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Interview mit Tatjana Sterneberg

Tatjana Sterneberg Foto: LyrAg

Tatjana Sterneberg
Foto: LyrAg

Anlässlich des Skandals um Medikamententests in der DDR unterhält sich Freie Welt mit Tatjana Sterneberg über ihre Forschung. Die Betriebswirtin engagiert sich für Verfolgte des DDR-Regimes und die Aufklärung ostdeutschen Unrechts. Als politisch Verfolgte war Sterneberg selbst in den frühen 70er Jahren im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck inhaftiert, das im Interview zur Sprache kommt.

FreieWelt: Wie der Spiegel jüngst (Ausgabe 20/2013) berichtete, hat die DDR in etwa 600 Arzeneimittelstudien an 50 000 seiner Bürger noch nicht zugelassene Medikamente für westliche Pharmaunternehmen testen lassen. Wie haben Sie diesen Bericht aufgenommen?

Sterneberg: Über die Jahre meiner eigenen Forschung zu Machenschaften des MfS der DDR kann ich nur resümieren – es gab nichts, was es nicht gab – von Zersetzung Andersdenkender, Mordaufträgen über Verabreichung von Psychopharmaka bis hin zu Zwangsadoptionen von Kindern politischer Gefangener. Deshalb hat mich der Spiegel-Artikel selbst eher nicht überrascht. Bestürzt bin ich über den Tod der Menschen, die den Ärzten vertraut haben. Hintergrund war stets die Beschafftung von Devisen (Abtlg. XVIII, MfS) um jeden Preis – hier mit dubiosen Arzneimittelstudien, die wissenschaftlichen Anforderungen offensichtlich nicht entsprachen.  Inwieweit hier auch die DDR-Firma Jena Pharm verstrickt war, sollten Fachleute untersuchen.

FreieWelt: Sie haben aber schon vor Jahren ähnliche Erkenntnisse der BstU vorgelegt?

Sterneberg: Durch Hinweise auf Verabreichung von Psychopharmaka in meinen eigenen Stasi-und Haftunterlagen, lag es nahe, die Tätigkeit des seinerzeit verantwortlichen med. Leiters des DDR-Frauengefängnisses Hoheneck (1972-1982), MU Dr. Janata, umfänglicher zu beleuchten. Mitte 2008 stellte ich zur Thematik einen Forschungsantrag bei der BSTU. Die über 700 Seiten umfassenden Unterlagen des MfS zu MU Dr. Janata alias IM „Pit“ förderte ein brisantes Dokument zutage, das belegt, dass an politische Häftlinge (§§ 213, 100) sogenannte „Beruhigungsmittel“ in weit größerem Umfang verabreicht wurden, als an Strafgefangene anderer Deliktgruppen. Zur Beurteilung legte ich das Dokument dem Folteropfer-Zentrum Berlin vor. Ergebnis: Es handelt sich bei den Medikamenten um Psychopharmaka und ein Neuroleptikum, die hochgradig abhängig machen. Unerklärlich bleibt, warum der Allgemeinmediziner MU Dr. Janata seinerzeit keinen Facharzt zur Konsultation hinzugezogen hat. Führte IM „Pit“ Anweisungen der Stasi durch? Die Forschungsergebnisse publizierte ich in Zusammenarbeit mit den Politikmagazinen Kontraste und klartext (ARD).

(Anmerkung/Hinweis:http://www.rbbonline.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/aerzte_im_dienste.html)

Meinem Antrag bei der zuständigen Ärztekammer auf Entzug der Apropation konnte wegen Verjährung nicht entsprochen werden. Im Fersehfilm „Es ist nicht vorbei“ verarbeitete die Drehbuchautorn Kristin Derfler nach vielen Gesprächen mit mir das Thema erneut. Noch vor Ausstrahlung am 9. November 2011 (ARD) stellte ich der BSTU, nun unter Leitung von Roland Jahn, das angeführte brisante Dokument zur Verfügung.

FreieWelt: Wie war die Reaktion seitens der Behörde.

Sterneberg: Die BSTU stellte das Dokument in ihre Internetseite ein. Damit ist es für alle Interessierten zugänglich.

