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Kiel/Berlin, 20.01.2014/cw – Erneut erreichte die Redaktion eine traurige Nachricht: Walter Jürß (*17.10.1925), langjähriger Haftkamerad des Schriftstellers Walter Kempowski und engagiertes VOS-Mitglied, hat uns verlassen. Jürß verstarb bereits am 4. Dezember letzten Jahres.

Noch im  Oktober hatte die VOS in ihrem Vereinsorgan Freiheitsglocke die Verdienste des Verstorbenen anlässlich seines 88. Geburtstages gewürdigt.

In der Juni-Ausgabe des letzten Jahres hatte Jürß noch einmal eindringlich das Dilemma seiner Generation beschrieben: „Wir, die Jahrgänge ab 1920 haben Hitler zwar nicht gewählt, aber wir mussten die volle Macht der Diktatur des Dritten Reiches erfahren und die Folgen ausbaden.

Ein weiteres Schicksal an der Seite von Walter Kempowski

Ein weiteres Schicksal an der Seite von Walter Kempowski

Der Autor des Buches „Vogelsang vor den Gittern: Von den Leibhusaren ins „Gelbe Elend“ nach Bautzen“ (Taschenbuch, Verlag: Books on Demand GmbH, 10,80 Euro) schilderte den Neuanfang, der als Aufbruch in eine neue Zeit verstanden wurde: „Nachdem 1945 alles zusammengebrochen war, hörten wir Rostocker Studenten im Westradio die Reden der Politiker Kurt Schumacher, Ernst Reuter, Thomas Dehler und anderer. Es hieß darin, man müsse eine Diktatur schon in ihren Anfängen bekämpfen – nicht erst wenn sie sich ausgebreitet hat.“

Auch für Jürß wurde dies zum Credo, zu Inhalt seines Lebens. Die Folge: Sieben Jahre brachte der Anfangs kaum Zwanzigjährige im Schweigelager Nr. 4 in Bautzen zu, dem sogen. Gelben Elend. Im März 1950 beteilige sich Jürß am berühmten Streik. Jürß: „Bereits kurze Zeit danach, am 31. März 1950, folgte der Hungeraufstand, der von der Wachmannschaft brutal niedergeknüppelt wurde.

Nach seiner Entlassung siedelte der unermüdliche Kämpfer in die Bundesrepublik über. Dort trat er der VOS bei und forderte bis zu seinem Tod unverdrossen, immer und immer wieder über die Verbrechen in der politischen Haft zu berichten, diese dem drohenden Vergessen zu entreißen, „damit bei den jungen Generationen kein falsches Bild von unseren Haftzeiten entsteht.

 Das letzte Weihnachtsfest hat der Mitstreiter Kempowskis nicht mehr erleben dürfen. Erst jetzt erfuhren wir durch  Gustav Rust von seinem Tod am 4. Dezember 2013. Seine Familie forderte in der Todesanzeige vom 14. Dezember anstelle von Kränzen und Blumen (die jetzt eh zu spät kämen) zu Spenden für die Gedenkstätte Bautzen auf (siehe „Kieler Nachrichten“).

Alle, die ihn gekannt und geschätzt haben, werden Walter Jürß ein ehrendes Andenken bewahren.

V.i.S.d.P.:Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207778

Von Alexander Grow*

Berlin, 20.01.2014/cw – Der Autor hatte seinen Beitrag im Juli 2013 an das Mitteilungsblatt der UOKG, den Stacheldraht gesandt, in dem Sibylle Krägel Ellen Thiemanns neuestes Buch „Wo sind die Toten von Hoheneck?“ vorgestellt hatte (4/2013, S.17). Da sich der Stacheldraht redaktionell bisher nicht in der Lage sah, den kritischen Beitrag zu veröffentlichen, hat der Autor uns seinen Beitrag zur Veröffentlichung überlassen.             Die Redaktion.

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Sybille Krägels Buchvorstellung von Ellen Thiemann neuestem Werk „Wo sind die Toten von Hoheneck?“ wird leider weder der Autorin noch den mit dem Buch verbundenen Intentionen gerecht.

Allein die schon im  Detail enthaltenen sachlichen, begrifflichen und zitiertechnischen  Fehler wirken störend. Sonderbar mutet dann v.a. der Vorwurf an Ellen Thiemann an, sie habe es versäumt, auf das Schicksal der SMTlerinnen im Allgemeinen und auf dasjenige von Edeltraut Eckert im Besonderen hinzuweisen.

Das Versäumnis liegt m.E. eher auf Seiten der Verfasserin der Buchvorstellung: Sehr wohl bezieht Ellen Thiemann das Schicksal aller politisch Verfolgten und auf Hoheneck gequälten Frauen mit ein. Es geht der Autorin Ellen Thiemann jedoch nicht, wie man langen Passagen des Beitrags von Sybille Krägel entnehmen könnte, um die allgemeine Beschreibung der bekanntermaßen grauenhaften Haftverhältnisse im Zuchthaus Hoheneck – dem mit der Thematik Vertrauten ist bekannt, dass Ellen Thiemann dazu bereits vor Jahren ein viel beachtetes Werk vorgelegt hat-; es geht vielmehr um die Aufdeckung und Publizierung der bis heute in ihrer Dimension wenig bekannten inneren, z.T. strafrechtlich relevanten Strukturen in der StVA Hoheneck.

In der Diskussion: Thiemanns letztes Buch (März 2012)

In der Diskussion: Thiemanns letztes Buch (März 2012)

Der wenig glücklich formulierte Hinweis auf die in summa „fleißige Durchforstung“ der dazu nötigen Aktenberge bringt leider nur ungenügend zum Ausdruck, dass Ellen Thiemann in methodischer und analytischer Hinsicht Großartiges geleistet hat. Sie hat mit dem Focus auf die Verhältnisse in  Hoheneck in den späten Jahren der DDR die Erkenntnisse zu den finsteren Themen: Spitzelsystem des MfS, Missbrauch von Psychopharmaka, skandalöse medizinische Versorgung, gewalttätige Übergriffe seitens des StVA-Personals v.a. aber auch – und hier liegt ein wichtiges Verdienst des Werks – die Vertuschung von Suiziden bzw. Suizidversuchen verzweifelter Frauen, deren einziges „Verbrechen“ ihr Freiheitswille war, entscheidend erweitert und damit Türen für die darauf aufbauende Aufarbeitung der SED-Diktatur geöffnet.

Angesichts der Tatsache, dass die einstigen Handlanger des SED-Staates nach wie vor Einfluss ausüben sich anmaßen – auch darauf verweist Ellen Thiemann in ihrem Abschlusskapitel – ist derartige Aufklärungsarbeit wie in „Wo sind die Toten  von Hoheneck?“ in seiner Bedeutung nicht zu überschätzen. Aus der Sicht eines geschulten Historikers sollte man der Autorin Respekt zollen und ihrem couragierten Werk eine möglichtst breite Leserschaft wünschen.

* Der Autor ist Studienrat für Geschichte

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck / Hohenecker Bote, Berlin, Tel.: 030-30207778

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