Berlin, 23.01.2013/cw – Die Beratungsstelle GEGENWIND für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur bietet in der Moabiter Bredowstraße 36 (U-Bhf. Turmstr.) nicht nur Beratungen für Opfer der SED-Diktatur an. In Gruppenarbeiten bietet sie Betroffenen vielfache Möglichkeiten an, die durch brutale Einschnitte in deren Lebensplanungen gestörten Seelen wieder in ein zuträgliches Gleichgewicht zu bringen.
Seit fünf Jahren gehört zu diesem Angebot eine Malgruppe, in der Verfolgte und Opfer der zweiten Diktatur ihre Empfindungen und Erinnerungen in grafische und bildliche Darstellungen umsetzen können. Seit gut einem Jahr zeigt GEGENWIND in einer von den Landesbeauftragten Berlin und Brandenburg geförderten Wanderausstellung eindrucksvolle Ergebnisse dieser Arbeit. Vom 17. Januar bis zum 24. Februar ist diese Ausstellung nun in der Zionskirche (Zionskirchplatz, Berlin-Mitte) auf der Empore zu sehen.
Auf eben jener Empore wurden Ende der achtziger Jahre von den Aktivisten der dort beheimateten Umweltbibliothek großformatige Transparente gefertigt, auf denen die Forderungen der jungen Demokratie-Bewegung der DDR formuliert wurden. Eindrucksvolle Spuren der Transparent-Erstellung sind noch heute dort zu
sehen, ohne dass bedauerlicherweise eine wünschenswerte Spurensicherung erkennbar wäre. Überhaupt vermittelt der Ausstellungsort eine denkwürdige Symbiose zwischen Geschichte und aktueller Darstellung von Gemütslagen einst Verfolgter. Spuren zaghaft wirkender Renovierungsabsichten verdecken nur notdürftig den Innenblick auf den ruinösen Zustand der Kirche, an der 1932 der spätere Widerständler und Vorzeige-Märtyrer der Evangelischen Kirche Dietrich Bonhoeffer wirkte, der noch kurz vor Kriegsende von den Nazis im KZ Flossenbürg ermordet wurde.
Die etwas unglücklich wirkende Verteilung der ausgestellten Bilder auch auf die Seitenflügel der Empore ist ärgerlich, weil diese ohne Führung oder besonderen Hinweis leicht übersehen werden. Andererseits ermöglicht die Einbeziehung auch dieser Bilder in den Rundgang ungewohnte und beeindruckende Sichtweisen auf das Kirchenschiff.
Dipl. Psychologin Stefanie Knorr verwies anlässlich der Eröffnung am heutigen Mittwoch auf die angestrebte „Erlösung“ von vielfachen Traumatisierungen durch die Möglichkeiten, sich künstlerisch mit Erlebnissen auseinanderzusetzen. Traumata seien keine Einheit, sondern häufig in vielen einzelnen Sparten des Gehirns „abgelegt“. Daher sei die erforderliche Aufarbeitung sehr kompliziert und nicht durch „ein paar Beratungen“ zu beseitigen.
Detlef Jablonski, Urgestein der Beratungsstelle, weil von Beginn an (1998) dabei, spielte auf seiner Gitarre zur Eröffnung seine bekannten Stasi-Lieder und gab so der leider nur spärlich besuchten Auftaktveranstaltung eine musische Note.
Im Fleyer zur Ausstellung wurde leider die Angabe der Öffnungszeiten versäumt. Diese sollten erfragt werden bei der Zionskirche oder direkt bei GEGENWIND,
Tel: 39 87 98-11 oder 12.
Die Ausstellung kann ausgeliehen werden; es stehen bis zu 90 Kunstwerke für diesen Zweck zur Verfügung.
Detlef Jablonski: „Und der Lauscher an der Wand hörte seine eigene Schand … und bekam 50 Mark dafür“
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785 – Alle Fotos: LyrAg
1 Kommentar
24. Januar 2013 um 05:22
Edith Fiedler
Vielen Dank für den kleinen Einblick in diese Ausstellung. Leider wird in der Aufarbeitungsszene nie an „Barrierefreiheit“ gedacht. Voriges Jahr war ich zum Treffen der ehemaligen Hoheneckerinnen in Zwönitz. Zum Programm gehörte auch die Besichtigung der *Burg Hoheneck*, so nannten die strafgefangenen Frauen ihr Verlies. Ich hatte zwei Gehstöcke zur Benutzung bei mir und eine weitere ehemalige Gefangene, die extra aus Berlin angereist war, hatte zwei Gehstützen dabei. Der Vertreter des Eigentümers ließ uns nicht mit hinein, weil wir eine Belastung für ihn seien. Dabei wollte ich nur still auf dem Hof sitzen und mich meinen Erinnerungen hingeben. Genau wie auf dem Bild „Versuchte Aufarbeitung: Das einstige Frauenzuchthaus Hoheneck“ wollte ich die Gewalt der Gebäude und die darin versickerten Tränen der tausenden Frauen erspüren.Ich wollte mich erinnern, wie am 7.4.1977 die großen, rostigen Sichtblenden vor den Fenstern von strafgefangenen Männern abgeschweißt wurden und mit Getöse auf den Hof fielen und wir bei jeder Platte laut jubelten und dies sogar unbestraft tun durften.Auch andere Erleichterungen wurden eingeführt. Ob diese im Jahr 1978 noch beibehalten wurden, weiß ich nicht.
Unlängst bekam ich eine Einladung von einem Konkurenzverein des *Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck e,V.* (Vorsitzende: Tatjana Sterneberg, ehemalige politische Gefangene in Hoheneck).
Der besagte Konkurrenzverein nennt sich: *Förderverein Gedenkstätte Stollberg
-Frauenhaftanstalt- Hoheneck e.V.*
Vorsitzender: Dietrich Hamann, ehemaliger Vertragsoptiker für die StVE
Hoheneck, 915 Stollberg,PSF 37.
Wetten dass es in ….Jahren heißt „Frauenhaus Hoheneck“ und noch später
“ Mutter-Kind-Erholungsheim Schloß Hoheneck“.
Praktisch ist auch die weichgewaschene -Frauenhaftanstalt- einfach wegzulassen.
Mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.