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Berlin/Hamburg, 28.02.2013/cw – Der Grandseigneur der Opfer- und Verfolgtenverbände der zweiten Diktatur und Ehrenvorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Horst Schüler (88), setzt sich in einem lesenswerten heutigen Beitrag im Berliner TAGESSPIEGEL mit dem „Kampf um die Deutungshoheit“ beider durchlittener Diktaturen in Deutschland auseinander.
Der einstige Journalist und von 1964 – 1989 Redakteur beim „Hamburger Abendblatt“ kann als klassischer Zeuge deutscher Geschichte bezeichnet werden. Sein Vater wurde im NS-Terror umgebracht, Horst Schüler selbst fand sich im selben Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße wieder, diesmal unter der Ägide des stalinistischen KGB. Im Gefolge wurde er 1951 durch ein Sowjetisches Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt, in dem er bis 1955 in der Strafregion Workuta verbleiben mußte.
In seinem Beitrag setzt sich Schüler mit den Thesen des ehemaligen Direktors des Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz auseinander, der u.a. einen vom Europäischen Parlament propagierten europaweiten Gedenktag für die „Opfer aller totalitären und autoritären Regime“ ablehnt. Benz sieht darin eine Nivellierung der Unterschiede zwischen Nationalsozialistischer Verfolgung und kommunistischem Terror. Damit werde der Judenmord und der Genozid an Sinti und Roma marginalisiert. Benz hatte dies in einem Beitrag vom 21. Februar in der selben Zeitung begründet > DER TAGESSPIEGEL 21.02.2013 (http://www.tagesspiegel.de/wissen/ns-zeit-und-stalinismus-ums-gedenken-streiten/7814060.html).
Horst Schüler bekundet seinem Gegenpart hohen Respekt, stellt aber fest, dass „der Artikel (von Benz) große Irritationen unter den ehemaligen politischen Häftlingen des kommunistisch-stalinistischen Terrors“ ausgelöst habe. Schüler weist darauf hin, dass das vergangene Jahrhundert „als das Jahrhundert zweier verbrecherischer Herrschaftssysteme, deren Terror Millionen und Abermillionen vernichtete“ gelte So werde „der Name Auschwitz für immer Synonym für ein staatlich angeordnetes Verbrechen sein.“
Schüler zitiert Jörg Baberowski, Professor für die Geschichte Osteuropas an der Humnoldt-Universitität aus dessen Buch „Verbrannte Erde“ (2012): „Jedermann konnte jederzeit Opfer des staatlich organisierten Terrors werden …. weil es dem Diktator (Stalin) gefiel, Menschen zu töten und in Angst und Schrecken zu versetzen.“ Und: „ Es gab kein Land, in dem Menschen in solcher Angst leben mussten wie in der Sowjetunion.“
Dagegen vertrete Benz die Meinung, es „ sei nicht die Absicht sowjetischer Politik gewesen, Menschen auszurotten, weil sie zu bestimmten Ethnien oder Religionsgemeinschaften gehörten.“ Benz fordere den Beweis, „dass Freiheitsentzug im KGB-Gefängnis das Gleiche war wie Haft im nationalsozialistischen KZ,“ dieser Beweis sei „weder zu erbringen noch notwendig.“ Horst Schüler setzt dem entgegen: „Mir jedenfalls haben KGB-Offiziere bei ihren Prügel-Verhören eine Niere kaputt geschlagen, von den Zähnen gar nicht zu reden… Letztlich konnten wir glücklich sein, nicht zu den Tausenden gehört zu haben, die hingerichtet wurden.“ Schüler beteuert, mit seiner Aussage keinesfalls ein „Gramm von den zentnerschweren Qualen“ nehmen zu wollen, „denen Menschen in Nazi-Haft unterlagen“ und erinnert, daß auch sein Vater 1942 in Sachsenhausen in den Tod getrieben worden sei.
