Berlin/Jüdenberg, 22.05.2014/cw – Mit Bestürzung hat die Vereinigung 17. Juni 1953 in Berlin den Tod ihres Mitgliedes Dr. Walter Schöbe zur Kenntnis genommen. Der einstige „Kämpfer für die Einheit und Freiheit Deutschlands“ starb am 17.05.2014. Zwei Monate zuvor, am 18.März, hatte er noch seinen 85. Geburtstag begehen können.
Die Vereinigung trauert um den „Nestor der einstigen und noch lebenden Teilnehmer des ersten Volksaufstandes im Nachkriegseuropa. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Ursula, die selbst im DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck Verfolgung, Verurteilung und folgender Haft geteilt und mitgetragen hat.

Walter Schöbe im Gespräch mit dem vorher. Innenminister Hans-Peter Friedrich 2011 auf dem Friedhof Seestraße –
Foto: RGG
Der am 18. März 1929 als Sohn eines Landwirtes bei Halle studierte zunächst Tiermedizin in Leipzig und später Humanmedizin in Tübingen. Bereits seit ihrer Gründung 1948 unterstützte er aktiv die von Rainer Hildebrandt gegründete Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) und wirkte folgerichtig am Volksaufstand in Leipzig mit. Schöbe wurde mit seiner Frau verhaftet und zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Sieben Jahre mußte er davon verbüßen.
In unzähligen Interviews, zuletzt 2013 für die Gedenkbibliothek
http://gedenkbibliothek.de/download/Walter_Sch_be_Zeitzeugeninterview_zum_17._Juni_1953.pdf schilderte Schöbe seine Motive. Nach den Grauen der NS-Diktatur habe er sich verpflichtet gefühlt, gegen die neuerliche Diktatur aufzustehen. Man habe den Menschen in der NS-Zeit immer vorgeworfen, dass sie dem Unrecht gegenüber geschwiegen hätten. Das sollte sich nicht wiederholen. Für ihn, Schöbe, seien die Vorbilder Graf Schenk von Stauffenberg, die Geschwister Scholl und all die anderen mutigen Widerständler aus dieser Zeit Motivation und Auftrag gewesen. Schöbe weigerte sich zeitlebens, von der „DDR“ zu sprechen. Für ihn blieb dieses geschichtliche Konstrukt immer die „Sowjetisch besetzte Zone,“ weil den Menschen in dieser Besatzungszone „konsequent und unter Anwendung brutalster Gewalt bis zum Ende die Selbstbestimmung und die Ausübung der Menschenrechte verweigert wurden.“

Auf einer Veranstaltung der AG 13.August auf dem jetzigen „Platz des Volksaufstandes von 1953“ vor dem BFM mit den zwztl. ebenfalls verstorbenen Kameraden Werner Herbig, Herbert Buley, Walter Schöbe (1.Reihe v.li). Foto: LyrAg
Der Hass der „Ewiggestrigen“ galt bis zuletzt besonders Walter Schöbe. Auf der Seite „mfs-insider“ sind bis heute diese Tiraden nachzulesen. Nicht zuletzt aus diesem Grund befürchtete Schöbe bis zuletzt „den langen Arm“ seiner lebenslangen Gegner und verhinderte daher, soweit es in seiner Macht stand, die Veröffentlichung aktueller Fotos. Den Eindruck eines permanent Getriebenen wies er dennoch zurück: „Mich treibt einzig der Wille zur Verteidigung der Freiheit. Und da diese Freiheit nach wie vor ihre unbelehrbaren Feinde hat, gilt es, vorsichtig zu sein und diesen keine Gelegenheit einzuräumen, ihr schmutziges Handwerk im Nachhinein doch noch zu vollenden.“
Der Verstorbene hielt sich dennoch weitgehendst im Hintergrund und fern von den von ihm stets bedauerten Auseinandersetzungen in der Szene der Verfolgtenverbände. Dagegen blieb er stets ansprechbar, wenn es um die finanzielle Unterstützung von ideellen Vorhaben ging, um die „herausragende Geschichte des Widerstandes“ nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Viele Gruppierungen und Verbände verdanken ihm so die punktuelle Unterstützung, wie zum Beispiel die Übernahme der Unkosten für die Demo der Verfolgtenverbände gegen die Ministerrente 2007 vor dem Bundesrat, die die Vereinigung 17. Juni vorbereitet hatte.

