Berlin, 27.01.2014/cw – Wieder einmal wird die Absicht des Dachverbandes der Kommunismus Opfer (UOKG) angegriffen, ein Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Diktatur zu errichten. Der Schaum vor dem Mund oder in der Feder ist dabei kaum verkennbar. Denn es geht hier nur vordergründig um eine „galoppierende Gedenkeritis“, wie der von Tilman Asmus Fischer* zitierte Götz Aly im März in der Berliner Zeitung schrieb. Es geht um die Ignoranz einer beispielhaft entwickelten Gedenkkultur an die Opfer des Nationalsozialismus bzw. deren Unantastbarkeit. Deutschland hat seine Aufgaben vergleichbar übererfüllt und neben der eindrucksvollen Umwandlung einstiger Orte des Terrors in eindrucksvolle Gedenkstätten auch zahlreiche Erinnerungs- und Mahnmale gestaltet und installiert, die von Anzahl, Größe und Platzierung her einmalig in der Welt sind.
Oder gibt es in der Hauptstadt der USA ein mit dem Holocaust-Mahnmal in der City von Berlin vergleichbares Monument der Erinnerung an den systematischen Mord der Ureinwohner Amerikas? Ein vergleichbares Denkmal an die Verbrechen gegenüber den einstigen Sklaven? Ein Ort der Erinnerung an die schändliche Rassentrennung bis in die sechziger Jahre? Gibt es in Madrid eine angemessene würdige Erinnerung an die Verbrechen gegenüber den Inkas und Azteken? Gibt es in London vorzeigbare Erinnerungen an die Errichtung erster Konzentrationslager in Südafrika, an die Verbrechen der Apartheid? Es geht hier wohlgemerkt nicht um eine Relativierung eigener historischer Verbrechen und auch nicht um die Diskussion von Vergleichbarkeiten. Es geht hier um die Ausblendung bisher akzeptierter Durchsetzungen würdigen Gedenkens an die Opfer einer Diktatur und den wiederholten Versuch, mit dem Argument bereits ausreichender Mahnmale das legitime Verlangen der Opfer des Kommunismus als Gedenkeritis zu diffamieren.
Etwas anderes wäre die notwendige Auseinandersetzung mit einigen, allerdings bedenkenswerten Erscheinungen und Hintergründen in der aktuellen Debatte. Dabei sollte weniger die Tatsache eine Rolle spielen, dass die UOKG seit mindestens sechs Jahren eine eigene Arbeitsgruppe Mahnmal installiert hat, die in all den Jahren keine diskussionswürdigen Vorlagen erarbeiten konnte. Erst die Finanzierung eines derartigen Projektes brachte offenbar Bewegung in das Anliegen. Können Ideen nur dann entstehen, wenn der obligatorische Ruf nach finanzieller Förderung (endlich) erhört wird oder wurde?
Ein anderer Aspekt wäre die Untersuchung der Motivation des zitierten Bundesvorsitzenden der UOKG, der zum Beispiel die Erinnerung an die „verfolgten Christen“ in der DDR fordert: „Es gibt in ganz Deutschland kein Denkmal für die verfolgten Christen in der DDR,“ wird der Religionspädagoge, der sich selbst als Pietist bezeichnet, zitiert. Nun sah und sieht ja wirkliche Christenverfolgung anders aus. Selbst in der Gegenwart wird fast tagtäglich von Morden an Christen und brennenden Kirchen berichtet, während die Kirche in der DDR ihr umstrittenes Arrangement mit der Partei- und Staatsführung getroffen und so ihren Vertretern eine auskömmliche Position gesichert hatte („Kirche im Sozialismus“). Die Verfolgung von Christen fand also eher im Rahmen der Verfolgung politisch Andersdenkender als in der gezielten Verfolgung von Christen statt.
Auch gibt es kein Mahnmal an die nachweisbar verfolgten Zeugen Jehovas. Oder blendet dies die UOKG aus, weil auch diese Zeugen womöglich „Knechte Satans“ sind, als die der Auch-Prediger Juden bezeichnete, ohne auf nennenswerten Widerspruch seiner UOKG-Mitglieds-Vereine zu stoßen? Und wie steht die UOKG zum Mahnmal an die Opfer homosexueller Verfolgung durch die NS-Diktatur oder deren Noch-Verfolgung Jahrzehnte nach dem Krieg, wenn doch der amtierende UOKG-Vorsitzende Homosexualität als schwere Sünde vor dem Herrn bezeichnet? Und gar die Amtskirche wegen ihrer liberalen Haltung gegenüber dieser Personengruppe angreift? Ein bisschen schwanger, geht das?
