alten Frau in gemusterter Bluse und orangefarbener Hose: Helga P., ehemalige Stasi-Funktionärin, Co-Autorin des Buches. Sie erschrickt: „Das stimmt nicht. Ich habe sie nur kurz betreut, wenn die Eltern ins Gefängnis kamen. Irgendwo musste ich ja die Kinder von Republikflüchtlingen hinbringen.“ Jemand empört sich: Sie sollten sich etwas schämen und hier nicht das Unschuldslamm spielen!“
Im Saal kochen die Emotionen hoch. Ein alter Stasimann brüllt Wunderlich an: „Halt endlich die Klappe!“ Ein Opfer ruft: „Ihr Lügner“.
In den Siebzigern war Helga P. „Hauptsachbearbeiter für Anleitung und Kontrolle der Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche“, kurz vor der Wende schulte sie bei der Stasi Verhör-Spezialisten. Die Seniorin ist seit 1959 verheiratete mit einem Stasi-Funktionär (79). Sie haben zwei Töchter (53, 49), leben in Lichtenberg. BZ am Sonntag traf sie dort. Auf dem Wohnzimmertisch eine Häkeldecke, darauf sechs rote Nelken in einer Vase.
Mein Gewissen ist rein, sagt Helga P. „Diese Eltern, die Republikflüchtlinge, haben eine Straftat begangen, zudem ihre Kinder in Gefahr gebracht oder im Stich gelassen.“ Und weiter: „Wer weiß, wie Verwandte die Kleinen behandelt hätten. Im Heim hatten sie es gut.“ Worte, die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (62) einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Sie war bei der hitzigen Debatte dabei, sagt: „Ich bin empört, wie weinerlich sich Frau Oberstleutnant zeigte, völlig ohne Reue. Kein Wort der Entschuldigung.“(854)
V.i.S.d.P. © 2014: Dr. Tomas Kittan, B.Z., Berlin, 7.09.2014, S.1 und 8/9
13 Kommentare
15. September 2014 um 14:24
Frank
Bin auch Zeitzeuge! Mit 16 Jahren verhaftet, 4 Monate Einzelhaft und Verhöhre bei der Stasi danach 2,5 Jahre abgesessen, nicht freigekauft! Heute in psychologischer Behandlung. Wer zuläßt, das sich dieses Gekreuch ans Tageslicht traut, ist eine Gesellschaft die schon längs ihre Kinder der Revolution gefressen und ausgespien hat. Opferrente? Lächerlich und nach Bedürftigkeit. Die Täter triumphieren….aber hatten wir das nicht schon mal?
14. September 2014 um 14:03
Heidemarie
PFUI PFUI PFUI, die darf mir nicht unter die Finger kommen!!!!!
13. September 2014 um 12:36
Claus Dieter Fischer
Die dürfte heute keine Rente bekommen, und viele andere, die sich schuldig gemacht haben, auch nicht. Das die sich nicht schämen, vom einstigen Klassenfeind noch Geld zu nehmen, und das monatlich. Keine Ehre haben solche Leute. Schämen sollen die sich, verraten ihre Überzeugung. Damit zeigen die nur, dass ihre sogenannte Sache nix wird, war und ist.
14. September 2014 um 20:15
Edith Fiedler
Da haben Sie recht, denn die. …hat ja nicht zum Wohl der Allgemeinheit gewühlt (um nicht zu sagen gearbeitet). War nur in Sachen der Menschenzersetzung unterwegs. Die Personen bei denen díe…erfolgreich war, haben Tag für Tag und Nacht für Nacht Schmerzen an Leib und Seele. Sie hatte Glück, dass ihre Opfer nicht vor Ort waren. Sie sollte sich wie bisher in ihrem „…Nest“ in Lichtenberg verstecken und keine öffentlichen Einrichtungen … besudeln.
13. September 2014 um 09:19
Lins
Also ich kann Frank Hiob nur mit vollem Herzen hier zustimmen. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, wie es möglich ist, dass Menschen es schaffen jetzt in Führungdpositionen zu gelangen. Ich glaube, das die Menschheit immer noch viel zu wenig informiert ist über das Regime der DDR.
Ich bin auch nur darüber informiert, weil ich jemand kennen gelernt habe, die heute meine Freundin ist, die mit vielen dieses Schicksal geteilt hat. Sie ist körperlich ein Wrack. Ich habe es erlebt, wie sie auf Gerüche reagiert. Alpträume und Schreie in der Nacht. Es ist eine Schande, das diese Menschen, die diese Verbrechen begangen haben, ohne Strafe davon kommen.
Doris Lins
12. September 2014 um 22:02
Lupo
Diese Type hätte man 89 einsperren müssen und den Schlüssel wegwerfen sollen. Bitte lasst niemals zu, dass ich diese … mal persönlich treffe…..
11. September 2014 um 09:54
Frank Hiob
Wäre doch eine Möglichkeit, diese Stasi-Funktionäre als Kalte-Kriegsverbrecher zu bezeichnen. Man läßt diese davon kommen, weil ihre Taten verjährt sind, und sie dürfen die Vorzüge der Demokratie nutzen. Jetzt kommen in Thüringen die Wahlen und eventuell wird ein Linker mit Duldung der SPD Ministerpräsident. Solch eine politische Mischung hatten wir schon mal, nannte sich SED. Feiert in Thüringen die DDR Wiederauferstehung und wir müssen das dulden???
Wir sollten mal darüber nachdenken, ob Gauck, Merkel, Gysi und Genossen überhaupt mit ihrer Stasivergangenheit Demokratie- konform sind?