Einerseits, so Schüler, betone Benz die gleiche Würde des erlittenen Leids „unabhängig von der politischen Intention des Regimes“ andererseits fordere Benz den „richtigen Platz“ für die jeweiligen Opfer im Geschichtsbild. Das entziehe sich dem Verständnis der Opfer von Gewalt und Terror, kritisiert Schüler und führt die Zusammensetzung der Insassen des Gulag aus „Christen, Juden, Moslems, Ungläubigen, … Polen, Balten, Tschechen, Deutsche, Rumänen, Ungarn (und) Russen“ an, die als geschundene Opfer nur überleben konnten, weil sie … solidarisch waren. „In den KZ der Nazis wird das nicht anders gewesen sein.“
Der Vorschlag des Europäische Parlamentes, den Tag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes, den 23.August (1939), zum gemeinsamen Gedenktag zu machen, sei keine Nivellierung der „Unterschiede zwischen nationalsozialister Verfolgung und kommunistischem Terror.“ Er, Schüler, könne daher daher die Einstufung der Initiatoren dieses Gedenktages durch Benz als „militante Antikommunisten mit rückwärtsgewandtem Blick“ nicht nachvollziehen. Auch dessen Hinweis, daß bisher kein westeuropäischer Staat diesen Feiertag beginge, verwundert den einstigen Gulag-Häftling nicht, diese hätten den komunistisch-stalinistischen Terror nicht erleiden müssen.
Abschließend betont Horst Schüler im Zusammenhang mit den aktuellen Auseinandersetzungen um das Gedenken im ehemaligen KGB-Gefängnis Leistikowstraße (Potsdam), dass „wir kein Haufen“ sind, „in dem Wertungen und Meinungen vorgeschrieben werden.“ Ein Gesetz allerdings gebe es: „Wenn uns jemand in die Nähe braunen Gedankengutes rücken will – und mag dies auch noch so intellektuell verbrämt geschehen -, dann werden wir un s geschlossen und mit allen Mitteln dagegen wehren.“
Der Kampf um die Deutungshoheit erscheint oftmals als eine gezielte Verletzung der Opfer des Kommunismus, deren Leiden gezielt aus erkennbaren ideologischen Motiven heraus klein geredet werden sollen. Um so wichtiger erscheint das Engagement in dieser konkreten Auseinandersetzung durch Zeitzeugen der Geschichte, für die Horst Schüler als integeres und glaubwürdiges Beispiel steht.
Der vollständige Beitrag von Horst Schüler unter: http://www.tagesspiegel.de/wissen/ns-zeit-und-stalinismus-den-kommunistischen-terror-erlitten/7850130.html.
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
Hans-Joachim Kögel starb im Kreise seiner Familie
*01.08.1921 †24.01.2013
Berlin/Heidelberg, 27.02.2013/cw – Es war eine schlimme Nachricht, trotz Anhäufung trauriger Depeschen. Wieder hat uns ein aktiver Teilnehmer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 verlassen. Der bislang rüstige 91jährige Hans-Joachim Kögel starb im Kreise seiner Familie wohlversorgt am 24. Januar. Noch im letzten Jahr hatte er uns signalisiert, aus Anlass des 60. Jahrestages nach Berlin kommen zu wollen. Es wäre eine bewegende Begegnung zwischen dem Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin, die in diesem Jahr die Rede auf dem Friedhof Seestraße halten wird, und dem über neunzigjährigem Zeitzeugen des Aufstandes geworden.
Am 17.Juni 1953 beteiligte sich Kögel aktiv am Volksaufstand in der Weißenfelder Innenstadt und an der Befreiung von politischen Gefangenen. Nach der Niederschlagung des Aufstandes durch sowjetische Truppen entging er nur knapp einer Verhaftung. Im Gefolge nahm er den nicht ungefährliche Kontakt zum Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen und dem Ostbüro der SPD auf und wurde schließlich am 20.09.1955 auf dem Weg zur Arbeit verhaftet („Roter Ochse“ in Halle).
