Freie Stimme – Freie Welt
Hohenecker Bote
Nr.027 15. März 2014
Exclusiv-Interview zur Leipziger Buchmesse mit Brigitte Fleissner-Mikorey und Ellen Thiemann
Köln, 12.03.2014/cw-st – Als Knaller vor der Leipziger Buchmesse empfinden Beobachter den jüngsten Entscheid der 10. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe. Diese urteilte am 31.01.2014 gegen die bekannte ehemalige Hoheneckerin Ellen Thiemann (lt. Pressestelle Az.:10 O 407/13) und den Verlag HERBIG in München. Auf Antrag von Dagmar G., die 1977 für ca. 5 Monate in Hoheneck inhaftiert war, wurden Thiemann und dem Verlag untersagt, im letzten Buch der Autorin „Wo sind die Toten von Hoheneck?“ den Beitrag „Dagmar Janetzky: Erst Psychopillen, dann in Gitterkäfig gesperrt“, Seiten 210 – 214, (weiter) „zu veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.“
Insider sind überrascht und irritiert. Seit Jahrzehnten arbeitet Thiemann an der öffentlichkeitswirksamen Aufarbeitung der Geschehnisse in Hoheneck, dem einstigen DDR-Frauenzuchthaus im Erzgebirge. Zunächst als Ressortleiterin im Kölner Express in vielen Reportagen und Serien, dann in mehreren Büchern. Zuletzt im Frühjahr 2013 unter dem Titel: „Wo sind die Toten von Hoheneck?“. In dem Buch schildert Thiemann weitere Schicksale von Frauen, die aus politischen Gründen in Hoheneck inhaftiert waren oder dort ums Leben kamen. Auch der Verlag räumt in seinem Programm dem Thema Aufarbeitung breiten Raum ein.
Der Hohenecker Bote sprach exclusiv mit der Verlegerin Brigitte Fleissner-Mikorey und der Autorin Ellen Thiemann über das Karlsruher Urteil. Das vollständige Interview erscheint als Beilage zu dieser HB-Ausgabe und kann unter dem LINK
https://17juni1953.wordpress.com/2014/03/15/ellen-thiemann-gericht-verbietet-buch-auslieferung/
aufgerufen werden.
Brigitte Fleissner-Mikorey kündigte in dem Gespräch an, dass der Verlag „Das Buch … in Kürze in einer geänderten Auflage neu“ herausbringen und „auch auf diese merkwürdigen Vorkommnisse Bezug nehmen wird.“
Ellen Thiemann hat keinerlei Verständnis für die Person, „die mich über acht Monate lang buchstäblich ausgenutzt hat.“ Der Prozess sei „für die überlebenden und toten Opfer von Hoheneck … darüber hinaus eine unerhörte Zumutung und Kränkung“.
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Prozess um Verein ehem. Hoheneckerinnen verschleppt?
Stollberg/Berlin/Darmstadt, 15.03.2014/cw – Der für den 31. März bereits angesetzte Termin vor dem Amtsgericht Darmstadt wird voraussichtlich erneut verschoben. Grund: Obwohl die Auseinandersetzungen um den Verein bereits seit 2012 andauern und einige ehemalige Hoheneckerinnen bereits vor Monaten Klage gegen die vom amtierenden Vorstand betriebene Auflösung des Vereins eingereicht hatten, hat das AG Darmstadt zwei Wochen vor dem Termin jetzt die Zuständigkeit des Gerichtes angezweifelt. Der Sitz des Vereins wäre seit seiner Gründung Lützelbach, daher sei für das Verfahren um den Verein das Amtsgericht Michelstadt zuständig. Eine Verweisung nach Darmstadt wäre zwar möglich, dieser Verweisung hat aber bereits der amtierende Vereinsvorstand als Beklagte widersprochen und neuerdings eine Verhandlung in Michelstadt beantragt.