Historischer Zufall: Am späteren „Tag der Deutschen Einheit“, 3.10.1953, Bericht über Urteil gegen Schöbe u.a.
Sein großer Wunsch, auf dem Leipziger Platz ein Denkmal an den Volksaufstand in Form eines „unbehauenen Felsblocks“ stiften zu können, scheiterte zu Lebzeiten an den bürokratischen Vorbehalten der Verwaltungen.
Es wäre zu wünschen, diesem aufrechten Freiheitskämpfer und überzeugten Demokraten auf eben diesem Leipziger Platz ein würdiges Denkmal zu widmen.
Die Urnenbeisetzung findet auf ausdrücklichen Wunsch der Familie in deren Familiengrab in Sachsen-Anhalt statt.
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17.Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030 -30207785
4 Kommentare
22. Mai 2014 um 18:35
Frank Hiob
Ich möchte mich tief beeindruckt und unkommentiert den Beileidsbekundungen anschließen. Ich hoffe, das solche Menschen nie vergessen werden.
mkG Frank Hiob
22. Mai 2014 um 13:42
Weber
Danke für den Geschichtsunterricht.
„bereits seit ihrer Gründung 1948 unterstützte er aktiv die von Rainer Hildebrandt gegründete Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) und wirkte folgerichtig am Volksaufstand in Leipzig mit.“
…
Als sich die DDR zu einem hermetisch abgeriegelten Überwachungsstaat entwickelte, wurde dies mit aus unseren Tagen vertrauten Argumenten begründet: Gefahr von Terrorismus. … Gründer der … Vereinigung war der Jurastudent Ernst Benda, der es später zum westdeutschen Innenminister sowie Präsident des Bundesverfassungsgerichts und des Evangelischen Kirchentags brachte.“
„…verdecktes Instrument der CIC war die patriotische Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), deren Aufbau die Alliierte Kommandantur 1949 genehmigte. Als Lizenzträger fungierten der bereits im subversiven Widerstand gegen Hitler erfahrene Schriftsteller Rainer Hildebrandt, der damalige FDP-Stadtverordnete Herbert Geisler sowie CDU-Mitglied Ernst Benda (1925-2009).“
…
Meine Freunde in Bayern werden sich wundern über die Geschichtsschreibung zum 17. Juni 1953
26. Mai 2014 um 09:36
Weber
Diese Internetseite ist eine „Goldgrube“ für die Aufarbeitung des 17. Juni 53. Durch das Weglassen der …aktionen dieser KgU in meinem o.a. Beitrag, ist der Beweis erbracht, dass wir in der Alt-BRD von Politikern aber im Geschichtsunterricht, was die Geschichte des 17. Juni angeht, … belogen wurden. Sicher werden meine Freunde, dieses Weglassen der …aktionen dieser KgU ebenso werten. Warum wurde der link auf das Video des WDR „Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit – Eine …truppe in der DDR“ aus meinen o.a. Beitrag nicht veröffentlicht?
Im oben zitierten Artikel des Neuen Deutschland vom 3.10.1953 steht auch noch:
„Dem angeklagten Studenten Walter Schöbe wurde am 9. Mai bei einem Besuch in Westberlin von … Thal angekündigt, daß sich in der Deutschen Demokratischen Republik „bald einiges ereignen würde“. Die Sache würde in Berlin beginnen und dann auf die gesamte DDR ausgedehnt werden. Schöbe war als Leiter der … Untergrundorganisation im Bezirk Leipzig vorgesehen. Er sollte an einer Agentenschule in Westberlin teilnehmen. Deshalb erhielt er von Thal den Auftrag, sich an den Aktionen des … Putschversuches nicht zu beteiligen, jedoch alles aufmerksam zu beobachten und sofort nach Westberlin zu berichten.“
22. Mai 2014 um 12:18
Manfred Springer
Einen ganz großen Dank für die Information und dem Zeitzeugenbericht, sagt Manfred Springer Ich werde diesen Bericht maximal weiterleiten!