„Was kann der Vorzug eines Mahnmals ohne einen … konkreten Erinnerungsbezug … sein?“ wird Curt Stauss, Beauftragter der EKD für Seelsorge und Beratung von Opfern der SED-Kirchenpolitik, kritisch zitiert. Stauss fürchtet „kaum lösbare Auseinandersetzungen“ und stellt selbstkritisch die „Frage nach den eigene Anteilen“, denn die DDR habe so lange funktioniert, „weil so viele sich daran beteiligt haben.“ Möglich natürlich, dass der UOKG-Vorsitzende diese klaren Äußerungen eines EKD-Vertreters vom Tisch wischt, da die EKD ohnehin den christlichen Boden, also die Grundvoraussetzungen für ein christliches Leben, verlassen habe.
Der UOKG-Chef hält zwar die Neue Wache für einen geeigneten Gedenkort, relativiert aber diesen Vorschlag selbst: Das Denkmal benenne „viele Opfergruppen, ohne sie recht zu würdigen“ und „De facto wird die Neue Wache heute zu nichts Sinnvollem genutzt.“ Der Autor hat sich bereits vor einem Jahr in einem Beitrag der Berliner Zeitung für die Nutzung der Neuen Wache als „Denkmal aller Opfergruppen“ ausgesprochen, um damit der hier angesprochenen Gedenkeritis oder auch einer ebenfalls für bedenklich gehaltenen Häufung von Mahnmalen, von Fischer als „Rumpelkammer“ bezeichnet, zu begegnen. Die UOKG greift also hier einen durchaus diskussionswürdigen Vorschlag auf, um ihn jedoch gleich in eine unglückliche, sprich nicht zufriedenstellende Ecke zu stellen. Jedenfalls wäre die Neue Wache nicht schon deshalb in die Debatte einzubeziehen, weil, wie der UOKG-Chef meint, diese zu „DDR-Zeiten politisch instrumentalisiert“ wurde.
Es stellt sich also am Anfang der nunmehr durch die Vorlage von Vorschlägen ausgelösten aktuellen Debatte die grundsätzliche Frage nach der Glaubwürdigkeit. Kann ein Funktionär, der noch im 21. Jahrhundert trotz der bekannten furchtbaren Vergangenheit die Juden (und politische Gegner) als Knechte Satans bezeichnet, Wortführer für ein Denkmal an die (kommunistische) Verfolgung Andersdenkender sein? Kann ein Pietist, der sich nach seiner Überzeugung zu Recht mit der Kirchenführung der EKD wegen deren Verlassens biblischer Überzeugungen und der damit verbundenen Versündigung durch die Zulassung der Tötung ungeborenen Lebens und der Toleranz homosexueller Partnerschaften oder wilder Ehen sich zum Wortführer „verfolgter Christen“ aufschwingen? Zumal, wenn er sich entgegen seiner eigenen publizierten Überzeugungen sichtbar freut, gemeinsam mit dem bekennenden homosexuellen Regierenden Bürgermeister auftreten zu dürfen? Oder Einladungen vom Präsidenten der Republik gerne wahrnimmt, der trotz bestehender Ehe mit einer Lebensgefährtin amtiert und eine vormalige Freundin als Redenschreiberin beschäftigt? Überzeugung nach aktuellen Erfordernissen? Ist diese öffentlich praktizierte Schizophrenie eine geeignete Voraussetzung, ein Mahnmal für Verfolgte der DDR anzumahnen?
Es kann also nicht nur um die Vermeidung einer Rumpelkammer des Erinnerns gehen, so wichtig der Ansatz dazu erscheinen mag. Es geht einzig um die Einbeziehung der bisher offenbar (gewollt?) vernachlässigten Opfer kommunistischer Diktaturen in das Gedenken. Die UOKG täte gut daran, sich von dem vielfach zu hörenden Auch-Alleinvertretungsanspuch für die Opfer der DDR-Diktatur zu entfernen und sich verstärkt aller Opfer der roten Tyrannei zuzuwenden. Bei der Umsetzung der legitimen Mahnmal-Idee käme dabei nicht nur die Neue Wache infrage, sondern die Einbeziehung des bereits vorhandenen Areals der Stiftung Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Diese ist von der Anlage und Größenordnung her durchaus vergleichbar mit dem Holocaust-Memorial im Zentrum der Hauptstadt. Ein (auch) angeregter Mahnmalpark am Spreebogen könnte in der Tat die Besorgnis der Überdimensionierung, sprich Inflation von Gedenkorten und Gedenkmalen befördern und letztlich der behaupteten Rumpelkammer des Erinnerns posthum eine Glaubwürdigkeit vermitteln, die – hier bin ich mit Schneider einig – nicht erwünscht sein kann.
