Potsdam, 25.02.2014/cw – Am Mittwoch vergangener Woche fanden sich im Evangelischen Gymnasium in Potsdam, Hermannswerder 18, immerhin rund einhundert Interessenten ein, um den Film von Freya Klier über den 17. Juni 1953 zu sehen. Das war insofern erstaunlich, als der 60. Jahrestag des Volksaufstandes bereits ein gutes halbes Jahr vorüber war, der Film „Wir wollen freie Menschen sein“ mit Erfolg bereits im RTL gezeigt wurde und das Thema gemeinhin (leider) die Bevölkerung nicht mehr von den Stühlen reißt. Außerdem hatte Klier, einst mutige Bürgerrechtlerin in der siechenden DDR, ihren bemerkenswerte Film bereits auf diversen Veranstaltungen vorgeführt.
Mit diesem Film gelang Klier allerdings ein sehr menschliches, persönliches und lebendiges Zeugnis für einen großen Aufstand in einem noch immer nicht gerade als rebellisch zu bezeichnenden Land, auch wenn sich die Erhebung im kleineren, abgetrennten Deutschland abspielte. Die Faszination des Films macht der Abstand zu den üblichen Klischees aus. Nicht die Panzer oder das Brandenburger Tor standen im Mittelpunkt, sondern das Schicksal zweier Jungen, die mehr oder weniger zufällig in das Geschehen am 17. Juni 1953 hineingerieten. Der 15-jährige Paul Ochsenbauer bezahlte diesen Zufall mit seinem Leben…
Freya Klier beschränkte sich wesentlich auf die Ereignisse „in der Provinzhauptstadt Leipzig“, weil der Aufstand „immer nur mit Ost-Berlin in Verbindung gebracht“ wird, wie die Regisseurin nach der Filmvorführung erläuterte. Dabei hatte der Aufstand „die gesamte DDR erfasst.“ Mit ihrem Film wolle sie auch eine Hommage für die Hundertausenden schaffen, die mit ihrem Mut „Beispielloses für die Demokratie und unsere Freiheit geschaffen“ hätten. Den Film empfinde sie auch als ein Stück Wiedergutmachung, denn lange Zeit, „zu lange“, habe sie der verbreiteten Mär vom faschistischen Putsch geglaubt, den Ereignissen nur aus dieser Sicht – wenn überhaupt – Bedeutung eingeräumt. Heute wisse sie um ihren Irrtum und wolle aus vollem Herzen und voller Überzeugung dazu betragen, das diesem Datum wieder die ihm zustehende Bedeutung zukomme.
Das anwesende Publikum in der fast vollständig gefüllten Aula erwies sich als überaus sachkundig. In der anschließenden Diskussion meldeten sich auch überraschend Zeitzeugen, die die Ereignisse aus Potsdamer Sicht („Hier war es sehr ruhig!“), aus Berliner Ost- wie West-Blick verfolgt hatten. Da kam es dann auch nicht auf die kleinen Ungenauigkeiten an, als Klier das Kreuz auf dem Kreuzberg (West-Berlin) als „authentisches Kreuz“ aus dem damaligen Geschehen bezeichnete. Tatsächlich hatten Aufständische wenige Tage nach dem Aufstand ein Holzkreuz durch die Bezirke nach Zehlendorf getragen und es symbolträchtig gegenüber dem auf dem Mittelstreifen stehenden sowjetischen Panzer aufgerichtet. (Der Panzer stand nach seiner 1955 erfolgten Entfernung bis zum Mauerfall weit sichtbar am Grenzübergang in Dreilinden.) Das Denkmal am Kleeblatt in Zehlendorf ist daher das einzige authentische, weil ursprüngliche Mahnmal an den 17. Juni in Deutschland.
Carl-Wolfgang Holzapfel von der Vereinigung 17. Juni dankte Klier „für die eindrucksvolle und berührende Personalisierung des sonst häufig sehr abstrakt dargestellten Aufstandes. Nur wenn wir Geschichte in Bezug zu den dahinter stehenden Schicksalen stellen, können wir nachfolgende Generationen dafür interessieren.“ Der Vereinssprecher merkte aber auch Kritik an. Es sei überfällig, neben dem Geschehen in der DDR auch endlich die Rolle der Westseite Deutschlands zu beleuchten. Hier werde „häufig Glanz verbreitet, der wenig der seinerzeitigen Wirklichkeit entsprechen“ würde. Es wäre wünschenswert, wenn sich Klier „mit der von ihr gewohnten Frische und Unvoreingenommenheit ebenfalls diesem Teil des Geschehens widmen würde.“
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
7 Kommentare
24. März 2014 um 15:09
Weber
Bin dem Rat des Antwortschreibers gefolgt und habe nach der Rolle des Westens zum 17. Juni 53 geforscht. Bin auch fündig geworden. Jetzt muss ich meine mir vermittelte Geschichte zum 17. Juni umschreiben. Egon Bahr hat mich auf einen neuen Weg geführt:
„Es war die erste große Erfahrung, dass ein elektronisches Medium in einer Ausnahmesituation innerhalb von Stunden zur politischen Aktion führen kann, sofern es glaubwürdig ist. Ohne den Rias hätte es, was wir heute den 17. Juni nennen, nicht gegeben“
http://www.tagesspiegel.de/medien/im-uebrigen-waren-wir-frei/681688.html
Also, ohne RIAS kein Aufstand am 17.6.1953.
Danke lieber Antwortschreiber. Ich werde weitersuchen.
