
Gedenken nach 52 Jahren – Aufarbeitung braucht noch immer
sehr viel Zeit in Deutschland – Foto: LyrAg
Berlin, 14.01.2014/cw – Er wäre heute 70 Jahre alt geworden: Peter Fechter, der wohl berühmteste Tote der einstigen Berliner Mauer. Zu seinem Geburtstag stiftete die Berliner Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU AG. eine Berliner Gedenktafel, die heute am einstigen Wohnhaus Fechters in der Behaimstraße 11 in Berlin-Weißensee eingeweiht wurde.
Der achtzehnjährige Peter Fechter war am Nachmittag des 17. August 1962 an der Zimmerstraße nahe dem Checkpoint Charlie unmittelbar vor der trennenden Mauer von tödlichen Kugeln getroffen worden und war fast eine Stunde lang elend verblutet. Seine Hilfeschreie wurden immer leiser, von Westberliner Polizisten zugeworfene Verbandspäckchen verfehlten ihren Zweck. Erst nach einer quälend langen Stunde wurde der Verblutende von DDR-Grenzposten geborgen. Das Bild des Tschako-tragenden DDR-Polizisten mit dem sterbenden Fechter in den Armen ging ebenso um die Welt wie die erschütternden Bilder, die der Kameramann Herbert Ernst seinerzeit vom Sterben Fechters und seinem Abtransport machte.
Es kam zu tagelangen heftigen Protesten. Der Bus, der sowjetische Soldaten zum Ehrenmal im Westberliner Bezirk Tiergarten transportieren sollte, wurde gar mit Steinen beworfen. Erst durch das persönliche Eingreifen Willy Brandts, der über den Lautsprecher eines Polizeiwagens zu den Demonstranten sprach, konnte die Lage beruhigt werden. Als eine Woche später an der Bornholmer Brücke im Bezirk Wedding der gleichaltrige Transportpolizist Hans-Dieter Wesa von den Kugeln seiner Kameraden tödlich getroffen auf Westberliner Gebiet zusammenbrach, war der Widerstand gebrochen. Nur noch wenige Demonstranten protestierten gegen den neuerlichen Mauer-Mord.
„Bilder, die wir nie mehr vergessen werden“
Unter den rund zwanzig Berliner Bürgern, die sich zur Enthüllung der Tafel im rückwärtigen Hof des Anwesens eingefunden hatten, war auch die Schwester Fechters, Gisela Geue und Peter Kühn, der sich seit Jahren um die Grabstätte des Mauertoten bemüht. Mitglieder der Vereinigung 17. Juni hatten Fotos von dem Geschehen vor 52 Jahren auf Holzkreuzen mitgeführt, um an die „Bilder zu erinnern, die uns seither bewegen und die wir nie mehr vergessen werden,“ wie Tatjana Sterneberg erklärte.

Gisela Geue, die Schwester Fechters (vorn mit Blumen) mit Bgm. Matthias Köhne (von rechts), Prokurist Lars Holborn, Pressesprecherin Kirsten Huthmann und Maria Nooke – Foto: LyrAg
Warum ausgerechnet die Pressesprecherin der Wohnungsgesellschaft, Kirsten Huthmann, die historischen Fotos als „unwürdig“ interpretierte, bleibt ihr Geheimnis. Jedenfalls forderte sie die Bildträger zu Beginn der Veranstaltung auf, sich von der Gedenktafel zu entfernen, um „einen würdigen Beginn der Veranstaltung“ zu gewährleisten.
Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) bedankte sich herzlich bei der Gesellschaft für das Bürger-Engagement, das in der Stiftung der Tafel seinen beeindruckenden Ausdruck findet. Kritisch merkte Köhne die vergeblichen Bemühungen seines Bezirksamtes um ein Ehrengrab für den Ermordeten und auch die vergeblichen Anstrengungen um eine Umbenennung der Zimmerstaße in Kreuzberg in Peter-Fechter-Straße an. Lars Holborn, Prokurist der GESOBAU AG., erinnerte an den ihn bewegenden Tod Fechters, der ihn „nie losgelassen“ hätte. Daher sei es für ihn und seine Gesellschaft selbstverständlich gewesen, sich für eine angemessene Ehrung an dem Haus zu engagieren, das der junge Peter Fechter vor 52 Jahren an einem warmen Sommertag verlassen habe, um nie wieder zurückzukehren. Zuvor hatte Maria Nooke, Mitautorin eines Buches über die Mauer-Toten (Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch. Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-517-1.)

Auch weitere Unterschriften für eine Peter-Fechter-Straße wurden vor Ort von der Vereinigung 17. Juni eingeholt – Foto: LyrAg
und stv. Direktorin der Stiftung Berliner Mauer, an das kurze Leben Fechters und seinen dramatischen Tod erinnert. Von den Parteien wurden keine Blumen niedergelegt. Aufmerksam registriert wurde allerdings ein Blumengruß des LINKE-Politikers und MdB Stefan Liebich. Er hatte auf den kleinen Schleifen allerdings diskret auf die Benennung seiner Partei verzichtet.