FreieWelt: Das Geld, das die DDR für die Versuche erhalten hat, wurde auch genutzt, um Material für die maroden Krankenhäuser der DDR anzuschaffen und viele der betreffenden Medikamente wurden auch in westlichen Kliniken getestet. Haben sich die Verantwortlichen dennoch etwas vorzuwerfen?

Sterneberg: Eindeutig ja. Die Ausnutzung der politischen Lage zum eigenen materiellen Vorteil durch sogen. kapitalistische Unternehmen ist ja nicht neu. Neu ist für Viele allerdings die kaltschnäuzige Ausnutzung dieser Situation von unfreien, in der Diktatur lebenden Menschen für medizinische Versuchszwecke zur Steigerung des Profits. Die aktive Beteiligung von Ärzten an diesen Versuchen ist allerdings ethisch und strafrechtlich zu verurteilen und erinnern auch hier an die unrühmlichen medizinischen Beteiligungen von Ärzten an NS-Verbrechen.

FreieWelt: Wie bewerten Sie die Rolle des westdeutschen Gesundheitsministeriums, das die Erkenntnisse aus der DDR für die Zulassungsverfahren akzeptierte.

Sterneberg: Die Verantwortlichkeit erstreckt sich über das von Ihnen angesprochenen Gesundheitsministerium allerdings auf den Staat. Wer die damaligen politischen Verhältnisse und die Rahmenbedingungen kennt, der weiß, dass praktisch keine Vereinbarungen ohne die Einschaltung staatlicher Instanzen – und dies auf beiden Seiten – getroffen werden konnten. Insoweit steht auch der Staat Bundesrepublik Deutschland in der Verantwortung. Und dies nicht nur als „an die Stelle der DDR tretender“ Nachfolger, sondern auch als vormalige Bundesrepublik Deutschland, das mit diesen Versuchen befasste und damit mitverantwortliche Ministerium.

FreieWelt: Wir danken ihnen herzlichst für das Interview.

Die Fragen stellte Jonas Lengsfeld

Hier finden Sie das brisante Dokument auf der Seite der BstU: http://www.bstu.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/hoheneck_medikamentenverabreichung.pdf?__blob=publicationFile

Quelle:

http://www.freiewelt.net/interview/ddr-medikamenten-test-es-gab-nichts-was-es-nicht-gab-10002394/

Berlin, 28.06.2013/cw – Das Vorgehen der USA in den bekannt gewordenen Abhörskandalen der Geheimdienste sei vergleichbar mit dem einstigen Vorgehen der (NS-)GESTAPO und der (DDR-)Stasi. Dies erklärte der Vorsitzende der CSU-Europagruppe im EU-Parlament und Bezirksvorsitzende der CSU Schwaben, Markus Ferber (48), laut einem Bericht der Stimme Russland (Radio): „Deutsche setzen NSA-Bespitzelung den Gestapo- und Stasi-Methoden gleich“ vom 26.06.2013.

Die deutliche Sprache des CSU-Politikers ist im Kanon des engen  Schulterschlusses der konservativen Partei aus Bayern mit den USA ungewöhnlich und belegt nach Meinung von Beobachtern den immensen Schaden, den das Vorgehen der Vereinigten  Staaten (und Englands) offensichtlich gegenüber ihren Verbündeten angerichtet hat.

PE vom 28.06.2013

PE vom 28.06.2013

DDR-Verfolgten-Verband kritisiert Schweigen der Opferverbände

Die DDR-Verfolgten–Organisation Vereinigung 17. Juni 1953 kritisierte in einer Stellungnahme das „ausnahmslose Schweigen durch Organisationen, die DDR-Verfolgte und –Opfer vertreten, zu den jüngsten Skandalen um die generelle Abschöpfung privater Daten.“ Es sei nach Meinung der Vereinigung „vornehmste Aufgabe und Pflicht dieser Organisationen, ihre Stimme gegen jeglichen Missbrauch staatlicher Gewalt“ zu erheben. Dies habe die Vereinigung „nicht erst heute und nicht zum  ersten Mal“ angemahnt, sei mit dieser Forderung aber leider „auf taube Ohren“ gestoßen. Gerade „unter Freunden sei aber ein offenes Wort zur rechten Zeit notwendig und angebrachter, als das Verschweigen von Unrecht aus falsch verstandener Kameraderie oder etwaiger Nibelungentreue,“ so die Vereinigung in einer heutigen  Stellungnahme in Berlin. Der Vorstand: „Wer anders als die Menschen mit traumatischen Erfahrungen aus der Diktatur wäre kompetenter, sich unmissverständlich zu diesem Thema zu positionieren?“

