Potsdam/Berlin, 29.05.2013/cw – Die Schlagzeilen waren martialisch, der Vorgang wohl eher weniger. Jedenfalls titelte u.a. die Märkische Allgemeine am 27. März 2012: „Todesdrohung gegen Ines Reich – Mitglied des Vereins der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße greift Gedenkstättenleiterin an.“ Todesangst habe sie gehabt, wurde später die Gedenkstättenleiterin zitiert. Hintergrund: Ein über achtzigjähriger ehemaliger Lagerinsasse vonWorkuta/Sibirien soll die Gedenkstättenleiterin des einstigen KGB-Gefängnisses in der Potsdamer Leistikowstraße, Ines Reich, tätlich angegriffen und, wie es in der späteren Strafanzeige hieß, sogar „gewürgt“ haben.
Der Workutaner Lothar Sch. bestreitet diese Version vehement. Er sei, wie viele ehemalige Insassen des KGB-Gefängnisses, empört über die eigenwillige Geschichtstransformation der Historikerin und habe sich zudem darüber erregt, das ihm die Gedenkstättenleiterin Führungen durch das Haus, die ihm vom Ministerpräsidenten Brandenburgs zugesagt worden seien, verweigert wurden. Darüber sei es zu einem verbalen Streit gekommen. Lothar Sch. räumt ein, Ines Reich dabei an den Schultern kurz geschüttelt zu haben. Er bedauere dies, bitte aber um Verständnis für die emotionale Erregung von Betroffenen, die sich durch eine „abstrakte Geschichtsbetrachtung und willkürlich wirkende Führung der Gedenkstätte durch nicht betroffene Historiker“ bis ins Mark getroffen fühlten. Es entstände dadurch der fatale Eindruck der „Verwertung von Schicksalen unter merkantilen Gesichtspunkten, wobei eine Würdigung und der Respekt vor dem Leben der einstigen KGB-Gefangenen außen vor bleiben,“ so der kämpferische Ruheständler aus Berlin.
Nun wehrt sich der einstige Workutaner gegen einen Strafbefehl über 900,00 Euro. Über den Widerspruch soll am Donnerstag, 30.05. um 10:30 Uhr im Justizgebäude in der Potsdamer Jägerallee 10-12 verhandelt werden. Lothar Sch. erwartet eine deutliche Reduzierung oder gar Rücknahme des Strafbefehls, weil er sich unschuldig im Sinne der „abstrusen Vorwürfe“ fühle.
V.i.S.d.P.:Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
8 Kommentare
1. Juni 2013 um 18:03
Stefan Köhler
Tote Fische, im Strom treibend, vergiften unser Land, und jeder Fisch davon stinkt zuerst im Kopf!
1. Juni 2013 um 08:27
Ellen Thiemann
In die so genannte Aufarbeitungsindustrie sollte mal ein gewaltiger Hurrikan hineinfegen, um allzu selbstsüchtige, machtbesessene Figuren aus ihren ach so bequemen Polstern zu fegen!
Es ist kaum noch ertragbar, wie manche von denen mit aufrechten Zeitzeugen umgehen. Speichelleckende Nicker und Ja-Sager werden hofiert. Da schadet es nicht, wenn sie als Zersetzer oder penetrante Lügner Schlagzeilen machen. Man ist sogar behilflich, sie von einem gescheiterten Amt ins nächste zu hieven. Welche Schizophrenie!
Wer nicht schleimt und keine Bücklinge macht, wird ausgegrenzt.
Hatten wir das nicht schon mal?
31. Mai 2013 um 07:40
Stefan Köhler
Die „Macht des Schicksals“, „Quitt“ von T. Fontane und weitere meiner erwähnten Bezüge sind keine Todesdrohungen, sondern zitierte klassische Literatur. Es soll sich also auch die sensibelste Natur nicht bedroht, sondern nur erinnert fühlen, damit sich die subjektive Sicht klärt und der Objektivität annähert, denn Einsicht in Schuld kann zu Wahrheit, Annäherung und Versöhnung führen.
Wer aber die durch fürchterliche Erfahrungen Geschundenen auch noch quält, der sollte sich nicht wundern, wenn die Qualen auf ihn selbst zurückfallen, denn Schuld und Sühne existieren unabhängig vom menschlichen Willen. Das wiederum ist die Ironie des Schicksals, die jeden trifft, ob er es will oder nicht.
Ich war nicht in Workuta, vielleicht war dieses Lager auch nur ein Paradies auf Erden? Sind die unzähligen Schicksalsberichte, die mich zwischen 1989 und 1995 erreichten, möglicherweise nur Dichtungen und Märchen? Die Forschung wird das sicher aufklären.
