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Berlin, 4.03.2014/cw – Adam L. fühlt sich nach wie vor verfolgt. Seit seiner Verurteilung in  der DDR am 26.April 1983 wegen „mehrfacher ungesetzlicher Wareneinfuhr im schweren Fall (Verbrechen gemäß § 12, Abs.1, Ziff.1, Abs.2, Ziff.1, 4 des Zollgesetzes) in Tateinheit mit mehrfachem ungenehmigtem Devisenwertumlauf im schweren Fall (Verbrechen  gemäß § 17, Abs.1 Ziff.2, Abs.1, Ziff.2 Abs.2, Ziff. 1, 2, 3 des Devisengesetzes, §§ 63, 64 StGB)“ und seiner endlichen Abschiebung in den Westen kämpft der gebürtige Jugoslawe gegen das von ihm so empfundene Unrecht, bisher mit mäßigem Erfolg. Allerdings wurde die Verurteilung lt. Schreiben des Generalbundesanwaltes vom 22.04.1992 wegen „offensichtlicher Rechtsstaatswidrigkeit“ nicht in das Bundeszentralregister übernommen.

Andere hätten oder haben längst aufgegeben, das ist nicht Adams Sache. Seit dem Fall der Mauer und der dadurch gegebenen Möglichkeit, Licht in die Hintergründe seiner strafrechtlichen, als Unrecht empfundenen Verfolgung zu bringen, nutzt er jede sich bietende Gelegenheit, damalige von ihm als Verbrecher empfundene Kader aufzuspüren und diese ihrer „gerechten Strafe“ zuzuführen. Zu Adams Maßnahmen gehören ganze Bände füllende Schreiben an die Justiz, einschließlich Ministerium, Generalbundesanwalt und Bundesverfassungsgericht. Vor letzterem scheiterte er mit einer Verfassungsbeschwerde am 21.01.2013 (2 BvR 1338/12).

Der Zorn mag sich wohl weniger gegen das als Unrecht empfundene DDR-Urteil richten als gegen die in der Haft erstaunlich häufig angeordneten Zwangsmaßnahmen, wie die „Fesselung an Händen u. Füßen zum Schutz der eigenen Person“, wie es in einer der Anordnungen eines Oberleutnants Wilk des Strafvollzuges nach angeblichen Suizidabsichten hieß. Auch eine offenbar missglückte Operation stachelte Adam L. an, seinen  Weg der Gerechtigkeit hartnäckig zu verfolgen. Auch das Ergebnis der OP war nach seiner Meinung eine von langer Hand geplante Foltermaßnahme des MfS.

Auf dem seitherigen langen Weg zur „Gerechtigkeit für Folteropfer“ veröffentlichte Adam L. auch eine Liste, aus der nahezu alle hauptamtlichen Beschäftigten der gehassten Stasi vermerkt sind. Nach entsprechenden Urteilen sah sich Adam L. berechtigt, nicht nur diese Liste zu veröffentlichen, sondern auch einen  Helge B. namentlich zu benennen und damit anzuprangern. Helge B. wehrt sich dagegen und gibt zu seiner Entlastung an, lediglich eine dreijährige Dienstzeit im Stasi-Wachregiment “F.Dziersynski“ absolviert zu haben.

Am 13.03.2014 um 11:00 Uhr wird das Landgericht Berlin i.S. „B. ./. L.“ verhandeln (Tegeler Weg 17-21, 10589  Berlin, Altbau I/143). Vom offenbaren persönlichen Kampf des Adam L. gegen die „Täter von Gestern“ abgesehen erwarten Opfer der Zweiten Diktatur im Ergebnis des Verfahrens eine weitere Grundsatzentscheidung zu dem Recht von SED-Stasi-Opfern, Angehörige des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit als „Täter“ namentlich und unter Angabe ihrer einstigen  DDR-Personenkennziffer öffentlich zu machen. Ob auch Angehörige des einstigen Wachregimentes ohne Nachweis einer konkreten  Täterschaft in diesem Zusammenhang benannt werden dürfen, ist selbst unter Opfern durchaus umstritten.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 