26. Februar 2014 um 11:36
Johann Weber
Endlich einmal ein guter Vorschlag. “ Der Vereinssprecher merkte aber auch Kritik an. Es sei überfällig, neben dem Geschehen in der DDR auch endlich die Rolle der Westseite Deutschlands zu beleuchten. Hier werde „häufig Glanz verbreitet, der wenig der seinerzeitigen Wirklichkeit entsprechen“ würde. Es wäre wünschenswert, wenn sich Klier „mit der von ihr gewohnten Frische und Unvoreingenommenheit ebenfalls diesem Teil des Geschehens widmen würde.““
Hier gleich ein paar Alt-BRD-Themen, die auch noch nicht aufgeklärt wurden.
Verfolgung aller, denen man „linkes Denken“ unterstellte, während der Adenauerzeit.
Oder die Toten an der Westgrenze. Stichwort: Aachener Kaffeekrieg (bis zu 50 Menschen wurden von BRD-Grenzern ermordet. Darunter Kinder und Frauen)
Oder: Die Berufsverbote, die Brandt erlassen hatte. Über 3 Millionen mussten, wie würde man in der DDR sagen, „unmenschlichen“ Prüfungen unterziehen, mit Tausenden von Berufsverboten.
Und so gäbe es noch viele „dunkle“ Punkte in der Alt-BRD, die noch erforscht werden müssten. Warum nicht? Es finden sich keine Geldgeber für solche Studien. Darum bleiben wir bei der DDR-Forschung. Hier fließt Geld. Traurig aber wahr.
27. Februar 2014 um 10:44
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Zum Beitrag von Johann Weber:
Wir haben den Beitrag mit Bauchschmerzen, also nur unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit freigeschaltet.
Die versuchte Einbringung ideologisch gefärbter Vorhaltungen, wie die angeblichen „Morde“ an der Grenze durch den Westen entsprechen wohl eher dem Reinwaschungsversuch für Verbrechen der DDR, als dem ehrlichen Willen zu historischer Aufarbeitung.
So erscheint auch das eingangs formulierte Lob eher giftig denn korrekt. Denn mit der angemahnten Aufarbeitung der Rolle des Westens meinten wir nicht etwa die „Untersuchung der Agententätigket zur Unterstützung des faschistischen Putsches“, sondern die traurige Rolle des Westens in seiner eher passiven Rolle 1953 und später bei der Eliminierung des Gedenkens an diese wichtigen Tage im Juni 1953. Soweit zur Klarstellung von unserer Seite.
27. Februar 2014 um 12:47
Weber
Vielen Dank für die Antwort. Jetzt wird mir klar um WAS es dieser Vereinigung geht.
Wäre von selber nie darauf gekommen. Ich werde mich hier nicht mehr äußern. Wer von angeblichen „Morden an der Westgrenze“ spricht …
Wer unter google das Stichwort „Aachener Kaffeekrieg“ eingibt, wird das zum Vorschein kommende nicht mehr als „angebliche „Morde““ und als ideologisch gefärbte Vorhaltung abtun.
Nochmals vielen Dank, dass sie mir geholfen haben hinter die Fassade der Vereinigung (AK) 17.Juni1953 zu blicken.
2. März 2014 um 14:03
Weber
Nachtrag: Ich schreibe von den „schwarzen Flecken“ der Alt-BRD. Der Antwortschreiber schreibt „Denn mit der angemahnten Aufarbeitung der Rolle des Westens meinten wir nicht etwa die “Untersuchung der Agententätigket zur Unterstützung des faschistischen Putsches”
Was meint der Antwortschreiber mit „Unterstützung des faschistischen Putsches“? Wo gab es in der Alt-BRD solch einen Pusch?
2. März 2014 um 20:20
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Stellt sich der fragende Herr Weber dumm? Jedenfalls ist hier Jedem geläufig, daß es sich um die kommunistische Terminologie zum Aufstand vom 17. Juni 1953 handelt. Danach haben „Agenten der Bonner Ultras“ oder die „Faschisten in Bonn“ den „versuchten Putsch“ gegen den „ersten demokratische Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden“ unterstützt. Zumindest, Herr Weber, sollten Sie nicht den permanenten Versuch unternehmen, uns für dumm zu verkaufen.
3. März 2014 um 11:25
Weber
Was will mir dieser Antwortschreiber eigentlich mitteilen, außer, dass von mir empfundene Beleidigungen? Einer der im Antikommunistischen Bundesland Bayern aufgewachsen ist, der Franz Josef Strauß 1980 seine Stimme zur Wahl des Bundeskanzlers gegeben hat, der wird als dumm hingestellt und mit Wörtern wie „Danach haben “Agenten der Bonner Ultras” oder die “Faschisten in Bonn” den “versuchten Putsch” gegen den “ersten demokratische Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden” unterstützt.“ konfrontiert. Wörter die er bisher noch nie gehört hatte. Der 17. Juni wurde uns in der Schule als Aufstand und Unterdrückung der Arbeiter vermittelt. Wir freuten uns jedes mal über den schulfreien Tag. Später im Arbeitsleben war der 17. Juni ein willkommener Urlaubstag, vor allem im Juni. Oft verlängertes Wochenende. Als der 17. Juni als freier Arbeitstag gestrichen wurde, haben wir uns zwar geärgert. Aber, wenn schon die Bürger in Ostdeutschland für die Abschaffung waren, sollten wir uns da noch Gedanken machen? Jetzt nach den „Anwürfen“ dieses Antwortschreibers, der mit mir unbekannten Wörtern daher kommt, hätte es eigentlich schon bei der Abschaffung „klick“ machen müssen. Jedenfalls hat es heute „klick“ gemacht. Wenn ich schon beschimpft werde, dann will ich auch wissen warum. Es gibt ja genügend online-antiquariate mit sehr guten Suchfunktionen. Vielleicht muss ich die mir in Bayern vermittelte „17. Juni- Geschichte“ umschreiben? Wenn ja, dann haben sich wenigstens diese „Beschimpfungen“ rentiert.