Berlin, 5.06.2013/cw – Wolfgang Welsch war schon in manchen heiklen Missionen unterwegs. Der einstige Fluchthelfer hatte zu DDR-Zeiten vielen Bedrängten den Weg in die Freiheit geebnet und war dabei selbst knapp mehreren Mordanschlägen der Stasi entkommen („Ich war Staatsfeind Nr.1“ und „Der Stich des Skorpion“).
Heute war Welsch im Bundeskanzleramt. Dreißig Minuten („Mehr als erwartet.“ – Welsch) konnte er einem Mitarbeiter der außenpolitischen Abteilung sein und das Anliegen der rund dreißig Demonstranten vor dem Kanzleramt vortragen. Es geht um Jens Söring, der 1986 in England verhaftet, an die USA ausgeliefert wurde und seit 1990 in den USA wegen eines ihm zur Last gelegten Doppelmordes im Zuchthaus sitzt. Der 1966 in Bangkok geborene Sohn eines deutschen Diplomaten soll 1985 die Eltern seiner Freundin brutal ermordet haben. Söring ist unschuldig, wie sich seit Jahren herausgestellt hat. Nur: Die US-Bürokratie sieht keine Möglichkeit, trotz dieser Erkenntnis den deutschen Staatsangehörigen in die Freiheit zu entlassen. Formale Gründe ständen dem entgegen, heißt es stereotyp seit Jahren.
Wolfgang Welsch hat sich seit Jahren dieses Falls angenommen, organisiert Buchlesungen, in denen er aus dem letzten von Jens Söring verfassten Buch vorliest („Nicht Schuldig! – Wie ich zum Opfer der US-Justiz wurde“, Droemer März 2012, ISBN 978-3-426-27579-5). Zur Zeit liest Welsch in einem Tonstudio in Berlin das Söring-Werk als Hörbuch. Und nutzt die Gelegenheit, mit Freunden aus den unterschiedlichsten Schichten der Bevölkerung vor dem Kanzleramt zu demonstrieren.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aufmerksam registrieren die Demonstranten jede Minute, die Welsch hinter den Amtsmauern verschwunden bleibt. „Ein gutes Zeichen,“ meint eine Frau. „Vielleicht bietet man ihm einen Kaffe an und lässt ihn erst einmal warten,“ vermutet dagegen ein Mann. „Ob die Kanzlerin wohl für das Thema Zeit hat?“ Skeptisch blickt die ältere Dame hinauf in das oberste Stockwerk.
„Gute Nachrichten“ aus dem Kanzleramt
Schließlich, zwanzig Minuten vor dem Ende der bis 11:00 Uhr angemeldeten Demonstration, erscheint Wolfgang Welsch und wird sofort umringt. Er hat, so sagt er, „gute Nachrichten.“ Man habe ihm aufmerksam zugehört, sich sehr viel Zeit genommen. Schließlich das Ergebnis:
Man habe fest zugesichert, das Thema Jens Söring in die Unterlagen für den bevorstehenden Besuch des US-Präsidenten in Berlin einzuarbeiten. Ob die Kanzlerin Obama das Thema selbst vortragen werde, könne derzeit nicht gesagt werden, aber: „Dem US-Präsidenten werde die Brisanz dieses Falles auf jeden Fall vorgelegt.“

Der einstige DDR-Staatsfeind referiert einer Journalistin über Menschenrechte: Wolfgang Welsch
– Foto: LyrAg
Wie hatte DER TAGESSPIEGEL noch kürzlich, am 13.Mai, geschrieben: „Was Obama und seinen Berlin-Besuch angeht, wird es nach Einschätzung Sörings nun ähnlich ausgehen: „Es sieht ganz danach aus, dass man meinen Fall wieder nicht ansprechen wird.“ Die Begründung dafür will er aus dem Bundestag erhalten haben: Der für die Bundesregierung wahlkampftaktisch hilfreiche Staatsbesuch solle nicht „diplomatisch belastet“ werden.“
Welsch und seine Mitstreiter verlassen die Demonstrations-Stätte optimistischer. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Denn den Mut, sich weiter in diesem krassen Fall der Menschenrechtsverletzung zu engagieren, wollen sie sich nicht vermiesen lassen. Es hatte immerhin aufgehört zu regnen, die Sonne strahlte vom Himmel und das Bundeskanzleramt reagierte äußerst freundlich auf die Petenten. Und das geschieht ja auch nicht alle Tage.
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3 Kommentare
28. Juli 2013 um 02:55
Nils Hachmeister
Jens Söring – Der lange Weg zur Freiheit.
Jens Söring beteuert seit nunmehr über 20 Jahren seine Unschuld an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen.
Das Gerichtsverfahren gegen ihn bleibt bis heute umstritten.
Die Geschichte des Jens Söring wird hierbei aus der Sicht seiner Freunde und Unterstützer wiedergegeben.
7. Juni 2013 um 10:24
Stefan Köhler
Es wird schon alles gut und richtig sein, wenn es in den USA passiert ist. Durch Fehlurteile Hingerichtete haben einen großen Vorteil geschenkt bekommen: Sie gelangen vorzeitig ins Paradies.
Deshalb ist es auch überflüssig, Unrecht und staatlich legitimierten Mord zu bekämpfen oder gar zu verhindern, eventuell die guten Beziehungen vor und in einem Wahllkampf zu trüben. Es kommt auf einen unschuldig Hingerichteten mehr oder weniger nicht an. Schafe ertragen es geduldig, dasss sie geschlachtet werden. Das „Menschenrecht auf den Tod“ wird in solchen Fällen nur etwas vorgezogen, in China wie in Diktaturen und Scheindemokratien.
Immer positiv durch die rosarot optimierte Brille schauen, das macht aus dem schlimmsten Grauen noch die schönsten Dinge. Schön ist es auf der Welt zu sein, sprach der Igel …! Unsere Spaß-, Gier-. Sucht- und reine „Konsum- und Mammongesellschaft“ wird das alles kaum interessieren, denn Geld stinkt nicht.
5. Juni 2013 um 17:58
Klaus Dörfert
FreundeINNEN, die USA und das Recht, dass ist so ein heikles Thema, als ob man an unserem Schöpfer zweifelt.