Am 17. Januar 1956 holte den einstigen Siebzehner, wie sich die Aufständischen noch heute bezeichnen, die Vergangenheit ein. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, wobei eine Teilnahme am Aufstand nur vermutet wurde, aber glücklicherweise nicht nachgewiesen werden konnte. Kögel empfindet das Urteil im Vergleich zu dem Schicksal seiner Kameraden vom 17. Juni noch heute als „glimpflich“ infolge der Tauwetterperiode nach dem Besuch Adenauers in Moskau. Während des Volksaufstandes in Ungarn rebellierte er mit anderen Haftkameraden und wurde als „potentieller Aufrührer“ zurück in die Haftanstalt Volkstedt verlegt.
Am 15.11.1957 wurde er wegen einer schweren Lebererkrankung vorzeitig entlassen und konnte zu seiner Familie mit zwei Töchtern zurückkehren. Wenige Monate zuvor war seine Frau aus der Tannenfelder Nervenheilanstalt entlassen worden. Sie hatte durch die Verhöre der Stasi einen Nervenzusammenbruch erlitten.
Der gelernte Bankkaufmann mußte sich als Bauhilfsarbeiter verdingen und flüchtete schließlich im April 1958 nach West-Berlin. Nach der Übersiedlung nach Heidelberg war er bis zu seiner Pensionierung in der dortigen Sparkasse tätig.
Seither studierte der rüstige Greis an der legendären Universität Heidelberg, seine jungen Kommilitonen begegneten ihm ehrfurchtsvoll. Sein Studium hatte sich bis nach Japan herumgesprochen, auch als Zeitzeuge war Hans-Joachim Kögel ein gefragter Mann.
Ob seines eindrucksvollen Lebenslaufes und angesichts des bevorstehenden 60. Jahrestages des Volksaufstandes hatte ihn die Vereinigung für die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Heidelberg vorgeschlagen. Der Tod verhinderte eine Realisierung wie auch die Begegnung mit der Führung unseres Staates an den Gräbern unserer Kameraden. Wir werden unserem Kameraden Hans-Joachim Kögel, der sich durch stete Hilfsbereitschaft und gewährte Freundschaft auszeichnete und der ebenfalls langjähriges Mitglied der VOS war, ein ehrendes Andenken bewahren.
Siehe auch: https://17juni1953.wordpress.com/2012/06/17/ein-siebzehner-jahrgang-1921/
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Carl-Wolfgang Holzapfel, Vorsitzender, Berlin
Tel.: 030-30207785
*15.01.1960 Meiningen/Thür. – † 21.02.2013 Marbach b/Stuttgart
Hinweis zur Trauerfeier am Ende des Beitrags.
Berlin, 26.02.2013/cw – Unsere Kameradin Petra Koch ist tot. Sie wurde von ihrer Schwester am vergangenen Donnerstag tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Petra wurde 53 Jahre alt.
„Sie wollten unsere Persönlichkeit brechen, das war das erklärte Ziel. Doch mein Glaube hat mir geholfen.“ (Petra Koch in „Der Dunkle Ort“, be-bra-Verlag 2012, Seite 94). Ein Bekenntnis, das wohl über ihrem Leben stand. Wir werden sie als sensiblen, liebevollen Menschen in Erinnerung behalten. Wer sie kannte, bemerkte, dass sie mit ihrer Meinung nicht hinter den Berg halten konnte, geradeaus, ohne Kurven und Schleifen.
Als Petra Koch 1978 als Sekretärin im Rat des Kreises Meiningen ihre Arbeit beginnt, bekommt sie sehr schnell die Unzulänglichkeiten im sozialistischen Alltag mit. Ihre offene Art führt zu Repressalien, sie kündigt schon 1981.
Mit Bedacht sucht sie eine Stellung in einem Reisebüro. Sie erhofft sich Kenntnisse über Fluchtwege aus dem abgelehnten Staatswesen. Im Sommer 1982 scheitert ein erster Fluchtversuch, die Daten auf den mitgeführten Karten sind falsch, führen ihren Freund und sie in die Irre. Sie haben Glück und können unbemerkt in die DDR zurückkehren.
