Berlin/Erfurt, 27.08.2014/cw – Einigen gilt die Konkurrenz zwischen der Partei DIE LINKE und der ältesten Partei Deutschlands, der SPD, als Neuauflage der Dissonanzen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Aus einer seinerzeitigen Abspaltung von der SPD ging die KPD hervor. Später kam es zu weiteren Zersplitterungen, eine davon war die SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschland), eine linkssozialistische, marxistische Partei, die  am 4. Oktober 1931 gegründet worden war. Ihr gehörte der spätere SPD-Parteivorsitzende Willy Brandt zeitweise an. Brandt hatte nach der SAPD-Parteigründung im Oktober 1931 mit Leber und der SPD gebrochen und  seiner bisherigen Partei  „Mutlosigkeit“ im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen“ vorgeworfen. Er äußerte seine Enttäuschung über  die Tolerierungspolitik gegenüber den Maßnahmen der konservativen Regierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning.

Nun ist ja DIE LINKE in diesem Sinn keine Abspaltung von der SPD, sondern ging eher aus einer Zwangsvereinigung der KPD mit der SPD zur SED nach dem 2. Weltkrieg hervor. Nach dem Fall der Mauer wurde es versäumt, die SED und ihre Gliederungen als „verbrecherische Organisationen“ analog zur NSdAP nach 1945 zu verbieten. Möglich, daß eines der größten Hindernisse die Frage der Behandlung der sogen. Blockparteien war: Die CDU, die LDPD als verbrecherische Gliederung (des SED-Staates) verbieten?

Wahrnehmung als Nachfolgepartei der SED

Jedenfalls konnte sich die SED ungehindert ein demokratisches Mäntelchen umhängen und mutierte im Dezember 1989 so zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus – SED-PDS. Bereits am 4. Februar 1990 strich die SED-Nachfolgepartei den verräterischen Teil aus ihrem Namen und nannte sich nur noch PDS.
Nach einer weiteren Mutation erfand die Partei einen neuerlichen Übergangsnamen: Die Linkspartei/PDS (Kurzbezeichnung: Die Linke/PDS). Nach einer Abspaltung linker Sozialdemokraten von ihrer bisherigen Partei, die sich als WASG (Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit) bezeichnete, kam es im Juni 2007 zur – diesmal freiwilligen – Fusion der WASG mit der PDS und zum seitherigen Namen DIE LINKE.

Trotz der diversen Häutungen wird DIE LINKE in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor als Nachfolgepartei nicht nur der SED sondern auch der DDR-Ideologie verstanden. Für dieses Image ist weniger eine alte Riege als die einstigen Linksradikalen aus dem einstigen Westen – der alten BRD – verantwortlich, die sich immer als Avantgarde der wahren Marxisten/ Leninisten verstanden haben. Doch das ist ein anderes Thema.
Tatsächlich ist mit dem einhergehenden Erstarken der SED-Nachfolger und ihrer zweifelsfreien Etablierung zuvorderst im Deutschen Bundestag der SPD ein wichtiger Teil ihrer bisherigen Wahl-Klientel verloren gegangen. Die politische Landschaft in unserem Land sähe vermutlich um Einiges anders aus, wenn es diese – politisch gesehen – linke Abspaltung von der SPD nicht gäbe. Vermutlich hat man die Durchsetzungsfähigkeit der SED-Nachfolger in der SPD völlig falsch eingeschätzt und – nicht zuletzt durch fatale politische Umarmungsversuche in Form von Regierungsbeteiligungen – auf einen Saugeffekt gesetzt, der ausgeblieben ist und damit der SPD diverse Chancen auf politische Führung auf Länder- wie auf Bundesebene gründlich vermasselt hat.

Diese Fehleinschätzung setzt nun offenbar breite Kräfte in der SPD frei, die einen neuen Kurs mit klaren Ansagen an DIE LINKE verlangen. In einem öffentlichen Aufruf in Thüringen haben sich jetzt prominente Sozialdemokraten in ungewohnt offener Sprache gegen eine örtlich angestrebte Regierungsbeteiligung unter Führung eines linken Ministerpräsidenten (Bodo Ramelow) ausgesprochen: „Wir appellieren an Euer Selbstbewusstsein! Die SPD kann nicht Mehrheitsbeschafferin der Linkspartei sein! Unser Anspruch muss größer sein!“ heißt es in dem ursprünglich von Gunter Weißgeber ausgehenden Appell, dem sich neben dem SPD-Direktkandidaten Stefan Sandmann aus Ilmenau auch zahlreiche prominente Sozialdemokraten, wie Wolfgang Clement, ehem. NRW-Ministerpräsident und Bundesminister; Hermann Rappe, SPD, MdB 1972-1998, Vorsitz IG Chemie 1982-1995; Stephan Hilsberg, SDP/SPD MdV 1990, MdB 1990-2009; Dr. Waldemar Ritter, Politikwissenschaftler und Historiker; Sabine Kaspereit, SPD MdB 1994-2002, Robert Hagen, SPD Bayern und Michael Döring, Bürgermeister Lehesten  anschlossen. Den zahllosen weiteren Unterzeichnern des Aufrufs an die „Sehr geehrte(n) Verantwortungsträger in der SPD Thüringen“ schlossen sich neben ehemaligen politisch Verfolgten auch Vertreter anderer Parteien  an, wie beispielsweise Uwe Lehmann, Bündnis90/Grüne Berlin und Maik Eberwein, CDU Meiningen.

Ein linker MP ist Selbstaufgabe in Vollendung

„Koalitionen sind keine Therapieveranstaltungen für schwer Erziehbare! Alles andere ist Anmaßung!“ heißt es drastisch in dem umfangreich begründeten Aufruf und: „Um es klar zu sagen: Eine Mehrheitsführerschaft der Linkspartei in einer Koalition mit der SPD ist ein größeres Übel als die Mehrheitsführerschaft der CDU in einer Koalition mit der SPD.“

Es könne kein „Vorwärts in die Vergangenheit“ geben, „dies kann nicht das Ziel der ältesten demokratischen Partei Deutschlands sein! Selbstaufgabe gehörte ebenfalls noch nie zum politischen Repertoire der Sozialdemokratie. Einen linken MP wählen zu wollen, ist Selbstaufgabe in Vollendung.“
Die Unterzeichner erinnern an die historischen Hintergründe: „Die SDP trat 1989 an, um die SED-Herrschaft zu stürzen. Die SPD Thüringen tritt dieses Jahr an, den Nachfolgern dieser Herrschaft die parlamentarische Mehrheit zu sichern? Peinlich ist das schon.“

Die einstige SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Doht äußert inzwischen ihre Sorgen um die SPD öffentlich. In einem Gespräch mit der Thüringer Zeitung erklärte die Eisenacherin, die mit Fraktionschef Werner Pidde und Wirtschaftsminister Uwe Höhn wegen der Annäherung an die Linkspartei für den Landtag nicht mehr antritt, die Partei zu verlassen, wenn die SPD die Linken in die Regierung hebt. Doht steht mit dieser klaren Ansage nicht alleine. Der SPD droht in Thüringen, das entsprechende Wahlergebnis vorausgesetzt, die Schrumpfung auf das Niveau einer Klein-Partei, schlimmstenfalls aber die (erneute) Spaltung. Profiteur wäre – wieder einmal – vermutlich DIE LINKE. (848)

Siehe auch: http://aufruf2014.wordpress.com/
und:
http://gotha.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/politik/detail/-/specific/Wenn-die-SPD-mit-Linken-regiert-ist-sie-nicht-mehr-meine-Partei-140743248

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