Für die Klägerinnen erklärte sich die Sprecherin Regina Labahn empört: „Wenn dem Verein an einer schnellstmöglichen Klärung der strittigen Punkte gelegen wäre, hätte er der angesetzten Verhandlung zugestimmt. So aber kommt bei uns der schale Beigeschmack der Prozessverschleppung auf. Das können wir so nicht akzeptieren.“
Tatsächlich ist der Verein durch die ungelösten Rechtsstreitigkeiten gelähmt und kann seiner satzungsgemäßen Arbeit derzeit nicht nachkommen. Vermutlich, so Labahns Befürchtung, sei dies auch gar nicht beabsichtigt, da der jetzige Vorstand bereits die Auflösung beim Registergericht in Darmstadt beantragt habe und bereits vermutlich mit der Verteilung des Vereinsvermögens befasst sei.
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VOS entscheidet über Schicksal des Vereins
Berlin/Friedrichroda, 15.März 2014/cw – Heftige Auseinandersetzungen werden auf der nächsten Generalversammlung der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) in Friedrichroda/Thüringen erwartet. Zahlreiche Teilnehmer der ca. 60 Delegierten aus den Bezirks- und Landesverbänden des ältesten Opferverbandes befürchten eine mögliche Insolvenz oder erwarten im Gegensatz einen „notwendigen Neubeginn.“
Vom 12. – 13. April 2014 beraten die einstigen Verfolgten des Kommunismus über den Rechenschaftsbericht des bisherigen Vorstandes und die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen. Außerdem soll für die nächsten zwei Jahre ein neuer Vorstand gewählt werden. Als Kandidat für den Bundesvorsitz ist unter anderem der amtierende Vorsitzende des Dachverbandes UOKG Rainer Wagner (CDU) im Gespräch, der eigens eine länger geplante Reise mit Rücksicht auf das Treffen abgesagt hat.
Auch die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld wird dem Vernehmen nach von einigen Delegierten favorisiert. Deren Teilnahme stand aber bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete (CDU) war im Sommer letzten Jahres zur Vorsitzenden des VOS-Landesverbandes Berlin gewählt, aber vom Bundesverband nicht anerkannt worden. Laut Hugo Diederich (CDU), dem derzeitigen Bundesvorsitzenden der VOS, existiert „kein Landesverband Berlin.“ Diederich selbst hat daher die kommissarische Leitung für Berlin bis zu den angesetzten Neuwahlen am 20. März in der VOS-Zentrale übernommen.
Die VOS steht seit vielen Jahren im Kreuzfeuer, konnte aber trotzdem ihre Position innerhalb der nahezu 50 Opferverbände verteidigen. Im letzten Jahr allerdings geriet der Verein durch Forderungen der Sozialversicherung in ernsthafte Bedrängnis, die über 104.000 Euro an säumigen Zahlungen einforderte. Zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen den Verein, amtierende und vormalige Vorstände beschäftigen seither die Mitglieder. Als Hauptverantwortlicher für diese offenbare Misere wird vielfach der jetzige Bundesvorsitzende gesehen, der über viele Jahre als stv. Bundesvorsitzender auch Geschäftsführer und Schatzmeister in einer Person war. Das „System Hugo“ wurde im Verband zum geflügelten Wort. Vielfältige Versuche, den Verband wieder auf vereinsrechtliche Grundlagen zu stellen, scheiterten nicht zuletzt an der Dominanz des nunmehr einsam gewordenen jetzigen Bundesvorsitzenden. Dieser weist hingegen alle Vorwürfe als böswillige Verleumdungen zurück und soll die Absicht haben, in Friedrichroda erneut für das Amt des Bundesvorsitzenden anzutreten.
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UOKG: Rätsel um Unterschlagungsvorwürfe
Berlin, 15.03.2014/cw – Auf dem letzten Verbändertreffen der UOKG Anfang März in Berlin spielten die im Umlauf befindlichen Vorwürfe gegen eine ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Geschäftstelle offenbar keine große Rolle. Der Vorsitzende Rainer Wagner betonte lediglich, dass es sich bei der in Rede stehenden Mitarbeiterin um eine engagierte Person handele, die verschiedentlich unerfahren sei, daher träfen die Vorwürfe nicht zu. Die Mitarbeiterin genieße nach wie vor sein Vertrauen. Warum der Verband die betreffende Mitarbeiterin nach dem Aufkommen der Vorwürfe, es sollen u.a. Spendengelder unterschlagen worden sein, von seiner Homepage gelöscht hat, erklärte Wagner nicht. Ebenso kommentierte er nicht Informationen, nach denen diese Mitarbeiterin inzwischen dem religiösen Umfeld des Predigers sehr nahe gekommen sein soll.