Ein Jahr später werden sie bei einem zweiten Versuch in der CSSR verhaftet. Zehn Tage werden sie schwer misshandelt, ehe sie in das Stasi-Gefängnis in Suhl transportiert werden. Am 20.10.1982 wird Petra wegen versuchter Republikflucht zu zwei Jahren Haft verurteilt und Anfang November in das berüchtigte DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck überstellt. Am 17.08.1983 (Todestag von Peter Fechter) wird sie nach dem Freikauf mit ihrem Freund in die (alte) Bundesrepublik entlassen.
Typisch für den späteren Lebensweg findet sie 1984 Arbeit in einer psychosozialen Beratungsstelle; ein Jahr später heiratet sie, und 1987 wird ihr Sohn Stephan geboren. Kurz nach der Maueröffnung, im Jahre 1990, sieht sie zum ersten Mal das DDR-Frauenzuchthaus in Hoheneck wieder. Sie empfindet es als bewusste Konfrontation, alte Wunden brechen wieder auf.
Ist das der eigentliche Grund? Jedenfalls erfolgt zehn Jahre später die Trennung von ihrem Mann. Petra verschreibt sich der Aufarbeitung, veröffentlicht 2002 ein Buch („Menschenwege“, ISBN: 9783828016835 – Verlag: Frieling & Huffmann) über ihre Erlebnisse. Typisch für sie: Sie hatte in Hoheneck einer Kameradin versprochen, alles Erlebte aufzuschreiben. Konsequent beginnt sie im gleichen Jahr mit Vorträgen, referiert in Schulen. Sie findet einen neuen Lebensinhalt, arbeitet nach einem Journalistikstudium ab 2006 als freiberufliche Publizistin.
Erst 2010 schließt sie sich dem Frauenkreis der ehem. Hoheneckerinnen an, den sie aber schon 2012 enttäuscht wieder verlässt, „da sie Unwahrheiten nicht vertragen konnte,“ wie Rosel Werl vom Frauenkreis der Todesnachricht anfügte.
Ich erinnere mich gut an die Fürsorge, die sie einem vor dem Zusammenbruch stehenden Kameraden am Rande einer turbulenten Versammlung im Schatten des Bundespräsidenten-besuches 2011 angedeihen ließ. Für Petra Koch stand stets der Mensch in seiner Komplexheit und seinen Widersprüchen im Mittelpunkt. Sie wird uns als menschlicher Lotse durch stürmische Zeiten, als Freundin und Kameradin fehlen. Wir trauern mit ihrer Familie um einen unvergesslichen Menschen, um eine beeindruckende Frau.
Die Trauerfeier findet am Mittwoch, 27. Februar um 13:30 Uhr auf dem Friedhof in Marbach bei Stuttgart statt.
Wir haben ein Kranzgebinde zur Trauefeier in Auftrag gegeben. Wer sich daran beteiligen möchte wird gebeten, eine Spende auf unser Konto:
Förderverein BuG Hoheneck e.V., Sparkasse Erzgebirge, Konto 725004037, BLZ 870 540 00 zu überweisen.
V.i.S.d.P.: Redaktion „Hohenecker Bote“, Stollberg/Berlin, Tel.: 030-30207785
Berlin, 24.02.2013/cw – Der bekannte Forscher in der BStU, Prof. Dr. Helmut Müller-Enbergs, hält am kommenden
Dienstag, 26.02.2013
im Old Fellow Haus Fontanestr.12 A, 14193 Berlin
einen Vortrag zum Thema:
„Spionage der DDR gegen die Bundesrepublik Deutschland“
Beginn: 20:00 Uhr
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Ein Einwurf
Berlin, 22.02.2013/cw – Um es vorweg zu sagen: Der angesehene und zur guten PR fähige Forscher und Buchautor Ilko-Sascha Kowalczuk war nach allen bisherige Erkenntnissen kein IM der Stasi, weder haupt- noch nebenamtlich. Nach seiner neuesten Studie über „Die schlanke Stasi“ (so spiegel-online / Stefan Berg) wird der Historiker aber nicht die Wissenschaftlichkeit vorgestellter Fragestellung bestreiten wollen. Denn Wissenschaft stellt die Fragestellung an den Anfang jedweder Forschung und sucht Antworten, die sie mit ihren Erkenntnissen mal mehr oder weniger fundiert untermauert. Das ist ihre vornehmste Aufgabe.
