Berlin, 24.06.2013/cw – Ja, er war unser Traum: JFK – John F. Kennedy. Und wann schon hatte ein Politiker in der Nachkriegszeit dieses Postulat für sich in Anspruch nehmen können? James Dean – als Schauspieler, ja. Aber ein Politiker?
Strahlend, gut aussehend, intelligent. Eine schöne Frau an seiner Seite. Und dann sagt er Dinge, die einer nach dem Weltkrieg aufstrebenden Jugend Visionen vermittelte, die dieser Generation aus dem Herzen sprachen: „Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann. Fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt.“
Klar, da kam das Schweinebucht-Fiasko, die missglückte Invasion Kubas. Dann der Mauerbau in Berlin, den Kennedy abzusegnen schien. Doch dann hatte dieser junge Präsident seine Lektionen gelernt. Die Kuba-Krise. Jung und unerfahren? Ganz im Gegenteil. Die Welt hielt den Atem an. Und dieser junge Präsident steuerte uns durch diese schwerste Krise seit dem Weltkrieg, als hätte er ein Leben lang nichts anderes getan, als Krisen zu bewältigen.
Und nun kam unser Held nach Berlin. Kurz vor Mitternacht fanden sich einige Unentwegte vor den Stufen des Schöneberger Rathauses ein, darunter auch ich. Die Überlegung war einfach: Irgendwo am Straßenrand würde man allenfalls einen kurzen Blick erhaschen, auf die Limousine, auf den Präsidenten, wenn überhaupt (in dem zu erwartenden Gedränge). Aber vor dem Schöneberger Rathaus hatten wir die Chance, eine ganze Kundgebung mit diesem Mann zu erleben, aus nächster Nähe. Voraussetzung: ein exzellenter Platz.
Nicht zu dicht, dann würde der Hals starr werden von der Verrenkung, und man würde möglicherweise nur die Wand der Tribüne anstarren. Und nicht zu weit weg, da wäre der Präsident nur ein Stecknadel-Kopf in der Ferne. Es kam also auf den richtigen Abstand an.
Und so verbrachte ich die erste mitternächtliche Stunde damit, einen guten Punkt zu finden, ehe ich dann den vermeintlich richtigen Platz besetzte. Wie ich das ausgehalten habe, zwölf Stunden lang, ohne Toilette, ohne Decke, ohne jeden Komfort? Das darf man einen heute fast Siebzigjährigen nicht fragen. Es war einfach so. Die begeisternde Erwartung, diesen Mann bald aus nächster Nähe erleben zu können, und das auch noch relativ lange, das reichte. Wir, ca. 30 junge Leute, vertrieben uns die Nacht mit Gesprächen, mit Diskussionen über unsere Erwartungen, an mögliche Inhalte seiner Rede.
Gegen Morgen füllte sich der Rudolph-Wilde-Platz, erst langsam, dann rasant. Lange vor dem Eintreffen des Präsidenten war der Platz überfüllt. Doch immer mehr Menschen drängten zu diesem historischen Ereignis, füllten die Seitenstraßen. Die Euphorie überstrahlte alles, ließ die Menschen freundschaftlich miteinander umgehen, verhinderte verbale stressgeprägte Vokabeln.
Dann kam er. Ein unbeschreiblicher Jubel brach aus: „Kennedy, Kennedy“-Rufe. Stakkato. Persönlichkeiten, wie Konrad Adenauer, wurden zu Randfiguren. Man bemerkte sie allenfalls, aber der junge Präsident war in diesen Minuten das Maß aller Dinge.
Nach seiner Rede, die mit dem wohl berühmtesten Satz unserer Zeit endete („Ich bin aein Beerliner!“) brachen alle Dämme. Niemals vor oder nach dem Mauerbau waren wir so euphorisch, ließen wir nicht den kleinsten Zweifel an der unzerbrechlichen Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und uns zu. Selbst die Mauer schien für einen kurzen Augenblick zu einer absehbaren Episode zu werden. Das würden wir mit diesem Präsidenten alles bewältigen…

Mit einem Foto vom Besuch 1963 in Berlin: Der Autor (li) mit JFK-Neffen Patrick Joseph Kennedy (Mitte) am 22. Juni 2013 in Paris.
Foto: LyrAg
Viele Träume enden in Ernüchterung. Und manchmal auch im blinden Entsetzen, in Tränen, die nicht versiegen wollen. Kein halbes Jahr nach diesem Triumph standen wir wieder vor dem Schöneberger Rathaus, die ersten Nachrichten über das Attentat von Dallas im Ohr, die fürchterliche Bestätigung: Der Präsident ist tot. Tage später die Trauerfeier am Ort des erlebten Triumphes. Nur Kerzen in den Fenstern der umliegenden Häuser. Weinende, schluchzende Menschen, denen gleichsam in tiefer Trauer die Erinnerung erstand an einen Tag auf diesem Platz, der in der Erinnerung niemals entführbar ist und bleibt: Der 26. Juni 1963.
Siehe auch: http://www.bz-berlin.de/john-f-kennedy-berliner/ich-stand-direkt-vor-jfk-hier-der-beweis-article1699422.html (B.Z. vom 26.06.2013).
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., C.W.Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785
1 Kommentar
25. Juni 2013 um 07:02
Stefan Köhler
Nichts hat die erdrückende Mehrheit von Jugendlichen der DDR 1963 mehr interessiert und begeistert als Kennedys Besuch in Berlin und nichts hat sie/uns tiefer erschüttert als Kennedys Ermordung am 22.11.1063. Hoffnungen wurden begraben! Der bis heute offiziell ungeklärte Mord lastet noch immer nachhaltig auf unserer Welt! Besserung ist nicht in Sicht.