Potsdam, 25.08.2013/cw – Mangelnde Sensibilität hatte man ihr bereits mehrfach vorgeworfen, mangelnden Mut kann man ihr wohl nicht absprechen. Gemeint ist Ines Reich, wissenschaftliche Leiterin der KGB-Gedenkstätte in der Potsdamer Leistikowstraße.
Anlässlich der Einweihung einer Gedenkplakette für die einstigen Opfer des sowjetischen Geheimdienstes („Gequält, Gefoltert, Verbannt, Erschossen“), die der im Frühjahr verstorbene Bob Bahra auf eine Initiative von Bodo Platt* entworfen hatte, kam es zu einer kurzen aber heftigen Kontroverse zwischen den einstigen Opfern und Ines Reich. Nach dem Eklat um einen „tätlichen Angriff“ auf die Historikerin durch einen ehemaligen Workutaner (wir berichteten) hatten sich die Beteiligten eine größere Sensibilität im Umgang mit den Diktatur-Opfern erhofft.
Während der Sprecher des Gedenkvereins Dirk Jungnickel an die stalinistischen Verbrechen erinnerte und Vereinsvorsitzender Richard Buchner den Hitler-Stalin-Pakt als „letzten Schritt in den Abgrund des Zweiten Weltkrieges“ bezeichnete, warnte Ines Reich gegenüber den „Potsdamer Neusten Nachrichten (pnn)“ vor der Gefahr, die Unterschiede der beiden totalitären Regime „zu verzeichnen“. In ihrer Rede anlässlich der kurzen Gedenkfeier hatte Reich den Politikwissenschaftler Claus Leggewie zitiert, der „die Schwierigkeit der europäischen Erinnerungskultur“ darin sehe, das diese „das Singuläre am Zivilisationsbruch der industriell-bürokratischen Vernichtung der europäischen Juden“ herausstelle, „ohne sie damit dogmatisch dem historischen Vergleich zu entziehen und die systematische Ausrottung der ,Klassen- und Volksfeinde’ im sowjetischen Machtbereich herunterzuspielen.“
Allerdings hatte auch Reich nach der Veranstaltung zumindest der PNN (24.08.2013, S.14) gegenüber der Aussage Buchners, nach der es für die Opfer keinen Unterschied mache, „im Namen welcher Diktatur sie umgekommen sind“, zugestimmt.
Die Veranstaltung in der Potsdamer Leistikowstraße war aus Anlass des „23.August“, der nach der „Prager Erklärung“ und einem Beschluss des EU-Parlamentes zum „Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus“ erhoben werden soll, durchgeführt worden. Auch der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck hatte die Idee der Gedenkplakette unterstützt. Dirk Jungnickel kritisierte „gewisse Historiker“, die eine „Opferhierarchie“ aufgebaut hätten und merkte an, dass die Opfer, die in der Leistikowstraße einsaßen, in der Mehrzahl „keine glühenden Nazis“, allenfalls junge verführte Idealisten gewesen“ seien, deren Qualen in den Kellern des KGB in keinem Verhältnis zu deren vorgeblichen Vergehen gestanden hätten. Die damaligen Opfer sähen sich heute einer sogen. Faschismus-Keule ausgesetzt, obwohl sie niemals die Absicht gehabt hätten oder haben, Opfer beider Systeme gegeneinander auszuspielen, wie das andere täten.
* Wegen eines bedauerlichen Übertragungsfehlers aktualisiert am 27.08.2013
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2 Kommentare
26. August 2013 um 09:56
Bernd Stichler
Dem Kenner der Materie ist Herr Leggewie schon lange ob seiner moralisch verwerflichen Sichtweise bekannt . Es gibt keine „einmaligen “ Opfer !!! Eine solche Haltung ist schärfstens zu veruteilen, denn sie würde alle Opfer der gesamten bisherigen Weltgeschichte diskriminieren. Diesen ständigen Versuchen müssen alle anständigen Menschen entgegentreten.
Im Treten allerdings scheint Frau Reich inzwischen eine bewundernswerte Perfektion erreicht zu haben , nämlich immer genau ins Fettnäpfchen zu treffen. Frage : „Sind die in den 30er Jahren unter Stalin elend verhungerten Menschen weniger tot als die 1944 im KZ umgekommenen? Sind die in den sowjetischen Lagern elend krepierten Menschen auch weniger tot als die KZ-Opfer“?
Wer hier unter den Opfern eine Zweiklassen-Kategorie etablieren will ist für die Mitarbeit in einer Opfergedenstätte hochgradig ungeeignet. Herr Platzeck sollte endlich reagieren und Frau Reich ablösen lassen denn diese Dame ist in ihrer jetzigen Position untragbar!
25. August 2013 um 15:24
Klaus Dörfert
Es machen sich die Leute darüber Gedanken, die irgendwo etwas gelesen haben. Ist ja toll aber der Wahrheit leider nicht dienlich. Das Thema Diktaturen und die Grausamkeiten verkommt langsam zu einem billigen Schauspiel. Wie würde der Volksmund dazu sagen: Etwas schwanger geht nicht.