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

Paris/Villepinte, 24.06.2013/cw – Vorrübergehend wirkte der Vorort Villepinte von Paris wie eine Klein-Ausgabe der iranischen Hauptstadt Teheran. Zehntausende Exil-Iraner aus Europa und Übersee waren in das seit Jahren zelebrierte Mekka des iranischen  Widerstandes gegen  die Mullahs gereist, um erneut ihren unbändigen Freiheitswillen zu bekunden und ihren  Anspruch auf Rückkehr in eine Theokratie-freie und demokratische Heimat anzumelden. Es war die weltweit größte Kundgebung für die Befreiung des Iran.

Otto Bernhard und Javad Dabiran vom NRWI (v.li.). Foto: LyrAg

Otto Bernhard und Javad Dabiran vom NRWI (v.li.).
Foto: LyrAg

Politische Würdenträger aus der ganzen Welt waren angereist, um dem Treffen das notwendige internationale Flair zu geben. Aus den USA: Patrick Joseph Kennedy, Neffe des     berühmten und unvergesslichen JFK, Rudolph „Rudy“ Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York (1994-2001), Newt Gingrich, Ex-Sprecher der Republikaner im Capitol und im  letzten Jahr ansetzender Präsidentschaftskandidat gegen Obama, Ex-Generale der US-Army, Kongressabgeordnete und und und. Aus Europa waren Abgeordnete des Europaparlamentes, aus Deutschland gar die einstige Präsidentin des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Rita Süssmuth und der Ex-Bundestags-Abgeordnete Otto Bernhardt erschienen. Auch die Medien waren prominent durch Klaus Bresser, 1988-2000 Chefredakteur des ZDF, vertreten. Rita Süssmuth durfte ebenfalls, wenn auch ziemlich am Ende der unendlich langen Rednerliste, zu Wort kommen und geißelte unter dem Jubel der Zehntausenden die Unfreiheit im Iran.

Goldener Konfetti-Regen unterstrich wichtige Reden. Foto: LyrAg

Goldener Konfetti-Regen unterstrich wichtige Reden. Foto: LyrAg

Gleich zu Beginn erschien die gewählte Präsidentin des Iranischen Widerstandes, die im Pariser Exil lebende Maryam Rajavi, um den Anspruch des Nationalen Widerstandsrates Irans (NWRI) auf die Bestimmung der Zukunft in einem freien und demokratisch orientierten Iran zu unterstreichen. Wie zahlreiche Redner nach ihr griff Rajavi den neu gewählten Präsidenten Hassan Ruhani als erprobte Marionette des Mullah-Regimes an. Keineswegs sei dieser ein Liberaler oder gar Erneuerer. Im  Gegenteil sei Ruhani an der Ermordung von Oppositionellen beteiligt und in führenden Positionen Träger des verhassten Mullah-Systems gewesen (der studierte Rechtswissenschaftler Ruhani war u.a. Oberkommandierender der Streitkräfte und der Luftwaffe, von 1989 – 2005 Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, Geheimdienstchef, stv. Präsident des Parlamentes und Chefunterhändler in den sogen. Atomgesprächen mit der EU). Für den NWRI sei der neugewählte Präsident, der im August sein Amt antreten wird, kein akzeptabler Vertreter des Iran, rief Rajavi unter dem Jubel und Gold-Konfetti-Regen  ihrer Anhänger aus.

Generationen demonstrierten für die Zukunft ihrer Heimat.      Foto: LyrAg

Generationen demonstrierten für die Zukunft ihrer Heimat. Foto: LyrAg

Mit dem absolvierten sechsstündigen  Redner-Programm (bis 21:00 Uhr) stellten die Veranstalter die von weit her angereisten Sympathisanten auf eine harte, wenn  auch gewohnte und mit anfänglich großer Begeisterung getragene Geduldsprobe, die dann doch auf natürliche Weise gegen Ende Ermüdungserscheinungen aufwies.