Berlin, 3.03.2014/cw –  In der wichtigen und überaus erfolgreich gestarteten Ausstellung „DER DUNKLE ORT“ über die Schicksale der Frauen von Hoheneck, gefördert durch die Heinrich-Böll-Stiftung und die Bundesstiftung Aufarbeitung wurden nach dem Buch von Dirk von Nayhauß und Maggie Riepl (bebra-verlag, Berlin, 2012) diverse Schicksale der Frauen von Hoheneck vorgestellt. Eine beeindruckende Sammlung ausgewählter Daten und Fakten über das einstige Frauenzuchthaus der DDR. Wenige Wochen später wurden erste Informationen über offenbare Unrichtigkeiten in dem veröffentlichten Buch und damit der Ausstellung bekannt. Eine der Frauen hatte wohl zu tief in die Kiste erfundener Geschichten gegriffen und dabei als aktive Funktionärin diverser Organisationen den Überblick verloren. So stand in einem Buch der Bundespräsidenten-Beraterin Helga Hirsch („Endlich wieder Leben“, Siedler, München, 2012) etwas anderes, als im DUNKLEN ORT. Und dem Bundespräsidenten Christian Wulff erzählte die einstige Hoheneckerin wieder andere Versionen bei seinem Besuch in Hoheneck.

Irritationen: "Dafür kam ich in die Wasserzelle... (S.40), die kannte ich schon aus der U-Haft." Wasserzelle im  Krankenhaus? Folter für "gute Führung" und angepasstes Verhalten?

Irritationen: „Dafür kam ich in die Wasserzelle… (S.40), die kannte ich schon aus der U-Haft.“
Wasserzelle im Krankenhaus? Folter für „gute Führung“ und angepasstes Verhalten?

Mal war die ein  Jahr in  Hoheneck einsitzende Anita G. in Wasserzellen in Leipzig und in Hoheneck, dann nur in Leipzig (Nicht in Hoheneck, Herr Präsident!), mal will sie von einer Waffe ihres Verlobten gewusst haben, dann  wieder nicht. Mal grämte sie sich um ihren Verlobten, der in Bautzen verstorben und seine Urne an der Ostsee begraben worden war, mal will sie sich nach dem Prozess von ihm getrennt haben und wollte nichts mehr von dem Vater dreier Kinder wissen. Mal wurde sie im Haftkrankenhaus Meusdorf bei und nach der Geburt ihres Kindes geschunden, dann wieder war in  Meusdorf eine beispielhafte Versorgung der Kinder gewährleistet. Die meisten der in  dem Buch und der Ausstellung portraitierten Frauen distanzierten sich von  ihrer einstigen Haftkameradin und forderten den Verlag zu Korrekturen auf, weil sie durch die Verbreitung von Lügen Schaden für ihr Image befürchteten. Bisher trotz mehrfacher Interventionen vergeblich.

Mauern, Gitter, Stacheldraht

Nun stellt auch der Dachverband der Opferverbände (UOKG) zum 25. Jahrestag des Mauerfalls eine Wanderausstellung vor. Unter dem Namen „Mauern, Gitter, Stacheldraht“ werden  13 Schicksale aus den Haftanstalten der DDR vorgestellt. Auch die IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) wird als gehasstes Zielobjekt des MfS aufgeführt. Die Stiftung Aufarbeitung finanziert das Projekt. So weit, so gut. Oder nicht?

Die Ausstellungsmacher bilden ausgerechnet als Vertreterin der Frauen von Hoheneck jene Anita G. und deren Schicksal ab, gegen deren Unwahrheiten zahlreiche Frauen von Hoheneck vehement protestiert hatten. Anita G. war im  Gefolge dieser Kritik sogar 2013 vom Vorsitz des Vereins „Frauenkreis der ehem. Hohndeckerinnen“ zurückgetreten. Ihre Funktion im Vorstand der UOKG behielt sie allerdings bis heute. Vielleicht war das auch ein Grund für ihre Berücksichtigung?