Der Aufschrei gegen Fragestellungen, die sich durch gefühlte oder bereits überprüfte Wahrnehmungen eigentlich erledigt haben, ist den Fragestellern gewiss, so auch mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit dem Verfasser dieser Zeilen. Dabei geht es hier nicht um eine vermeintlich echte wissenschaftliche Frage, sondern um ein Beispiel, wie schnell vorgebliche wissenschaftliche Intention ein Geschmäckle bekommen kann, also genau das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit belegt.
Wir wissen nicht, ob jetzt von der einstigen Generalität abwärts, zumindest bei deren Überlebenden, die Sektkorken knallen. Wahrscheinlich auch dies, belegt bisher nicht. Zumindest solange nicht, wie nicht eine Gestrigen-Postille triumphierend Fotos von Kelche schwingenden Obristen veröffentlichen (was nicht zu erwarten steht, weil die Schreiber und Betreiber dieser Blätter ihr propagandistisches Handwerk gelernt haben).
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Interessante LINKS zum Thema STASI:
http://www.epochtimes.de/ddr-forscher-es-gab-deutlich-weniger-im-als-angenommen-1062304.html
http://www.neues-deutschland.de/artikel/811022.lange-her-nicht-vorbei.html
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Wir dürfen aber vermuten, dass die jetzt vorgelegte Kowalczuk-Studie zur „Verschlankung der Stasi“, die inhaltlich bis auf die angesprochene Bezug nehmende Veröffentlichung in spiegel-online nicht bekannt ist, auf ein größeres Interesse bei den Alt-Vorderen stoßen wird, als bei den Verfolgten und Opfern der Stasi-Krake. Warum?
Staatssicherheit wurde dämonisiert
Den Verfolgten und Opfern ist der von Kowalczuk aufgelegte Streit um tatsächliche Zahlen über die Mitarbeiter ihrer Peiniger egal, weil sie noch heute unter vielfachen Traumata dieser Verfolgung leiden und bis ans Lebensende nicht werden ablegen können, verstärkt durch die mehr als zaghaften Ansätze der Politik zu einer Wiedergutmachung (Stichwort: Soziale Zuwendung). Was die Verfolgten und ihre Verbände aber unabhängig von jeder wissenschaftlichen Beurteilung zu Recht auf die Barrikaden treiben wird, ist die von Spiegel-Autor Berg behauptete Intention des Verfassers der Stasi-Studie. Man habe, so wird Kowalczuk zitiert, „den Staatssicherheitsdienst dämonisiert“, ein Bild von diesem geschaffen, welches „mit der Realität nichts gemein“ habe. Das bisher gezeichnete Bild „vom Stasi-Offizier sei ein Zerrbild“, und (die Stasi-Opfer brechen vermutlich in Tränen aus) „keine Personengruppe“ sei „so intensiv und systematisch“ überwacht worden, wie der hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter selbst.
Hier sei eine aktuelle Anregung eingefügt: Es sollte schnellstens ein „Opferverband der durch Überwachung geschändeten Stasi-Mitarbeiter“ gegründet werden, um deren nunmehr berechtigten Ansprüche gegenüber den Verleumdern (Abtretung von Teilen, im schlimmsten Fall der gesamten sozialen Zuwendung) bis hin zu Ansprüchen gegenüber dem Staat wegen erlittener Verfolgungsmaßnahmen zu vertreten. Es finden sich sicherlich lässig Engagierte, die bei der Gründung und Satzungsformulierung behilflich sind.