Wir sollten wirklich keine Möglichkeit auslassen, diese Stasi… mit Namen und Adresse zu benennen. Ich fasse es nicht, wie unverschämt diese roten Faschisten sind und sich heute noch an den Leiden ihrer Opfer ergötzen. Die Gesetze sollten geändert werden, daß dieses Mielke-Personal keinen Anspruch mehr hat auf unser sauer verdientes Geld.
mkG Frank Hiob
10. September 2014 um 07:38
Stefan Köhler
Wichtig ist doch heutzutage nur eines:
Die Täter werden, wie schon immer, liebevoll und viel besser versorgt als deren direkte Opfer oder jeder normale Duchschnittsbürger. Weiter so? Man kann außer tiefster Verachtung nichts mehr empfinden.
Täterverhätschelung, steigende Kriminalität, zügiger Polizeiabbau und ausufernder Wirtschaftsbetrug in Grenzenlosigkeit sind die unverzichtbaren Kriterien für Wirtschaftswachstum und explodierenden Reichtum für eine „gewaltige“ kleine Minderheit unserer Gesellschaft. Weiter so, denn pecunia non olet ist aktueller denn je.
Wann endlich wird auch vollständig veröffentlicht, dass politischen Gegnern die dreckigen Psychopharmaka heimlich in die Speisen und Getränke gemischt worden sind?
Stasi 2.0 funktioniert inzwischen fast weltweit in erschreckender Form. Wohin geht’s also heute und auch hierzulande wirklich?
Man kann nun grinsen oder heulen, das war, ist und bleibt die Realität in dieser Mammon-Gesellschaft. Und dennoch könnte es noch viel schlimmer kommen. Für alle gilt: Der Mensch oder Unmensch denkt und GOTT lenkt, der Macht des Schicksals entgeht niemand, der schweren Schuld folgt unabhängig vom Wunsche des Menschen die Sühne. Das aber ist auch gut so.
9. September 2014 um 20:11
Heidi Stein
Ich bin entsetzt und finde es schlimm, dass Täter Bücher schreiben und Vorlesungen öffentlich halten. Wenn die sowas machen, dann in ihren eigenen Stuben. Gebt denen keine Öffentlichkeit, somit machen die sich breit und verhöhnen die Aufarbeitung und Opfer. Zumal sich bislang noch kein Täter entschuldigt hat. Für unsere Aufarbeitung benötigen wir Kraft und müssen darauf achten, dass wir nicht verdrängt und weggeschoben werden. Die Einhaltung der uns zustehenden Punkte des Einigungsvertrages und dessen Umsetzung für Opfer muß kontrolliert und durchgesetzt werden. Wir haben in der Demokraie leider keine Möglichkeit mehr die Stasilumpen zu belangen, es ist verjährt, leider.
Wandelt Eure Wut um und versucht Eure Kraft in die eigene Aufarbeitung zu stecken.
Euch allen viel Kraft und ein bißchen mehr Frieden. Eure Heidi Stein
8. September 2014 um 20:46
Edith Fiedler
Mir wird ganz übel, wenn ich diese alten Parolen höre.
Damit mußte man sich genug in den Vernehmungen und im Prozess herum schlagen.
Es ist doch durch die Einrichtung der Kinderheimfonds ausreichend bewiesen, dass der Aufenthalt in einem Kinderheim die schlechteste Form der Kinderunterkunft ist.
Besonders nach einer Flucht und einer Festnahme in der DDR, bei der mehrere Maschinenpistolen auf die festgenommenen Flüchtigen gerichtet waren und wie die Flüchtlinge dann mit groben und unflätigen Worten begleitet herrumgeschubst und an die Wand gestellt wurden, Beine und Arme gespreitzt, wartend auf den Genickschuss.
Die Kinder, die das miterlebten mußten, sind für ewig traumatisiert.
Diese Kinder hätten besonders liebevoll aufgenommen werden müssen.
Sie konnten doch nichts dafür, dass ihre Eltern solange gequält wurden, bis ihnen nur noch die Flucht aus diesem System übrig blieb.
Und so eine … Helga P. hält sich für unschuldig? Haben sie und ihresgleichen noch nicht begriffen, dass sie selbst mit ihrem Spitzelsystem den Staat, dem sie angeblich dienten, zu Fall gebracht haben?
Ganz zu schweigen darüber, mit welcher Unverfrorenheit sie sich hohe Gehälter, Extrawohnungen und viele andere Vorteile eingeschaufelt haben.
Die Stasischmarotzer waren die Läuse im Pelz eines fleißigen Volkes.
9. September 2014 um 18:05
Edda Sperling
danke Edith, dass hast du sehr gut formuliert, gut das ich zu dieser Lesung nicht gehen konnte, ich glaube ich wäre dieser Verbrecherin an den Hals gegangen, ich hätte ihr erzählt wie Gisela Mauritz in Hoheneck 1978/1979 gelitten hat, wie man sie schikaniert hat, da war ihr Alexander schon nach Bernau in eine STASI Familie zwangsadoptiert worden, Gisela hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen, völlig abgemagert….
8. September 2014 um 17:34
Klaus Dörfert
Ja es wurden 17 Millionen Menschen in der DDR betreut und einige besonders. Ich bitte darum, spendet für die Verführten, damit wir ihnen eine Fahrt in die Hölle bezahlen können. Ich schulde ihnen noch meinen persönlichen Dank für die Haftzeit in Oranienburg, Bitterfeld und 3 Herzinfarkte.
9. September 2014 um 18:13
Edda Sperling
Diese Frau hat Stasi-Vernehmer geschult, wie sie Psychoterror und Psychofolter betreiben können nach der Richtlinie 1/76 nach Vorgaben von Mielke, Menschen zersetzen, Menschen verstrahlen mit Röntgengeräten in den Vernehmerzimmern, viele sind an Leukämie anschließend erkrankt und verstorben, die gehört vor den Staatsanwalt der BRD oder besser noch, vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit