rbb berichtet heute Abend über den Ost-West-Handel und die Rolle der Haftzwangsarbeit
Berlin, 24.06.2014/cw – Als der neunzehnjährige Reklamearbeiter Carl-Wolfgang H. bei eisigen Temperaturen bis –15 Grad am Mahnmal für Peter Fechter nahe dem Checkpoint Charlie am 1. März 1963 zu Beginn der Leipziger Frühjahrsmesse seinen dreitägigen Hungerstreik begann, ahnte er nicht, mit welcher Systematik bereits zwei Jahre nach dem Bau der Mauer Westfirmen in den Handel mit dem vorgeblichen Unrechtsstaat DDR verstrickt waren. Der junge BVG-Arbeiter ging von „Ausrutschern“ einiger Westfirmen aus, formulierte auf seinem Protestplakat: „Ihr fahrt nach Leipzig – und die Mauer?“
Fast fünfzig Jahre später sitzt der nunmehr Siebzigjährige im Bundesarchiv, Außenstelle Berlin, und sieht fassungslos die Dokumente vor sich, die den regen Handel zwischen der DDR und dem Westen belegen. Namhafte Firmen und Politiker waren im oder förderten nachdrücklich das Geschäft, oft auch auf dem Rücken tausender aus politischen Gründen verurteilter DDR-Bürger. Eines von vielen Beispielen aus einer Generation, die sich im Nachhinein ebenfalls als verraten sieht, auch wenn dies nicht das Thema am heutigen Abend sein wird.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg – rbb widmet diesem dunklen Bereich der Geschäfte mit der DDR zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes am heutigen Dienstag, 24.06., einen eigenen Themenabend. Zunächst berichtet er ab 20:15 Uhr unter dem Titel: „Ostprodukte im Westregal – Geschäfte mit der DDR“ über den regen Handel über die Mauer hinweg. In der Programmankündigung heißt es dazu: „In Erfurt wurden Schuhe für Salamander gefertigt, in Sachsen Unterwäsche für Schiesser. Im Westen warben Geschäfte und Bestellkataloge mit preiswerten Kameras, Rührgeräten, Kinderwagen und Strumpfhosen. Was viele Konsumenten nicht wussten: All das kam von den „Brüdern und Schwestern“ aus dem Osten – und war dort nur sehr viel teurer oder gar nicht zu bekommen.“
http://www.rbb-online.de/fernsehen/programm/24_06_2014/12301791939.html
Ab 21:00 Uhr folgt der Bericht „Westware aus dem Ostknast“, in dem über die Produktion von „Westwaren“ in den Haftanstalten der DDR berichtet wird. „Nur wenige Verbraucher West ahnten, dass diese schicken Waren tatsächlich aus der DDR, von einem ganzen Netz Volkseigener Betriebe, stammten. Und nicht einmal die Zwischenhändler wussten, dass es dort gerade auch die Arbeit in Gefängnissen der DDR war, die zu einem fest einkalkulierten Bestandteil der Exportproduktion für das kapitalistische Ausland gehörte,“ heißt es dazu in der Ankündigung des Senders. Der Film behandelt das Thema „Zwangsarbeit“ in der DDR.
http://www.rbb-online.de/fernsehen/programm/24_06_2014/12301792105.html
Die Vereinigung 17. Juni hatte bereits im Herbst 2011 einen kritischen Bericht des NDR zum Anlass genommen, sich an das schwedische Möbelhaus IKEA zu wenden und Konsequenzen gefordert; u.a. berichtete das Schweden-TV und die Wirtschaftszeitung Handelsblatt. Im Frühjahr 2012 nahm sich dann die UOKG dieses Themas an und konnte die Finanzierung eines Forschungsvorhabens durch den schwedischen Konzern erreichen. Das Ergebnis wurde am 16. Juni d.J. in Berlin vorgestellt.
Für beide Filme zeichnet die Film- und Buchautorin Anne Worst verantwortlich.
Und wem dieser Themenabend noch nicht lang genug ist, dem bietet rbb ab 22:45 Uhr an diesem Abend aus seiner Reihe „Mauerjahre – Leben im geteilten Berlin (2)“ einen historischen Bericht über „Die Jahre 1964 / 1965 / 1966“.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
1 Kommentar
25. Juni 2014 um 09:45
Fritz Schüler
Hallo Kameraden und Mitstreiter,
in der 3. Zeile des aufschlussreichen Artikels wurde die mutige Aktion des damals neunzehnjährigen Reklamearbeiters Carl-Wolfgang H. gleich um 900 Jahre zurückverlegt.
(Anmerkung Admin: DANKE, wurde korrigiert!)
So früh hat es Mauern mit Stacheldraht noch nicht gegeben. Zwar existierten bereits die Große Chinesische Mauer sowie der legendäre Limes; jedoch konnten auch diese Bauwerke den Lauf der Geschichte nicht aufhalten.
Aber mal Spaß beiseite:
Das dunkle Kapitel menschenverachtender Sklavenarbeit im SED-Gulag kann nicht oft genug in den Medien angeprangert werden.
Im schwedischen Fernsehen ist kürzlich ein interessanter Beitrag über diesbezügliche Arbeiten für die Firma IKEA gezeigt worden (http://www.svt.se/ug/se-progam/avsnitt-1-75).
Viele andere westliche (bundesdeutsche) Firmen und Gemeinden haben an der menschenunwürdigen, nicht selten lebensgefährlichen Maloche ostdeutscher Sträflinge ebenfalls kräftig verdient.
Unsere heutigen „Volksvertreter“ müssen das zur Kenntnis nehmen. Ebenso sollten unbedarfte Bürger der alten Bundesländer endlich begreifen, dass ihr hoher Lebensstandard in den Jahren deutscher Teilung nicht unwesentlich durch Ausbeutung obiger billiger Arbeitskräfte begründet worden ist.