Beobachter stellten dennoch eine gewisse Ernüchterung fest. Auch Maryam Rajavi erschien vielen ihrer Anhänger gebremster, nicht mehr in euphorischer Jubel-Stimmung, die in den Vorjahren stets eine „unmittelbar bevorstehende Revolution“ vermittelte. In der Tat erschöpft sich nach vielen Jahren unermüdlichen Kampfes für die Befreiung des Landes nicht nur der Wortschatz.

Interessant wäre die Wirkung gewesen, wenn in Villepinte als Überraschungsgast der Sohn des letzten  Schah aufgetreten wäre. Reza Pahlavi hatte im April diesen Jahres auf

Delegation aus Berlin: Chr.Zimmermann, Glyas.Sayan, Inge Kuntzendorff u. C.W.Holzapfel (v.re.) mit New Yorks Ex-Bürgermeister Rudolph  Giuliani (Mitte). Foto: LyrAg

Delegation aus Berlin: Chr.Zimmermann, Glyas.Sayan, Inge Kuntzendorff u. C.W.Holzapfel (v.re.) mit New Yorks Ex-Bürgermeister Rudolph Giuliani (Mitte). Foto: LyrAg

 einem Gründungskongress eine »Charta des Iranischen Nationalrats für Freie Wahlen« unterzeichnet. Zweihundert von fünfhundert über das Internet gewählte Delegierte waren in das Maison de la Chimie, einem Kongresszentrum in der Rue Saint-Dominique, nahe dem Place des Invalides in Paris gekommen, um ihrerseits über die Zukunft des Iran abzustimmen. Die dreihundert nicht anwesenden Delegierten stimmten über Netz ab.

Pahlavi, der mit siebzehn  Jahren mit seinen Eltern ins Exil gehen  mußte, strebt vordergründig keine Monarchie an. Er engagiert sich als Kopf einer ebenfalls oppositionellen Bewegung für die demokratische Befreiung seines Landes, wobei große Übereinstimmungen  zwischen  dem von Rajavi vorgestellten Zehn-Punkte-Programm und der Charta des Schah-Sohnes feststellbar sind.

Auf dem Podium (v.re.): Andy Jauch (SPD-MdA), Otto Bernhard (CDU-Ex-MdB), Rita Süssmuth (CDU-Ex-Bundestags-Präsidentin), Schulz-Jacobs (NRWI), Bernd Häusler (Rechtsanw.) und Klaus Bresser (Ex-Chefred. ZDF). Foto: LyrAg

Auf dem Podium (v.re.): Andy Jauch (SPD-MdA), Otto Bernhard (CDU-Ex-MdB), Rita Süssmuth (CDU-Ex-Bundestags-Präsidentin), Schulz-Jacobs (NRWI), Bernd Häusler (Rechtsanw.) und Klaus Bresser (Ex-Chefred. ZDF). Foto: LyrAg

Die in Villepinte auftretende Abordnung der syrischen Opposition erschien da fast als Menetekel, als symbolischer Beweis für die bekannte Zerstrittenheit oppositioneller Kräfte gegen die Diktatur ihrer jeweiligen  Länder. Am Rande der großartig zelebrierten Kundgebung bei Paris wurde in Gesprächen dann doch immer wieder der Wunsch geäußert, an die Stelle vehementer Angriffe die Anbahnung von Kontakten anzustreben. Und zumindest die Opposition im Ringen um die Freiheit zu einen. Es war eine neue, aber bemerkenswerte Stimmungslage im vorübergehenden Klein-Teheran bei Paris.

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

Berlin, 24.06.2013/cw – Ja, er war unser Traum: JFK – John F. Kennedy. Und wann schon hatte ein Politiker in der Nachkriegszeit dieses Postulat für sich in Anspruch nehmen können? James Dean – als Schauspieler, ja. Aber ein  Politiker?

