Arnstadt, 24.05.2014/cw – Andreas Möller, nicht unbekannter Bürger von Arnstadt, wandte sich in einem eigens gefassten Flugblatt an die Wähler seiner Stadt. Grund: Am Sonntag, 25.Mai, sind in Thüringen – neben der Europa-Wahl – auch Kommunalwahlen. Auf der Liste der Partei DIE LINKE kandidiert Frank Kuschel, einstiger IM der Stasi. Kuschel kandidiert auch für die Position als Bürgermeister. Dagegen wendet sich der engagierte Möller, nach der Wende Chefreporter der BILD-Thüringen.
Möller, der kürzlich im großen Freundeskreis seinen 70. Geburtstag feierte, gehört keineswegs zu den ideologisch begründeten „LINKE-Fressern“. Er kann im Gegenteil vielen Positionen durchaus zustimmen; zu seinen Freunden gehört auch der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Bodo Ramelow. Aber wie Ramelow steht er zu seinen Überzeugungen, lässt sich durch ideologische Vorgaben nicht von eigenen Überzeugungen abbringen. Schon die Kandidatur des einstigen IM der Stasi hält Möller für eine schweren Affront. Der eigene Großvater, einst angesehener Bürger der Stadt, wurde einst von der Stasi verhaftet und starb an den Folgen der zudiktierten Haft. Die sei nur ein Beispiel für die Verbrechen der Stasi: „Ohne Leute wie Kuschel hätte die Staatssicherheit niemals so viele Menschen zersetzen, ins Unglück stürzen, vernichten können.“
Nachfolgend drucken wir hier den Inhalt des sehr persönlichen Flugblattes ab, ein weiteres Zeugnis für Zivilcourage.
Redaktion Hoheneck
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„Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant“
August H. Hoffmann von Fallersleben –
deutscher Freiheitsdichter (1798-1874)
Liebe Leserin, lieber Leser,
hiermit bitte ich Sie höflich, Frank Kuschel nicht zum Bürgermeister zu wählen.
Ich wende mich dabei keineswegs gegen die Linke als Partei oder als Idee. Aber ihr jetziger Kandidat war bis zum Ende der DDR ein besonders eifriger Spitzel, den die Staatssicherheit bezahlte und belobigte, weil er bereit war, „Personen vorbehaltlos zu belasten“.
So kann man es in der Akte von „IM Fritz Kaiser“ lesen. Denn das war Kuschels Stasi-Deckname.
Kuschel-Kaiser leugnet seine Stasi-Kontakte nicht. Das ist immerhin ein Anfang. Aber Einsicht, Reue, Schamgefühl sind ihm eher fremd. Sonst würde er nämlich nicht kandidieren.
Honecker, Mielke & Co. haben die Drecksarbeit nicht selbst gemacht.
Ohne Leute wie Kuschel hätte die Staatssicherheit niemals so viele Menschen zersetzen, ins Unglück stürzen, vernichten können.
In diesem Zusammenhang schildere ich zum Beispiel das Schicksal meiner Familie: Großvater Julius Heinz kam nach dem Studium in unsere Stadt. Der Sohn eines armen Dorflehrers wurde durch Fleiß, Talent und Bescheidenheit zum erfolgreichen Anwalt und angesehenen Bürger – bis die Stasi ihn 1952 als 77 Jahre alten Mann grundlos verhaftete und wie ein Tier in Fesseln durch Arnstadt führte.
Er starb 1953 an den Folgen der Gefangenschaft. Sein Vermögen wurde vom Staat gestohlen. Zehn Jahre später war auch ich ein politischer Gefangener – fast zwei Jahre lang, in den Haftanstalten Potsdam, Hohenschönhausen, Liebschwitz und Waldheim.
Ich will keine Rache. Doch solange Kuschel seine Schuld nicht ebenso „vorbehaltlos“ bekennt, wie er Mitbürger denunzierte, kann er nicht unser Bürgermeister sein. Gerade hier, wo 1989 Thüringens friedliche Revolution begann. Auch kein Unrecht der Wende, keine Enttäuschung über den grauen Alltag der Demokratie darf uns dazu verleiten, einen Mann zu wählen, der Menschen bekämpfte, die nur legal ausreisen wollten – oder zum Neuen Forum gehörten, ohne dessen Mut wir heute vielleicht nicht einmal das Recht zur freien Wahl des Bürgermeisters hätten.
