Lüneburg, 17.02.2014/cw – Der vierte Senat des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg hat am 10.02.2014 die Berufung einer ehemaligen Hoheneckerin gegen das Urteil der zweiten Kammer des Verwaltungsgerichtes Göttingen vom 5. Juli 2012 abgelehnt (4 LA 217/12). Damit wird die Aberkennung der Entschädigungszahlungen für eine zwischen 1966 und 1969 verbüßten Haft im einstigen DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck rechtskräftig. Die Klägerin hatte sich nach den Gerichtsentscheidungen „freiwillig“ als IM (inoffizieller Mitarbeiter) für das MfS der DDR verpflichtet.

Eingerüstet: Das ehemalige Zuchthaus wird renoviert, um u.a. eine Gedenkstätte an die Leiden der Frauen einzurichten –
Foto: LyrAg
Die Klägerin hatte im Alter von 19 Jahren „aus Verzweiflung Straftaten“ begangen, um auf diese Weise „nach Verbüßung ihrer Strafen zu ihrer von ihr geliebten Großmutter in die Bundesrepublik, ausreisen zu können“. Tatsächlich war die Klägerin infolge dieser Straftaten zu drei Jahren Haft verurteilt und in das Frauenzuchthaus Hoheneck verbracht worden. Nach Feststellung des OVG hatte sie dort zu einem Mitarbeiter des MfS bereits im Mai 1967 Kontakt aufgenommen und „freiwillig“ ihre Mitarbeit angeboten, im Dezember 1968 erfolgte dann die schriftliche Verpflichtung. Bereits Ende 1967 hatte die Klägerin ihren Antrag auf Ausreise zurückgezogen, „ohne dass – soweit ersichtlich – dies auf Druck des MfS erfolgt“ sei. In dem Werbungsvorschlag vom 4.12.1968 wurde vermerkt, dass „die Klägerin Ende 1967 darum gebeten habe, >nicht mehr nach WD entlassen zu werden, weil sie mittlerweile eine andere Haltung gewonnen und sich ihre Einstellung gegenüber der DDR wesentlich zum positiven geändert hat<.“
Das OVG stellte dahin, „ob die Klägerin dies gegenüber dem MfS möglicherweise nur vorgegeben hat, auch wenn es in dem Werbungsvorschlag … heißt, >dass eingeschätzt wird, daß sich dieser Prozess langsam und unter Schwierigkeiten vollzogen hat und die Kandidatin eine ehrliche Meinung äußert<.“ Allerdings „belegen die dokumentierten Hintergründe ihrer Anwerbung, dass sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht in einer psychisch labilen Situation befunden … sondern sie sich bewusst für eine Zusammenarbeit mit dem MfS entschieden hat, um nach der Haftentlassung eigene Vorteile – sei es in beruflicher Sicht oder in der Erwartung, durch eine Zusammenarbeit mit dem MfS später leichter in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln zu können – zu gelangen.“

In einem beeindruckenden Bildband und einer gleichnamigen Ausstellung schildern Frauen von Hoheneck ihr Schicksal – bebra-Verlag, Berlin, 2012
Aus ihren schweren Kindheitsverhältnissen, die Klägerin war mit 12 Jahren vergewaltigt und in ein Heim verbracht worden, folgert nicht, „dass es aufgrund ihrer Lebensumstände und ihrer konkreten Persönlichkeitsstruktur für sie unerträglich gewesen wäre, nicht mit dem MfS zusammenzuarbeiten,“ stellt das OVG weiter fest.
Tatsächlich hatte die Klägerin auch nach ihrer Entlassung Berichte für das MfS verfasst und u.a. über einen Arbeitskollegen und dessen Fluchtabsichten berichtet, ein weiterer Kollege soll über diese Absichten informiert gewesen sein. Für die Einlassungen der Klägerin, sie habe eine „Überprüfungsaktion des MfS“ angenommen, gäbe es hingegen tatsächlich „keine Anhaltspunkte.“
Schließlich sei die Kontaktaufnahme zum MfS „aus eigenem Entschluss“ erfolgt und habe „somit nicht mit den Haftbedingungen in Hoheneck in Zusammenhang“ gestanden. Auch das Vorbringen der Klägerin, „dass sie in eine Zelle mit zwei Mörderinnen verlegt worden“ sei und sie das „als Drohung des MfS für Leib und Leben verstanden“ habe, sei nicht geeignet, eine „Freiwilligkeit“ zu Beginn ihrer Mitarbeit mit dem MfS „ernsthaft in Frage zu stellen,“ da die Verlegung nach ihrer Kontaktaufnahme erfolgt sei.
Nach Auffassung der Vorinstanz spräche für diese Freiwilligkeit auch der Umstand, dass „sie nach der Haftentlassung nicht auf ihre baldige Ausreise gedrängt, sondern weiterhin mehrere Jahre bereitwillig Berichte für das MfS verfasst habe.“
Insider der Verhältnisse bestätigen, dass in der Haftanstalt Hoheneck auf zehn politische Gefangene mindestens ein IM angesetzt gewesen sei. Diese vom MfS „freiwillig oder unter Druck“ geworbenen IM seien nicht allein aus wegen krimineller Delikte verurteilten Frauen, sondern „leider auch“ aus dem Bereich der „zweifelsfrei aus politischen Gründen Verurteilten“ rekrutiert worden.
Siehe auch: http://www.hna.de/lokales/goettingen/keine-haeftlingshilfe-ex-stasi-spitzel-3368275.html
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
4 Kommentare
17. Februar 2014 um 22:57
Guenter Toepfer
Ich finde die Entscheidung folgerichtig und notwendig. Kriminelle Handlungen offensichtlich
im erheblichen Umfang zur „Erzwingung“ der Ausreise ist sowohl dumm als auch ein
inakzeptabler Weg in die Freiheit.
Gruß G.F.Toepfer
17. Februar 2014 um 16:40
Bernd Stichler
…….Kein Geld für Spitzel…….
Absolute Zustimmung !
17. Februar 2014 um 12:48
Angelika
Wunderbar ! Die Gerechtigkeit hat gesiegt. Kein Geld für Spitzel. Das sollte Schule machen.
Ich selbst habe drei IMs von Hoheneck in meiner Akte gefunden.
17. Februar 2014 um 16:05
Edith Fiedler
Das hat doch nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Die zuständige Behörde und die angerufenen Gerichte haben doch nur nach Gesetz geurteilt.
Ob man anderen Menschen Schaden zufügt ist keine politische Entscheidung, sondern Charakter- und Erziehungssache. Aus der kurzen Kindheitsbeschreibung geht ja hervor, dass sie ohne positive Vorbilder aufgewachsen ist. Sie hat nur die kriminelle Energie fortgesetzt, die ihr vorgelebt wurde.
Sie ist nicht die Einzige, die über ihre Vergangenheit gestolpert ist.
Offentsichtlich fehlte es ihr auch an Einsicht, zu erkennen, dass sie zu recht in Haft war. Das MfS bediente sich natürlich gern solcher Exemplare aus gestörten Familienchroniken.
Wunderbar finde ich die Akribie der Göttinger Behörde, die schließlich fündig wurde.