Leipzig/Berlin, 30.06.2014/cw – Der evangelisch-lutherische Pfarrer Christian Führer (1943) ist tot. Nach Mitteilung des Universitätsklinikums Leipzig wurde der im März 71 Jahre alt gewordene am Morgen im bedrohlichen Zustand eingeliefert und verstarb kurz darauf.
Führer war schwer krank und konnte bereits den 2014 verliehenen Deutschen Nationalpreis nicht mehr persönlich entgegen nehmen.
Der für seine Freunde und Verehrer viel zu früh Verstorbene entstammt selbst einer Pfarrersfamilie, in der sein Vater allein 40 Jahre Pfarrer in Langenleuba-Oberhain war, in der Führer aufwuchs. Führer hatte zwei Schwestern und später selbst vier Kinder. Nach seinem Besuch der Oberschule in Eisenach studierte er an der Karl-Marx-Universität Leipzig evangelische Theologie (1961 – 1966). Nach einem Zwischenspiel (aus historischer Sicht) als Pfarrer in Lastau und Colditz (1968 – 1980) wurde Christian Führer zum Pfarrer an der Nikolaikirche in Leipzig berufen, eine Berufung, die schicksälig wurde und seinen Ruhm begründete. In dieser Zeit entwickelte der Pfarrer aus seinem selbst verstandenen christlichen Ethos eine Form friedlicher Opposition gegen den totalitären Staat. Legendär wurden seine Montagsgebete in der Nikolaikirche, denen die Partei und ihre Staatssicherheit zornig aber wehrlos zuschauen mussten. Schnell wurde der lutherische Protestler zur Führungsfigur im Ringen um eine friedliche Renovierung der DDR, deren Abschaffung oder Ende weder er noch die meisten Bürgerrechtler beabsichtigten.
Führer, der 2008 seinen Abschiedsgottesdienst in „seiner“ Nikolaikirche absolvierte, durfte seinen Ruhestand nicht genießen. Der herausragende Zeitzeuge war bis zuletzt gefragt, viele Akteure, aber auch seinerzeit am Rande stehende Zuschauer wollten sich in seinem von ihm nie angestrebten Ruhm sonnen, etwas von seinem historischen Glanz abbekommen.
Über seinen Tod und seine Rolle in Leipzig hinaus wird die Erinnerung an einen mutigen Pfarrer bleiben, der die keineswegs rühmliche Geschichte seiner „Kirche im Sozialismus“ aufgehellt und schwankend gewordene Kirchgänger mit dieser versöhnt hat. Die Evangelische Kirche täte gut daran, ihre Versäumnisse einzugestehen und das strahlende Vorbild des Pfarrers Christian Führer als das herauszuheben, was er war: Ein einsamer Lutheraner, der gegen den verbreiteten Geist seiner Kirche den Mut hatte, den eigenen Weg zu beschreiten.
Davon gab es in der DDR-Kirche nicht Viele. Aber die Wenigen gaben den Alleingelassenen den notwendigen Mut, nicht aufzugeben und sich treu zu bleiben. Christian Führer gehörte dazu. Das bleibt – neben seinen historischen Verdiensten um eine friedlich verlaufene Revolution – unvergessen.
V.i.S.d.P.: Carl-Wolfgang Holzapfel, Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
2 Kommentare
1. Juli 2014 um 07:53
Stefan Köhler
Eine Leben im Dienste der Nächstenliebe hinterlässt sein bleibendes Vermächtnis: Niemals Rache und Vergeltung, denn sie führen in die scheinbar unüberwindliche Spirale der Gewalt. Sein Vermächtnis wird nicht sterben, sondern Pfarrer Christian Führer selbst für immer in guter Erinnerung halten.
Derweil werden aber aus niedrigen Beweggründen alte Wunden aufgebrochen, uralte Fehden reanimiert, um Einflussgebiete auszuweiten und Wirtschaftsinteressen profitgierig, gewinnbringend für eine winzige Minderheit, auf Kosten der betroffenen Völker, Gebiete und Regionen um jeden Preis, auch den des brutalen Aggressionskrieges, durchzusetzen.
So war es eben auch der Verstorbene, der sehr frühzeitig erkannt hatte, dass wir „die Diktatur des Proletariats gegen die Diktatur des Geldes eingetauscht haben. Er stand deshalb bis zuletzt auf der Seite der Schwachen und Bedrängten, der Ausgegrenzten und auch der Opfer und Widerständler beider Diktaturen, weil er auch die Zeichen unserer Zeit frühzeitig richtig erkannt hatte.
Es bleibt zu hoffen, dass man auch in unserem Lande etwas aus den zwei verheerenden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts gelernt hat oder zumindest noch lernen wird. Für unser Volk zumindest war dieser Lernprozess bereits erfolgreich, denn mehr als 70 % unserer Menschen lehnen jeglichen Krieg und jegliche Gewalt ab. Mögen es noch mehr werden!
30. Juni 2014 um 20:16
Weber
Nicht zu vergessen seinen Einsatz nach der Wende:
„Nach der Wiedervereinigung setzte er sich besonders für Arbeitslose ein, nahm die „Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV“ auf, organisierte Mahnwachen aufgrund der Entführung von zwei Deutschen 2006 im Irak und initiierte friedliche Gegendemonstrationen bei rechtsextremistischen Aufmärschen.“
http://www.friedensmarathon-augsburg.de/frieden/friedensstifter/christian-fuehrer.html