Andreas.Moeller@gmx.eu
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Quelle: Flucht und Ausreise
http://f3.webmart.de/f.cfm?id=2165073&r=threadview&t=3925240&pg=1
5 Kommentare
28. November 2014 um 15:45
Marion Gosch
Menschen wie Herr Kuschel dürfen keinesfalls einen Posten in der Politik haben. Ein Mensch mit seinem Werdegang kann sich niemals ändern. Er hat das Leben vieler Menschen zerstört. Menschen, die durch seine Amsthandlungen zerbrochen wurden. Ihre Erinnerungen an die Qualen sind unauslöschbar und niemals heilbar. Herr Kuschel ist ein schlechter Mensch. Soetwas ist nicht änderbar. Alles was er erkärt, sind Lippenbekenntnisse. Und klar möchte er wieder Macht haben, dafür lebt er mit allen Mitteln. Herr Kuschel, die Menschheit braucht keine Volkskammer, sondern Humanismus. Das Wort Lumpenproletariat passt sehr gut im Zusammenhang mit ihm. Bildung, auch Herzensbildung ist das, was er nicht kennt. Solche Menschen sind peinlich für Deutschland.
12. August 2014 um 11:35
Andreas Möller
Kommentar-Autor Samu hat völlig recht: Nicht 2014 wurde in Arnstadt ein Bürgermeister gewählt, sondern 2012 – und im Frühjahr jenes Jahres habe ich den „Offenen Brief“ an meine Mitbürger verfasst.
Verteilt habe ich ihn nur ein einziges Mal, nämlich bei einer Vorstellung sämtlicher Kandidaten im Rathaus. Allerdings ist der Text danach noch als Fotokopie in vielen Briefkästen unserer Stadt gelandet. Wer das getan hat, wüsste ich selbst gerne.
Bei der Bürgermeisterwahl hat Frank Kuschel 2012 das schlechteste Ergebnis aller Kandidaten erreicht.
Andreas Möller, Arnstadt
26. Juli 2014 um 08:24
Samu
In Arnstadt wurde 2014 überhaupt kein Bürgermeister gewählt.
24. Mai 2014 um 14:00
Klaus Dörfert
Gefährden die IM der Stasi unsere Demokratie ?
Das Mindeste, was die Bürger in unserem Land von den IMS verlangen können, ist die Übernahme der moralischen Schuld an ihrer Komplicenschaft zum SED-System. Denn ich halte es für unvereinbar in einen Rechtsstaat, das die Helfershelfer und Menscherechtsverletzer ein öffentliches Amt bekleiden. Am schlimmsten sind aber die Funktions-IMS, die Schreibtischtäter, die heute noch in ihren Ämtern fungieren. Die haben nur ihre Pflicht getan, sie haben nur Befehlen gehorcht und das Gesetz befolgt. Diese Worte klingen in den Ohren der Opfer wie abgegriffenes Papier. Denn viele DDR Bürger, wahrscheinlich die meisten, haben das System der Diktatur durchschaut und konnten sich den Versuchungen eines besseren Lebens durch Denuzierung widersetzen. Sie haben ihre Freunde, Nachbarn, Familienangehörige nicht denunziert, sie waren nicht an all den Verbrechen der Stasi und der SED beteiligt. Also vom Standpunkt unserer Rechtsinstitutionen und unserem demokratischen moralischen Urteilsmaßstäben, dürften die IMS sich als Vorbestrafte fühlen und das solange sie leben. Denn Mord verjährt nach unserem BGB nicht.
Mit kameradschaftlichem Gruß
Klaus Dörfert
26. Mai 2014 um 19:03
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
„Warum wurde …nicht veröffentlicht?“ Sie geben selbst die Antwort. Wer so ungeniert die kommunistische Propaganda übernimmt und im Zusammenhang mit dem ersten Volksaufstand im Nachkriegseuropa in blinder Übernahme kommunistischer AgitProp von „Terror“ und „Faschismus“ spricht, hat auf unserer Seite nichts zu suchen. Wir bekennen uns dazu, sachlich und informativ historische Vorgänge – auch kritisch – zu hinterfagen. Dabei steht die Achtung vor den Opfern der zweiten Diktatur im Vordergrund. Kritk also JA, aber einer Beleidigung der einstigen Kämpfer für Freiheit, Einheit und Menschenrechte wird auf diesen Seiten kein Platz eingeräumt.
Sie dürfen sich gerne auf den Ihnen genehmen Seiten, wie KPD, mfs-insider etc. artikulieren. Ihre demokratischen Rechte werden also, im Gegensatz zu den Gepflogenheiten in der ersten und zweiten Diktatur, keineswegs beschnitten.