* Der Beitrag von Tilman Asmus Fischer:
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
5 Kommentare
28. Januar 2014 um 09:20
Bernd Stichler
Lieber Kamerad Dörfert , vom Grundgedanken her hast Du schon Recht.
Allerdings bilden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Einheit.
Wer die Zukunft meistern will muß in der Gegenwart die richtigen Weichen stellen und eben dazu muß er die Vergangenheit kennen.
Wenn aber ein Opferverband die brennenden Gegenwartsprobleme klar
ansprechen würde, müßte er mit der Sperrung von Fördermitteln rechnen.
29. Januar 2014 um 06:59
Stefan Köhler
Ja, und diese Vergangenheit der letzten 80 Jahre wird vorsätzlich systematisch verdrängt, verniedlicht und beschönigt. Dresden ist eben leider auch ein Beispiel für derartige Verniedlichung, um nicht von Geschichtsverfälschung zu sprechen. Das Beispiel von Katyn wird leider noch viele Nachfolger bei allen Beteiligten finden.
Ein Mahnmal und kein Mahnmahl, bei dem wenigsten gesaust, gebraust, geprasst, gesoffen und geprotzt werden kann? Wie soll dann das Aufarbeiten noch Spaß machen und erträglich bleiben? Wenn das Geld im Kasten klingt, die S. ….!
Vorgezogener Faschingsscherz?
27. Januar 2014 um 20:16
Krokodil
Es geht nicht: Für Sonntag die Predigt ausarbeiten, sich mit Satanen auseinandersetzen und nebenbei für die UOKG da sein ! Ergo: Es wird Zeit, dass der Vorsitzende teilweise entlastet wird, damit er sich für das Mahnmal voll einsetzen kann. Übrigens schreibt der Vorsitzende
Mahn m a h l ! Man könnte daran eine Überlastung erkennen: Gedanklich ist der Prediger wohl beim Abend m a h l gewesen? (ironische Anmerkung).
Positiv zu vermerken : Der UOKG-Vorsitzende hat schon im Juni 2007 einen Arbeitskreis Mahnmal eingerichtet, der nach nur zwei Jahren unter Leitung eines Vorstandsmitgliedes schon einen Briefbogen erarbeitet hatte! Ich selbst habe damals dafür gestimmt, weil er wirklich Klasse war. Ob und wie er dann verwendet wurde, wäre zu erfragen!!
Zum Mahnmal konkret: Ich meine. wir sind es den Opfern des kommunistischen Regimes schuldig, die ohne Rücksicht auf ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit Widerstand geleistet und letztendlich dazu beigetragen haben, dieses Verbrecherpack zum Teufel zu jagen! Meine persönliche Meinung dazu: Es ist dem Opfer egal, ob ihm ein brauner oder ein roter Stiefel in die Fresse trat, der Schmerz war der gleiche!
27. Januar 2014 um 12:04
Klaus Hoffmann
Deutschland hat keine Opfer, sondern nur Täter! Das ist der ‚Mainstream‘ !
Wenn z.B. die Totenzahl des Bombenterrors in Dresden von mehr als 300.000 Menschen von Gefälligkeits-Gutachtern auf „etwa“ 25.000 heruntergerechnet wurde, dann hatte der Kommunismus in der „DDR“ nach diesem Rechenansatz gar keine Toten zur Folge…….
Ein Denkmal würde diesen Rechenansatz der unerwünschten Erinnerung unterbrechen.
Klaus Hoffmann
27. Januar 2014 um 11:48
Klaus Dörfert
Solange wie das die Sorgen einiger sogenannter Opfer sind, da überkommt mich Angst und Bange. Denn wer vor der Gegenwart die Augen verschließt ,hat wohl kein Recht sich die Vergangenheit auf die Fahne zu schreiben.