Im Kennedy-Saal im Rathaus Schöneberg Erinnerung an einen großen Tag -            Foto: LyrAg

Im Kennedy-Saal im Rathaus Schöneberg Erinnerung an einen großen Tag – Foto: LyrAg

Strahlend, gut aussehend, intelligent. Eine schöne Frau an seiner Seite. Und dann sagt er Dinge, die einer nach dem Weltkrieg aufstrebenden Jugend Visionen vermittelte, die dieser Generation aus dem Herzen sprachen: „Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann. Fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt.“

Klar, da kam das Schweinebucht-Fiasko, die missglückte Invasion Kubas. Dann der Mauerbau in Berlin, den Kennedy abzusegnen schien. Doch dann hatte dieser junge Präsident seine Lektionen gelernt. Die Kuba-Krise. Jung und unerfahren? Ganz im  Gegenteil. Die Welt hielt den Atem an. Und dieser junge Präsident steuerte uns durch diese schwerste Krise seit dem Weltkrieg, als hätte er ein  Leben lang nichts anderes getan, als Krisen zu bewältigen.

Und nun  kam unser Held nach Berlin. Kurz vor Mitternacht fanden sich einige Unentwegte vor den Stufen des Schöneberger Rathauses ein, darunter auch ich. Die Überlegung war einfach: Irgendwo am Straßenrand würde man allenfalls einen kurzen  Blick erhaschen, auf die Limousine,  auf den Präsidenten, wenn überhaupt (in dem zu erwartenden Gedränge). Aber vor dem Schöneberger Rathaus hatten wir die Chance, eine ganze Kundgebung mit diesem Mann zu erleben, aus nächster Nähe. Voraussetzung: ein exzellenter Platz.

Der Autor weist auf die Stelle, wo er vor fünfzig Jahren stand. - Foto: LyrAg

Der Autor weist auf die Stelle, wo er vor fünfzig Jahren stand. – Foto: LyrAg

Nicht zu dicht, dann würde der Hals starr werden von der Verrenkung, und man würde möglicherweise nur die Wand der Tribüne anstarren. Und nicht zu weit weg, da wäre der Präsident nur ein Stecknadel-Kopf in der Ferne. Es kam also auf den richtigen Abstand an.

Und so verbrachte ich die erste mitternächtliche Stunde damit, einen  guten Punkt zu finden, ehe ich dann den vermeintlich richtigen Platz besetzte. Wie ich das ausgehalten habe, zwölf Stunden lang, ohne Toilette, ohne Decke, ohne jeden Komfort?  Das darf man einen heute fast Siebzigjährigen nicht fragen. Es war einfach so. Die begeisternde Erwartung, diesen Mann bald aus nächster Nähe erleben zu können, und das auch noch relativ lange, das reichte.  Wir, ca. 30 junge Leute, vertrieben uns die Nacht mit Gesprächen, mit Diskussionen über unsere Erwartungen, an mögliche Inhalte seiner Rede.

Der Neunzehnjährige: Vierter nach li., im  weißen Hemd mit Brille. Foto: LyrAg

Der Neunzehnjährige:  Im weißen Hemd mit Brille (Von JFK Vierter n.li.).
Foto: LyrAg

Gegen Morgen  füllte sich der Rudolph-Wilde-Platz, erst langsam, dann rasant. Lange vor dem Eintreffen des Präsidenten war der Platz überfüllt. Doch immer mehr Menschen  drängten zu diesem historischen Ereignis, füllten die Seitenstraßen. Die Euphorie überstrahlte alles, ließ die Menschen freundschaftlich miteinander umgehen, verhinderte verbale stressgeprägte Vokabeln.

Dann kam er. Ein unbeschreiblicher Jubel brach aus: „Kennedy, Kennedy“-Rufe. Stakkato. Persönlichkeiten, wie Konrad Adenauer, wurden zu Randfiguren. Man bemerkte sie allenfalls, aber der junge Präsident war in  diesen Minuten  das Maß aller Dinge.