Die Mitarbeiterin hat in der Sache inzwischen einen Rechtsanwalt beauftragt, der sie gegen „ungerechtfertigte Vorwürfe“ vertreten soll. Der Rechtsanwalt vertritt auch den umstrittenen ehemaligen stv. Bundesvorsitzenden und Pressesprecher der VOS, Ronald Lässig.
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17. Juni 1953: Schüler in Oberhausen gewinnen Bundeswettbewerb
Oberhausen, 15.03.2014/cw – Im Bundeswettbewerb „Was wissen Sie über den 17. Juni 1953?“ gewannen die Schüler der Klasse 9 b des Elsa-Brandström- Gymnasiums den 1. Preis.
Mit der Auszeichnung ist eine einwöchige Reise nach Berlin und sogar ein Empfang durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel verbunden. Die Schüler recherchierten Ereignisse um den Volksaufstand und ergründeten deren Ursachen. Zu der umfangreichen Arbeit gehörte die Analyse der zeitgenössischen Berichte in den damaligen Medien in Ost und West wie aktuelle Umfragen in der City.
Das Gespräch mit einem ehemaligen DDR-Häftling, der aus politischen Gründen verfolgt wurde und viele Jahre im Gefängnis gesessen hatte und die Diskussion mit einem Historiker der Universität Bochum wurden mit den anderen Forschungsergebnissen in ein fiktives Schulbuch zum Thema und eine selbst erstellte Radio-Sendung eingearbeitet.
Der Schülerwettbewerb zur politischen Bildung wird seit über 40 Jahren von der Bundeszentrale für politische Bildung durchgeführt und steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.
Siehe auch: http://www.bpb.de/lernen/schuelerwettbewerb/
Hinweis: Die bisherigen Ausgaben des Hohenecker Boten können unter www.17juni1953.de abgerufen oder direkt bei der Redaktion gegen Kostenbeitrag bestellt werden. Die Vereinigung hat der Redaktion Gastrecht auf der Homepage eingeräumt. V.i.S.d.P.: Redaktion “Hohenecker Bote”, Tel.: 030-30207785 © 2014
6 Kommentare
26. März 2014 um 11:57
Frank Auer
Zwei Wochen vor dem nächsten Gerichtstermin wird die Zuständigkeit des Gerichts angezweifelt. Da entsteht wirklich der Eindruck auf Prozessverschleppung! Es scheint, als ob es Personen gibt, die an einem Neuanfang des Frauenkreises nicht interessiert sind. Dies ist mehr als traurig! Die Querelen ziehen sich schon fast zwei Jahre hin. Die sehr erfolgreiche damalige Vorsitzende Inge Naumann wurde unter unerklärlichen Gründen im Mai 2012 abgewählt. Zu einem Zeitpunkt, da das Schicksal der zu Unrecht Inhaftierten Frauen im Zuchthaus Hoheneck an die Öffentlichkeit geraten ist. Im Anschluss sind mehrere Versuche gestartet wurden, gegen das fragwürdige Wahlergebnis vorzugehen. Doch alle ohne Erfolg. Auf der Mitgliederversammlung im Jahre 2013 hat dann eine Gruppe um Goßler, Schönherz etc. die Auflösung des Vereins beschlossen! Diese Querelen schaden allen, die sich aufopferungsvoll und ehrenamtlich gegen das Vergessen der Verbrechen im Zuchthaus Hoheneck einsetzen. Die damalige Vorsitzende, Zeitzeugenreferentin und pol. Inhaftierte Inge Naumann hat es geschafft, dass die Öffentlichkeit auf das schreckliche Kapitel dt. Geschichte aufmerksam geworden ist. Durch den Besuch des Ex-Bundespräsidenten Wulff und die Ausstrahlung div. Filme („Wir sind das Volk“, „Es ist nicht vorbei“) hat die Öffentlichkeit Anteil am Schicksal von Millionen zu Unrecht Inhaftierter nehmen können. Die erfolgreiche Buchautorin, Journalistin, Zeitzeugenreferentin und pol. Inhaftierte Ellen Thiemann klärt nun schon seit ca. 40 Jahren ehrenamtlich gegen die zweite dt. Diktatur auf. Selbst gesundheitliche Probleme hindert sie und viele andere Frauen nicht daran, weiter zu recherchieren und aufzuklären.