Zurück zum Ernst der Wissenschaft: Niemand kann dem rastlosen Buchautor und Forscher Kowalczuk das Recht bestreiten, die bisherigen Zahlen über die Stasi-Krake zu hinterfragen und, wo notwendig zu korrigieren. Man wird auch nicht verlangen können, die sicherlich zumindest einseitig wirkende „westliche Sicht“ auf das SED-MfS-System der DDR fortsetzen zu müssen. Insoweit waren und sind sachlich und wissenschaftlich begründete Korrekturen sicherlich notwendig und ohnehin zulässig.
Was unter diversen Gesichtspunkten fragwürdig erscheint, sind die aufgeführten Intentionen der „Dämonisierung“ der durch und durch nach sowjetischem Vorbild verbrecherisch konzipierten Institution. So müsste die Gegenüberstellung von 6.000 Mitarbeitern der GESTAPO (bei 80 Millionen Staatsbürgern) den sechsstelligen Mitarbeiterzahlen (bei 17 Millionen Staatsbürgern) ebenso obligatorisch sein, wie der unzweifelhafte Kampf gegen „andere Meinungen“, die mit Hilfe der Stasi als „Vollstrecker der SED“, hier hat Kowalczuk zweifellos Recht, zu kriminellen Delikten gegen Staat und Gesellschaft konstruiert wurden.
Wurden Müller-Enbergs und Hubertus Knabe befragt?
So sehr die „wunderbare Entlastung“ der SED und ihrer Mitglieder kritisiert werden muß (und nicht erst durch Kowalczuk thematisiert wird), unter diesen eine unbekannte Zahl von Überzeugungstätern, die vielfach als IM gar nicht erfasst waren, weil sie auch ohne Verpflichtung ihrer Parteipflicht auf Denunzierung von Staats- und Parteifeinden nachkamen, so sehr sind Begriffe wie Dämonisierung der Stasi in diesem Zusammenhang völlig daneben, unangebracht und aufgrund bisheriger Erkenntnisse auch unwissenschaftlich.
Erinnert sei an die hilflose Argumentation von Kowalczuk und seiner Mitautoren gegenüber den seinerzeitigen Vorhalten der Vereinigung 17. Juni, einem nach dem Aufstand vor sechzig Jahren gegründeten „Kampfverband für die Umsetzung der Ziele des 17. Juni 1953“. Auf die Kritik an der Wiedergabe offensichtlich falscher Fakten über den Verein und einzelner Funktionäre in dem 2004 aufgelegten Buch „Die verdrängte Revolution“ räumten die Autoren ein, aus den vorliegenden Stasi-Akten abgeschrieben und wegen des Termindrucks keine Zeit gehabt zu haben, MfS-Vermerke zum Beispiel durch Rücksprachen mit einstigen Akteuren zu hinterfragen. Eine notwendige Berichtigungs-Beilage zeigte kaum Wirkung. Noch heute zitieren Gegner des Vereins genüsslich diese falschen Angaben aus den Stasi-Akten, weil die Autoren außerhalb jeden Zweifels standen.
Auch hier steht die berechtigte Frage im Raum: Wurden die kritisierten, nicht weniger renommierten Forscher Helmut Müller-Enbergs und Hubertus Knabe zu den „Forschungsergebnissen“ von Kowalczuk befragt oder um ihre Meinungen gebeten?
Bleibt zu hoffen, daß Ilko-Sascha Kowalczuk die ausdauernde und anhaltende Zitierung aus seiner neuesten Arbeit durch Ewig-Gestrige zur Verteidigung ihrer Untaten erspart bleibt. Das Werk wird sicherlich wie gewohnt auf Kosten des Steuerzahlers demnächst als Buch erscheinen. Vielleicht erklärt uns der Autor demnächst ja auch die Dämonisierung der GESTAPO, die mit ihrer vergleichbaren niedrigen Anzahl von Mitarbeitern eigentlich unbedeutend war und absichtlich gegenüber ihrem Auftraggeber NSdAP dämonisiert wurde. Um ebenfalls die Partei und deren Genossen zu entlasten?
V.i.S.d.P.: C.W. Holzapfel, Berlin, Tel:: 030-30207785
Siehe auch: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/studie-zur-stasi-zahl-der-im-in-der-ddr-umstritten-a-884493.html
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