Nach seiner Rede, die mit dem wohl berühmtesten Satz unserer Zeit endete („Ich bin aein Beerliner!“) brachen alle Dämme. Niemals vor oder nach dem Mauerbau waren wir so euphorisch, ließen wir nicht den kleinsten Zweifel an der unzerbrechlichen Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und uns zu. Selbst die Mauer schien für einen kurzen Augenblick zu einer absehbaren Episode zu werden. Das würden wir mit diesem Präsidenten alles bewältigen…

Ein Foto vom Besuch 1963 in Berlin: Der Autor mit JFK-Neffen Patrick Kennedy (Mitte) am 22. Juni 2013 in Paris. Foto: LyrAg

Mit einem Foto vom Besuch 1963 in Berlin: Der Autor (li) mit JFK-Neffen Patrick Joseph Kennedy (Mitte) am 22. Juni 2013 in Paris.
Foto: LyrAg

Viele Träume enden in Ernüchterung. Und manchmal auch im blinden Entsetzen, in Tränen, die nicht versiegen  wollen. Kein halbes Jahr nach diesem Triumph standen wir wieder vor dem Schöneberger Rathaus, die ersten Nachrichten über das Attentat von Dallas im Ohr, die fürchterliche Bestätigung: Der Präsident ist tot. Tage später die Trauerfeier am Ort des erlebten  Triumphes. Nur Kerzen in den Fenstern der umliegenden Häuser. Weinende, schluchzende Menschen, denen gleichsam in tiefer Trauer die Erinnerung erstand an einen Tag auf diesem Platz, der in der Erinnerung niemals entführbar ist und bleibt: Der 26. Juni 1963.

Siehe auch: http://www.bz-berlin.de/john-f-kennedy-berliner/ich-stand-direkt-vor-jfk-hier-der-beweis-article1699422.html (B.Z. vom 26.06.2013).

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., C.W.Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785

 

Brüssel/Berlin, 19.06.2013/cw – Am Sitz des Europäischen Parlamentes in Brüssel gibt es zahlreiche Hinweise auf den Freiheitskampf der Völker in Europa, so an den Aufstand in Ungarn 1956, die Freiheitsbewegung in der CSSR 1968 und in Polen 1980. Der Volksaufstand von 1953 in Mitteldeutschland, erster Freiheitskampf im kommunistisch beherrschten Osteuropa nach Beendigung des Zweiten  Weltkrieges, findet hingegen keine Beachtung oder gar Erwähnung.

Die deutsche Europaabgeordnete Alexandra Thein (FDP), für Berlin und Brandenburg im Brüsseler Parlament, findet das skandalös und hat sich vor dem 60. Jahrestag des Volksaufstandes an den Präsidenten des Europa-Parlamentes, Martin Schulz (SPD), gewandt. Sie mahnt ein würdiges Gedenken an den Volksaufstand 1953 an. Thein schlug dem Präsidenten vor, einen Wettbewerb für Künstler aus ganz Europa auszuschreiben, um  auch in Brüssel ein  würdiges Gedenken an den Juni-Aufstand zu sichern. Es ginge darum, „deutlich zu machen, dass der 17. Juni (1953) ein wichtiger historischer Tag für den Freiheitswillen aller Europäer“ sei, heißt es in dem Schreiben an Schulz. Die Politik trage Verantwortung, „die symbolischen  Daten der Demokratie nicht in  Vergessenheit geraten zu lassen.“ Alexandra Thein appellierte an Martin Schulz, gerade in diesem Jahr (des 60. Jahrestages) „das besondere Augenmerk der europäischen Öffentlichkeit auf die mutige Erhebung der DDR-Bevölkerung zu richten.“

Die Vereinigung 17. Juni begrüßt diese Initiative ausdrücklich und drückt gleichzeitig ihr Entsetzen über diesen „instinktlosen Umgang mit einem der wichtigsten Ereignisse im Nachkriegs-Europa“ aus. Der nach dem Aufstand durch Aufstandsführer in West-Berlin gegründete Verein protestiert gegen „diese unverständliche Form des Vergessens“ durch das Europäische Parlament. „Wir erwarten eine schnellstmögliche Korrektur und ein „unzweideutiges Bekenntnis Europas zu diesem Teil seiner Geschichte,“ sagte Sprecher Carl-Wolfgang Holzapfel heute in Berlin.

Siehe auch:

Vera Lengsfeld: Aktivisten des 17.Juni müssen draußen bleiben

http://www.freiewelt.net/aktivisten-des-17-juni-muessen-draussen-bleiben-10000821/comment-page-1/

Bezirk Berlin-Mitte: „Privater“ Platz:

http://www.berlin.de/ba-mitte/aktuell/presse/archiv/20130327.0935.382837.html

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

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