Thich Nhat Hanh äußert sich zum modernen Buddhismus
Berlin/München/Neustadt, 2.06.2013/cw – „In … anderen Orten kommen die Buddhisten zusammen. Eine Religion, deren Hauptmerkmal Geisterkult ist.“ Rainer Wagner im Gemeindebrief Nov. 2011, Stadtmission Neustadt an der Weinstraße (Wir berichteten).
Am Wochenende, 1./2.Juni, veröffentlichte die überregionale Süddeutsche Zeitung aus München ein Gespräch mit dem zweiten Mann hinter dem Dalai Lama, der einmal im Jahr nach Deutschland kommt, um „in der rheinländischen Provinz Mönche, Nonnen und Laien zu unterrichten“ (SZ). Thich Nhat Hanh gibt in dem Gespräch Einblicke in die geistigen Grundlagen des Buddhismus, die wir an dieser Stelle unkommentiert in Auszügen wiedergeben. Wir wollen damit unseren Lesern den Anreiz vermitteln, sich inhaltlich mit diesen Gedanken auseinanderzusetzen und diese den (freilich reduziert wirkenden) Thesen Wagners gegenüberzustellen. Wir wollen damit einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten. Wir laden den Theologen Rainer Wagner erneut ein, an dieser Stelle selbst seine Sicht der Dinge darzustellen bzw. sein Zitat zu erläutern.
Auch die Lotusblume braucht Schlamm zum Gedeihen
Thich Nhat Hanh: „Wir bemühen uns, Leid in Gutes zu verwandeln. Auch die Lotusblume braucht Schlamm, um zu gedeihen. Sie wächst nicht auf Marmor. Sie müssen erkennen, dass es eine enge Verbindung zwischen Leid und Glück gibt. Wer vor dem Leid wegläuft, kann kein Glück finden. Im Gegenteil: Suchen Sie nach den Wurzeln Ihres Leids. Erst dann kann Verständnis und Mitgefühl erwachsen. Diese beiden sind der Schlüssel zum Glück. Alles Geld und alle Macht der Welt bringen kein Glück ohne Verständnis und Mitgefühl. Im Angesicht von Fanatismus, Unterdrückung, Furcht und Wut hilft nur eines: Betrachte den Schlamm genau, um auf ihm eine Lotusblume wachsen zu lassen. Wer das Leid des Aggressors erkennt, muss ihn nicht hassen.“
Die Menschen konsumieren nicht, weil es nötig ist
„Wir erleben eine tiefe Krise, besonders im Westen. Die Menschen rennen weg vor ihrer Trauer, sie haben Angst. Deswegen konsumieren sie immer mehr: Musik. Alkohol, Lebensmittel, das Internet. Sie konsumieren nicht, weil es nötig ist. Sondern weil sie ihre Einsamkeit nicht aushalten, die Leere in ihrem Inneren. Wir fürchten, die Trauer könnte uns überwältigen, wenn wir ihr ins Gesicht blicken. Aber die Trauer wächst. Die Vergangenheit bringt uns Bedauern, die Zukunft Sorge und Angst. Dagegen hilft uns die Praxis der Achtsamkeit. Wenn wir Zukunft und Vergangenheit loslassen, werden wir diese Lasten los.“
Wir dürfen die Lehre nicht überladen
„ … Ich vermeide buddhistische Ausdrücke, wir drücken uns lieber einfach aus. Ein Beispiel: Buße tun, das ist ein schwerer Ausdruck. Also sprechen wir davon, dass wir die Erde berühren. Berühre die Erde und beginne neu, lass die Vergangenheit hinter dir. … Überall brauchen wir eine neue Sprache, um die Jugend zu erreichen.. Die Menschen im Westen mögen unsere Lehre, weil sie nicht durch viele Rituale beschwert ist. Wir dürfen die Lehre nicht überladen mit Theorie und Komplexität. Es geht ums alltägliche Leben. Übrigens gilt dasselbe fürs Christentum. Nur ein erneuertes Christentum kann den Menschen in der Moderne dienen.“
„ … Im Buddhismus sind wir nur locker organisiert, wir haben nicht so etwas wie einen Vatikan. Also laufen wir auch nicht Gefahr, exkommuniziert zu werden.“
Wer einverstanden ist, schweigt
„ … Unser Motto: Sei Teil eines Flusses, nicht ein Wassertropfen. Lass Dich vom Fluss tragen. Bei uns gibt es keine individuellen Helden. … Entscheidungen werden bei uns gemeinsam getroffen: Ein Problem wird erst einmal von allen diskutiert, dann bringt einer von uns einen Vorschlag zur Lösung vor. Wer einverstanden ist, schweigt. Wer andrer Meinung ist, meldet sich. Dreimal frage wir, ob alle einverstanden sind. Wird dreimal geschwiegen, ist die Entscheidung getroffen. …“
Zitate: Süddeutsche Zeitung, Nr.124 vom 1./2.Juni 2013, Seite 12, PANORAMA (Thich Nhat Hanh) und Stadtmissionsbrief Neustadt a.d. Weinstraße, Nov.2011 (Rainer Wagner).
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Tel.: 030-30207778
3 Kommentare
5. Juni 2013 um 16:19
Michael Kleim
Gute Sache! Ich lese Thich Nhat Hanh, der übrigens konsequenter Pazifist ist und fruchtbare Freundschaft mit Menschen anderen Glaubens (u.a. auch mit Christen!) pflegt, immer mit Gewinn!
Politischer und religiöser Fanatismus bringt nur Leid und fördert eine Mentalität, die Diktaturen hervorbringt.
In Verbundenheit
Michael Kleim, Gera
2. Juni 2013 um 16:44
bildmedienM. Sachse
„Wir erleben eine tiefe Krise, besonders im Westen. Die Menschen rennen weg vor ihrer Trauer, sie haben Angst. ….“ Ja, und sie haben Angst den Wahrheiten ins Gesicht zu schauen, sage ich. Denn dann wäre auch ihr Handeln verlangt. Die hier geschriebenen Weisheiten sind aktueller denn je.
M. Sachse
2. Juni 2013 um 15:48
Fritz Schüler
Die Ausführungen dieses buddhistischen Würdenträgers sind ein wunderbares Lehrstück menschlicher Toleranz und des friedlichen Miteinanders unterschiedlichster Konfessionen.
„Missionarische“ Selbstherrlichkeit, gepaart mit doppeldeutiger Scheinheiligkeit als Relikt finsterer Vergangenheit, hat in einer weltoffenen Solidargemeinschaft keinen Platz.