Haben Stalins ermordete Generale und jene, die er dann reintegrierte, weil er sie an der Front brauchte, möglicherweise auch nur gelogen? Man lese dazu sowjetische Autoren, die recht offen über die Wahrheit berichtet haben. Möglicherweise ist aber Wahrheit heute gefährlicher denn je für jene, die sie offen auszusprechen wagen.
Sind alle Konzentrationslager nach 1945 und die fürchterlichen Zustände darin reine Spinnerei? Fünfeichen, Sachsenhausen und viele andere?
31. Mai 2013 um 07:00
Stefan Köhler
Es ist zynisches Kalkül, feindliche Einstellungen gegenüber Opfern und Widerständlern in der jeweiligen Macht zu installieren.
Wenn noch einige Jahrzehnte dieser Forschungen vergangen sind, werden unsere Nachfahren wissen, dass es die Opfer von Workuta gar nicht gegeben hat. In Dresden gab es dann einen Geburtenboom und keine Opfer von Napalm- und Phosphorbomben.
Wir wollen doch auch die schlimmsten Ereignisse mittels Forschung durch eine rosarote und euphorische Brille betrachten, damit wir die Verbrechen der jeweiligen Gegenwart als solche nicht mehr wahrnehmen müssen. Die geistige Euthanasie wird erfolgreich vorangetrieben. Die reine Konsum-,Spaß-, Geiz- und Giergesellschaft des Mammons erstickt jeden freien und aufgeweckten Geist. Das funktioniert im Sinne der Profiteure dieser schädlichen Entwicklung besser als jede Gewalt durch Zuchthäuser und Konzentrationslager aller Art, es ersetzt den offenen Gesinnungsterror durch Volksverblödung. Für nicht zu beugende Geister und freie Meinungen haben wir dann willkürlich anwendbare Strafregeln. Notfalls werden Betroffene einfach kriminalisiert. Die Palette der Kunstgriffe ist unendlich groß und vielfältig. Am Anfang steht immer die Verleumdung mittels Streuung von Halbwahrheiten, reinen Lügen und Verdächtigungen, der dann der systematische Rufmord folgt. Auf dieser Basis ist dann alles machbar.
Für diese These können sofort zahlreiche praktische und vollendete Beispiele in allen Schichten unseres Volkes benannt werden.
31. Mai 2013 um 10:38
Susanne Baumstark
@ Stefan Köhler
Darf ich Ihren hervorragend formulierten u.s. Absatz bei Gelegenheit mal in einem Artikel zitieren, unter Nennung Ihres Namens?
„Die geistige Euthanasie wird erfolgreich vorangetrieben. Die reine Konsum-,Spaß-, Geiz- und Giergesellschaft des Mammons erstickt jeden freien und aufgeweckten Geist. Das funktioniert im Sinne der Profiteure dieser schädlichen Entwicklung besser als jede Gewalt durch Zuchthäuser und Konzentrationslager aller Art, es ersetzt den offenen Gesinnungsterror durch Volksverblödung. Für nicht zu beugende Geister und freie Meinungen haben wir dann willkürlich anwendbare Strafregeln. Notfalls werden Betroffene einfach kriminalisiert. Die Palette der Kunstgriffe ist unendlich groß und vielfältig. Am Anfang steht immer die Verleumdung mittels Streuung von Halbwahrheiten, reinen Lügen und Verdächtigungen, der dann der systematische Rufmord folgt. Auf dieser Basis ist dann alles machbar.“
30. Mai 2013 um 20:01
Dr. Wolfgang Mayer
Ich schäme mich für „Aufarbeiter“ und Wissenschaftler vom Schlage einer Frau Dr. Ines Reich.
Wolfgang Mayer
30. Mai 2013 um 18:47
Bernd Stichler
Hubertus Knabe sagte einmal wörtlich :“ Der größte Feind des Historikers ist der Zeitzeuge „. Ähnliche Erfahrungen habe auch ich während meiner Amtszeit machen müssen. Auch wurde ich das Gefühl nicht los, daß einige derjenigen, die eigentlich beruflich f ü r uns tätig sein sollten ihre feindliche Einstellung uns gegenüber nur schwer verbergen konnten. Ich halte Frau Reich für ungeeignet, dieses Amt zu bekleiden.
30. Mai 2013 um 14:37
Stefan Köhler
Wirklich traurig dieser Fall! Jeder sei aber untertan der bürokratischen Gewalt, die über ihn herrscht. Die Bürokratie ist alles, der einzelne Mensch nichts. In Zukunft deshalb immer unter Zeugen mindesten 1 Meter Abstand zu Bürokratiehütern lassen und am besten nichts sagen. Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Die ausgleichende Grechtigkeit kommt ohne unser Zutun mit der Macht des Schicksals von ganz allein. Wir wissen auch nichts ohne die erhabenen Geschichtsforscher, die inzwischen sogar den Christenschlächter Nero vergöttern.