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Von Carl-Wolfgang Holzapfel
Berlin-Friedrichsfelde, 13.01.2013/cw – Wer kennt die Metapher nicht: Mit dem Tod hört alles auf, auch der Hass, die einstige personalisierte Gegnerschaft. So weit, so gut.
Als ich am Sonntag über den Sozialismus-Hain in Berlin-Friedrichsfelde pilgerte, um mich über die historischen Hinterlassenschaften auf diesem berühmten Friedhof zu informieren, stand ich nicht nur vor den von roten Nelken und Kränzen zugedeckten Grablatten von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Diese waren Opfer eines politischen Mordes geworden, ihr ruchloser, gewaltsamer Tod verlieh ihnen unvergessliche historische Dimension.
Ich stand aber auch vor der Grabplatte Walter Ulbrichts, dem Gründungsvater der SED, der DDR, der GESTAPO-nachfolgenden Stasi, dem Verantwortlichen für den Bau der Berliner Mauer, dem Schergen tausender politischer Verfolgter, unter denen auch zahlreiche Tote durch die verordnete sozialistische Hinrichtung zu vermerken waren. Auch sein Grab war mit frischen roten Nelken geschmückt. Ulbricht hatte mit Joseph Goebbels 1932 gemeinsam den Generalstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben organisiert. Soll ich nun darüber traurig sein, dass es kein Grab von Goebbels gibt (natürlich nur aus historischen Gründen)?
Soll ich weitere geschmückte Gräber anführen? Das Grab der „roten Hilde“, der einstigen berüchtigten Justizministerin Hilde Benjamin, die zum Beispiel in den Waldheimer Prozessen ihrem augenscheinlichen Vorbild, dem NS-Blutricher Roland Freisler nacheiferte? Oder die Gräber einstiger Stasi-Größen, an deren Händen einst Blut klebte und die ebenfalls frische rote Nelken zierten?
Nun werden mich sicherlich nicht nur Unbelehrbare darüber belehren, das es sich bei den Grabstätten um historische Monumente, um Denksteine deutscher Geschichte handelt, die man ja nicht mehr auslöschen oder gar durch Eliminierung der Grabstätten ungeschehen machen könne. Außerdem schließe der Tod ja jedwede Auseinandersetzung ab… siehe oben.
Mag ja alles sein. Und mag ja auch sein, daß die alljährlichen Pilgermärsche der Ewiggestrigen der historischen Mahnung und Erinnerung geschuldet sind. Und daher die alljährliche überaus sachlich gefärbte Berichterstattung über die Teilnahme von über zehntausend Genossen in TV-, Radio- und Druck-Medien gerechtfertigt sind. Mag alles sein.
Trotzdem komme ich ins Grübeln. Dabei mag ich gar nicht daran denken, was um ein existierendes Hitler-Grab geschehen würde; es gibt es nicht – dem Himmel sei Dank. Aber es gab in der kleinen bayrischen Stadt Wunsiedel ein Grab für Rudolf Hess, Hitlers einstigen Partei-Stellvertreter, der nach seinem ungeklärten Tod im August 1987 seinem Wunsch entsprechend im Familiengrab beigesetzt worden war. „Seinem Wunsch wurde aus dem christlichen Beweggrund entsprochen, nicht über den Tod hinaus zu richten.“ So der Eintrag in WIKIPEDIA dazu.
Die dortige evangelische Kirchengemeinde hielt wohl nichts von dieser in der Internet-Enzyklopädie zitierten christlichen Grundmeinung. Weil „nach wie vor ungebetene Demonstrationen von Neo-Nazis zum Todestag am Grab“ zu befürchten waren, ließ die Gemeinde das Grab nach Ablauf der Liegezeit einebnen. Punkt.
Nun war ja Rudolf Hess eine historisch besonders interessante Figur, weil u.a. die Hintergründe seines Fluges nach England im Mai 1941 bis heute nicht geklärt sind. Die Britische Regierung hat die Öffnung der Hess-Akten immer wieder hinausgeschoben, zuletzt bis zum Jahr 2017… Hier sollen die diversen – und widersprüchlichen – Aspekte nicht aufgeführt werden, um nicht etwaigen, gar mutwilligen Spekulationen Vorschub zu leisten.
Aber warum dürfen unter medialem Auftrieb Symbole der DDR-SED-Diktatur demonstrierend durch die Berliner Straßen nach Friedrichsfelde getragen werden, warum dort die Träger der überwundenen SED-Diktatur wie Walter Ulbricht unter dem Deckmantel der vorgeblichen Liebknecht-Luxemburg-Erinnerung geehrt werden, ohne dass auch nur ein kritisches Wort in den Medien, von verantwortlichen demokratischen Politikern zu vernehmen ist?
Warum kam es regelmäßig zu medialen Entrüstungen und dem Aufschrei demokratischer Politiker, wenn sich ein nicht annähernd so großer Haufen ewiggestriger Nazis zum Todestag von Rudolf Hess in Wunsiedel einfand, um an dessen Todestag zu erinnern? Hess selbst, so schilderte mir der einstige Berliner Bischof Kurt Scharf, der seitens der evangelischen Kirche für die Kriegsverbrecher zuständig war, der letzte Gefangene in Spandau hätte sich derlei neo-nazistische Aktionen verbeten; er hielt von diesen Neuauflagen nichts.

Hinter dem Stein Gedenken, ein Kranz von der Stiftung Aufarbeitung – Vor dem Gedenkstein die Alibi-Nelken der Kommunismus-Fans
Müssen wir mit dem offensichtlich doppelzüngigen Umgang mit der Geschichte und deren Toten, die irgendwann einmal zu unser aller Nachteil deutsche Geschichte – auch mordend – geschrieben haben, leben, diese Doppelzüngigkeit hinnehmen?
V.i.S.d.P.: C.W. Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953
Alle Fotos © 2013 LyrAg
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