Wenn es nicht gelingt, den Verein wieder ins Leben zu rufen und einen Neustart zu beginnen, wird dieses Schicksal eines Tages ganz in Vergessenheit geraten. Dies darf und kann eigentlich nicht das Ziel sein. Dies müssen selbst Frauen wie Goßler, Schönherz etc. einsehen. Dieser Verein muss eine zweite Chance bekommen! Denn ein endgültiges Aus des Vereins ist ein später Sieg der Linkspartei. Nach dem Motto: „Die Opfer zerstreiten sich selbst und über unsere Verbrechen redet bald niemand mehr“. Nein, dieser Sieg darf und kann man der Linkspartei und alten Seilschaften nicht gönnen!
17. März 2014 um 11:02
HR
Auch wenn Frau Janetzki ihre Entscheidung zurücknehmen und ihre „Geschichte“ nicht mehr in dem Buch sehen wollte, muß es doch eine gerechte gerichtliche Entscheidung geben, die die aufwendigen und intensiven Recherchen von Frau Thiemann berücksichtigt. Das gibt einem sehr zu denken! Ich schließe mich der Aussage von Frau Quadflieg total an.
16. März 2014 um 18:54
Michael Schütt, Berlin
Ich sehe das genauso.
Hier wird jahrelange Arbeit von Frau Thiemann, jahrelange, mühevolle Recherche zunichte gemacht.
Möglicherweise hat die Klägerin psychisch unter den Spätfolgen der Haft zu leiden und versteht vieles nicht mehr – aber warum spricht das Gericht ihr hier Recht zu?
Ich kann das alles nicht verstehen………
Eigentlich sollten ja Leidtragende – gerade ehemalige Inhaftierte – zusammenhalten und sich nicht bekämpfen.
Ich mag die Bücher von Ellen Thiemann jedenfalls sehr und schätze ihre Arbeit und dass sie sich durch so etwas nicht unter kriegen lässt.
16. März 2014 um 13:59
Klaus Dörfert
Ich kann die Berichte von Ellen Thiemann nur bestätigen,da dass Muster in sämtlichen Strafanstalten der DDR gleich war.Es gab Medikamente, Spritzen, danach Verlegungen und Transporte die ins Jenseits führten. Liebe KameradenINNEN, sie sind unter uns: Die Mörder – in weißen Kitteln und in schwarzen Roben.
18. März 2014 um 18:16
Stefan Köhler
Die Machenschaften derer in den weißen Kitteln waren die „legal geforderten Verbrechen“. Doch das Untermischen von Psychopharmaka in dafür geeigneten Speisen und Getränken gehörte zu den illegalen Verbrechen, die aber üblich waren und weltweit noch immer sind.
Doch über Verbrechen jeglicher Systeme und Regimes spricht und schreibt man nichts, man weiß es und hat gefälligst zu schweigen. Man kann ja nie wissen, wann und warum man sich selbst solcher Verbrechen aus „guten Gründen“ bedienen muss, denn der Zweck heiligt alle Mittel (, wenn der Wolf Kreide gefressen hat, weil er die sieben Geißlein fressen möchte).
16. März 2014 um 11:27
Roswitha Quadflieg, Berlin
Wer Ellen Thiemanns Bücher kennt und um ihre Integrität im Umgang mit Schicksalen von Opfern der DDR Diktatur weiß, wird stutzig bei einem solchen Urteil. Dass gekränkter Eitelkeit – gekränkt, aus welchem Grund auch immer – via Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, Handwerk und Person einer seriösen Journalistin anzuprangern und in den Dreck zu ziehen, ist ein Skandal. Und irgendwie schleicht sich die Frage ein, ob Gerichte beeinflussbar sind. Und wenn das tatsächlich der Fall wäre, täte sich ein Abgrund auf, vor dem niemand mehr sicher wäre.