Warum die UOKG als Vertreterin des Verbandes für das Fechter-Gedenken ausgerechnet die wegen ihrer widersprüchlichen und erfundenen DDR-Erlebnisse in heftige Kritik geratene Anita G. benannt hatte, war wohl einzig dem Zusammenhalt innerhalb der „Aufarbeitungsindustrie“ zu verdanken. Die Vereinigung 17. Juni legte im Anschluß an das Gedenken am Grab von Peter Fechter auf dem Friedhof der Auferstehungsgemeinde in Weißensee Rosen nieder.
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
5 Kommentare
17. Januar 2014 um 03:12
Fritz Schüler
Wir dürfen nicht müde werden, die Verbrechen unter der roten Diktatur zu verurteilen.
Es kann nicht sein, dass die Untaten der NS-Täter überall aufs Neue aufgetischt werden; aber die vielfach länger währende, mindestens ebenso blutige kommunistische Terrorherrschaft nur geringe oder keine Beachtung findet.
Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 hat die Bewohner im Osten zwischen Rügen und dem Vogtland wie ein Keulenschlag getroffen.
Ein letztes Tor zur Freiheit war plötzlich verschlossen.
Selbst noch verbliebene Informationsmöglichkeiten durch westliche Medien wie RIAS („Eine freie Stimme der freien Welt“), BBC London (deutschsprachig), Radio Luxemburg, SFB u.a. versuchten die SED-
Machthaber durch Störsender zu verhindern.
Westfernsehen (ohnehin bis zuletzt nur in Schwarz-Weiß – im Raum Dresden gar nicht – möglich) sollte vor allem in ländlichen Gegenden durch den Einsatz von FDJ-Kommandos („Aktion Ochsenkopf“) bekämpft werden. Dabei kletterte man rechtswidrig auf die Dächer der Landhäuser, fällte mit Beilen oder Äxten die dortigen Antennen, um so letzte Informationsquellen zu zerstören.
Doch alle Repressalien haben den Freiheitswillen der Menschen im eingeschlossenen SED-Staat nicht brechen können.
Immer wieder versuchten sie aus jenem Teufelskreis von Indoktrination, Gesinnungsterror, Bevormundung, Reglementierung, Überwachung auszubrechen.
Als schließlich das schaurige Ereignis am 17. August 1962 an der Mauer vor Augen der Öffentlichkeit geschehen ist, waren Entsetzen und Abscheu über diese Bluttat groß.
All die Opfer einer menschenverachtenden Ideologie dürfen nicht der Vergessenheit anheimfallen.
Sie müssen für immer symbolträchtige Beispiele des ständigen Kampfes um Menschenrechte bleiben.
15. Januar 2014 um 20:24
Frank Hiob
Ich möcht mich dem Dank anschließen.
mkG Frank Hiob
15. Januar 2014 um 14:28
Klaus Dörfert
Meinen herzlichen Dank für die Ehrung von Peter Fechter
Denn Peter Fechter hat damit dazu beigetragen, das die Welt auf diesen Todesstreifen in einer Nation geschaut hat. Er hat aber auch der arroganten und lebensfernen Diktatur ihre Grenzen gezeigt, die sich für unfehlbar hielt. Das sich der Spruch nun so oft wiederholen musste, stimmt mich mehr wie traurig: „Lieber tot als rot!“ Aber nach einem langen und schweren Weg ist das Ziel erreicht, wir leben in einer Demokratie in Freiheit.
15. Januar 2014 um 13:29
Peter Fechter – Gedenktafel zum 70. Geburtstag des berühmtesten Mauer-Opfers | tv-orange
[…] https://17juni1953.wordpress.com/2014/01/14/gedenktafel-zum-70-geburtstag-des-beruhmtesten-mauer-opfe… […]
15. Januar 2014 um 02:50
Edith Fiedler
Lieber Vorstand der „Vereinigung 17.Juni 1953 e. V.“, das habt ihr gut gemacht, uns alle bei der Ehrung von Peter Fechter zu vertreten.
Als wir Eingemauerten in Ostberlin damals über den RIAS und dem SFB von dem Mord erfuhren, waren wir (meine Freunde und Kollegen und viele Ost-Berliner) tief betroffen.
Wir wurden „Mauerkrank“, eine schleichende seeliche Erkrankung, geprägt von Hoffnungslosigkeit. Fröhlichen Menschen verging das Lachen. Die Menschen begannen sich einzuigeln. Der Tränenpalast wurde erfunden.
Vielen Dank an die Bürgerinitiative, die diese Ehrentafel ermöglichte…