Umstrittene Präsentation von Hoheneck: Anita G. - Ausstellungs-Tafel:   © UOKG

Umstrittene Präsentation
von Hoheneck: Anita G. –
Ausstellungs-Tafel: © UOKG

Die gen. Frauen von Hoheneck empört vor allem, dass sich nun auch die UOKG neben der Stiftung Aufarbeitung über die berechtigte Kritik hinwegsetzt und Anita G. als Vertreterin der Frauen  von  Hoheneck trotz der auch der UOKG bekannten Kritik in einer neuerlichen Ausstellung präsentiert. Damit werde die Aufarbeitung über die zweite deutsche Diktatur nachhaltig diskreditiert und in ihrer Glaubwürdigkeit schwer geschädigt. Der Vorwurf: Zumindest hätte man erwarten können, dass die UOKG angesichts der Vorwürfe die Darstellungen in den Texten der Ausstellung einer besonders sorgfältigen Prüfung unterzogen hätte, erklärten betroffene Frauen in Telefonaten mit der Redaktion.

Start mit einer vermeidbaren  Hypothek

In der UOKG-Ausstellung wird u.a. erneut verbreitet, Anita G. hätte in Leipzig in einer Wasserzelle gesessen, obwohl   a)  es bisher keinen Nachweis für die Existenz einer solchen Zelle in Leipzig gibt und b) Anita G. laut Archiv-Unterlagen in Delitzsch durch die Kripo vernommen und inhaftiert worden war. Durch die Verbringung in Haftkrankenhäuser nach Abschluss der Ermittlungen im März 1953 war sie nach den vorliegenden Unterlagen nur zur Durchführung des Prozesses in Leipzig.

Auch die weiteren Angaben zum angeblich verhinderten  Abitur (nach ausgewiesenen acht Jahren Schulbesuch) und verweigertem Studium stimmen mit den Archiv-Erkenntnissen, die der Redaktion vorliegen, nicht überein. Die Darstellung, sie habe sich „nicht am sozialistischen System“ beteiligen  wollen, lassen sich ebenfalls nicht mit den Archiv-Dokumenten belegen, nach denen Anita G. bei der Reichsbahn  sogar „Betriebs-Gewerkschaftsleitungs (BGL)- Vorsitzende“  war und in  diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Schulung erfahren habe. So schrecklich die Erfahrungen in der DDR-Haft und hier besonders in Hoheneck waren: Aus den Berichten der Anstaltsleitung geht eine angepasste, um die Wiedergutmachung bemühte Strafgefangene hervor, die sich dem Aufbau des sozialistischen Staates widmen wolle und regelmäßig das NEUE DEUTSCHLAND und die JUNGE WELT lese. Sperrte man derartig positiv bewertete Gefangene in den Arrest oder gar in die (in Hoheneck tatsächlich vorhandene) Wasserzelle („Der Dunkle Ort“)?

"Verbreitung tendenziöser Gerüchte?" - Erklärungsbedürftiger Fund in den Gerichtsakten von 1953 - Archiv Leipzig

„Verbreitung tendenziöser Gerüchte?“ – Erklärungsbedürftiger Fund in den Gerichtsakten von 1953 – Archiv Leipzig

Auch die vierseitige  Werbung über die Verwendung des  Hakenkreuzes auf Fähnchen, Bannern und Girlanden in den Prozessunterlagen wäre ebenso hinterfragungsbedürftig gewesen, wie die verbreitete Mär über den Tod ihres Verlobten in einem Zuchthaus, in dem der nie einsaß. Die „Odyssee durch mehrere Haftorte“ (UOKG-Ausstellung) fand nicht nach Hoheneck sondern, immerhin erstmals eingeräumt, vor der Verbringung nach Hoheneck statt (Altenburg und Görlitz).

Angesichts dieser Präsentation eines Vorstandsmitgliedes, dass es nachweislich und nach wie vor mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, startet die UOKG-Ausstellung mit einer vermeidbaren Hypothek. Schade um  einen sicherlich gut gemeinten Beitrag zum Jubiläumsjahr des Mauerfalls.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin,  Tel.: 030-30207785

 

 

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