Berlin-Hohenschönhausen, 4./7.10.2013/cw – Fast genau zum Tag der Republik (Gründungstag der DDR, 7. Oktober 1949), am 4. 10., eröffnete Hubertus Knabe in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit die neue Dauerausstellung in der mit vielen Millionen Euro renovierten Gedenkstätte Hohenschönhausen. Neben zahlreichen anderen Ehrengästen aus der Politik konnte der agile und über die Grenzen Deutschlands hinaus hoch angesehene Direktor des einstigen Stasi-Untersuchungsgefängnisses auch viele einstige politische Gefangene der DDR und ihrer Staatssicherheit („Schild und Schwert der Partei“) begrüßen: „Als freie Menschen in einem freien Land.“

Nachgezeichnetes Leiden - Foto: LyrAg

Nachgezeichnetes Leiden – Foto: LyrAg

In seiner unnachahmlichen, weil ruhigen und gerade deswegen eindringlichen Tonlage schilderte Knabe die Stationen der schwierigen Wegfindung in  das richtige Maß einer immerwährenden Ausstellung. „Eine Zelle,“ so Knabe, „in der Monitore und Tafeln hängen, ist keine Zelle mehr.“ Man habe sich daher entschieden, diese unangetastet zu lassen und notwendige Dokumentationen in die Ausstellung zu verlegen. „Die Gedenkstätte und die einstigen Häftlinge erzählen lassen.“  Man sei der Ausstellung mit einer gewissen Skepsis begegnet. Man habe mit dieser Lösung aber auch auf die Zeit „danach“ hinarbeiten wollen: „Was, wenn  diese Zeitzeugen nicht mehr sind?“

Knabe wies auch auf die Fragestellung  hin, über was denn  die Ausstellung berichten solle? Über die Ideologie? Den kommunistischen Putsch in Russland? Die Diktaturen? Die Gleichschaltung der Parteien? „Und dann die rund 40.000 Häftlinge, ihre schweren Schicksale.“ Für alle diese Themen seien nicht 700 sondern eher 7.000 Quadratmeter erforderlich. Schließlich hätten sich die Verantwortlichen  für die jetzige Lösung entschlossen: Einblicke zu geben  in die Berichte der Häftlinge, aber auch – in  einem separaten Bereich – in die Welt der Täter.

Tief beeindruckt: Klaus Wowereit - Foto: LyrAg

Tief beeindruckt: Klaus Wowereit – Foto: LyrAg

Die Anwesenden erhoben  sich, als Hubertus Knabe die Namen der verstorbenen einstigen  Häftlinge und Förderer der Gedenkstätte verlas: Hans-Joachim Wilson (2009), Sigrid Paul (2011), Gerhard „Charlie“ Rau (2012), Herbert Pfaff (2013) und – vor wenigen Wochen – der unvergessenen Hans Eberhard Zahn.

Klaus Wowereit, der wenige Tage zuvor seinen 60. Geburtstag feiern konnte, lobte die gelungene Dauerausstellung, die eine Konzeption vermittle: „Dass sich hier Menschen  zur Verfügung stellen, über diese dunkle Zeit aus ihrem Leben zu berichten, ist großartig.“ Natürlich seien  ihre Berichte subjektiv, aber: „Es sind ihre Qualen, über die sie erzählen.“ Die notwendige wissenschaftliche Bearbeitung dürfe sich nicht über die Täter hinwegsetzen, die sich „dreist und unverbesserlich“ präsentieren. Dies sei der „Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur.“ Trotzdem sei dies schwer erträglich.

Wowereit zeigte sich zuvor während des eigens organisierten  Rundgangs durch die Ausstellung sehr bewegt und erschüttert. In  seiner Rede betonte er denn auch die Bedeutung der hier durchlebten und jetzt gezeigten Geschichte, die die „ganze Republik betrifft.“

Die Häftlingskleidung als adrett wirkende Auslage löst Betroffenheit aus - Foto: LyrAg

Die Häftlingskleidung als adrett wirkende Auslage löst Betroffenheit aus – Foto: LyrAg

Für den erkrankten  Staatsministers Bernd Neumann erinnerte dessen Vertreter an das erste Konzept von Prof. Manfred Wilke aus dem Jahr 1995. Darauf sei eine Gedenkstätte entstanden, die heute mehr als 300.000 Besucher begrüßen könne, „mit steigender Tendenz.“ (Dass die Häftlingshilfe organisation HELP e.V. bereits 1992 dem Abgeordnetenhaus von Berlin ein umfangreiches Konzept für eine „Stiftung Hohenschönhausen“ vorgelegt hatte, zu einer Zeit also, als sich mehr Ratten in den verlassenen Gerümpel-Räumen aufhielten, als zukunftsorientierte Planer, ist mittlerweile in der Geschichtskonzep tion der Gedenkstätte nicht erwähnenswert.)

Zum Abschluss des Rede-Reigens sprach ein einstiger Betroffener: Horst Jänichen. Nicht ohne Humor, aber mit erkennbarem Ernst stimmte er, der als 15jähriger erstmals 1946 durch die Sowjets verhaftet und in das Lager in Hohenschönhausen verbracht worden war, die Zuhörer auf die Ausstellung ein, die nur anteilig wiedergeben könne, was die Menschen „hier erlebt haben.“  Er sei „von hier aus“ nach Sachsenhausen, in das einstige NS-KZ verbracht worden. Dort habe das große Sterben begonnen, dem „40.000 Gefangene zum  Opfer gefallen sind. Hier, in Hohenschönhausen, sind in dieser Zeit an die 900 Menschen gestorben und verscharrt worden.“ Man habe später Massengräber mit 259 Toten gefunden, derer in jedem Jahr im Oktober gedacht werde.

UOKG-Chef Rainer Wagner (Mitte) in der einstigen Hölle von  Hoheneck - Foto: LyrAg

UOKG-Chef Rainer Wagner (Mitte) in der einstigen Hölle von Hohenschönhausen – Foto: LyrAg

Im Keller hatte der sowjetische NKWD Foltereinrichtungen geschaffen, die später – nach Stalins Tod – durch den sowjetischen Geheimdienstchef und Innenminister Lawrenti Beria verboten worden waren. Nach der Übergabe an die Staatssicherheit wurde die Folter subtiler: „Ein gebrochenes Nasenbein, ein blaues Auge sieht man, gebrochene Seelen sieht man nicht.“

Nach seiner Entlassung trat Jänichen  der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU – Rainer Hildebrandt) bei und verteilte Flugblätter. 1954 wurde er erneut verhaftet („Faschistische Propaganda“) und verbrachte die folgende Haft bis 1959 im Zuchthaus Waldheim. Jänichen erinnerte unter anhaltendem Beifall an den großen Augenblick von 1989: „Als Niemand mehr daran glaubte, ist dieser Spuk am Ende gewesen.“

Im  anschließenden Rundgang durch die Ausstellung konnten sich die Teilnehmer an der Eröffnungsveranstaltung anhand archivierter Akten der Stasi, der Jacke des Häftlings Heinrich George, einer Pritsche, Häftlingskleidung, aber auch über das Refugium des einstigen Anstaltschefs Siegfried Rataizick über die einstige als Hölle empfundene Foltereinrichtung des „Ersten  Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden“ informieren. Ein realistischer, tief beeindruckender Einblick zum bevorstehenden „Tag der Republik“.

V.i.S.d.P.: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785