Berlin, 27.11.2012/cw – Enttäuschung bei den ehemaligen Workutanern, einem Zusammenschluss ehemaliger Gefangener aus den berüchtigten Lagern im Komplex Workuta im Zentrum eines nördlich des Polarkreises liegenden Kohlebeckens, über die Ablehnung einer Einladung, Absender: Bundespräsidialamt. Workuta war eine der größten Lagerregionen nördlich des Urals in der einstigen UdSSR (siehe WIKIPEDIA > Workuta). Der Vater des gegenwärtigen Bundespräsidenten war ebenfalls nach Workuta deportiert worden.
Am 1. August nächsten Jahres jährt sich der „Aufstand von Workuta“ wie zuvor der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum sechzigsten Mal. Die ehemaligen Workutaner wollen dieses Ereignisses im nächsten Jahr in besonderer Weise gedenken.
Im Sommer 1953 hatten sich in den Lagern die Nachrichten über die Machtkämpfe im Kreml nach Stalins Tod verbreitet. Auch über den Volksaufstand in der DDR kursierten entsprechende Nachrichten und Gerüchte. Ende 1953 kam es zum ersten Streik, der sich schnell ausweitete. Die Lagerleitungen standen dem letztlichen Streik von über 15.000 Gefangenen des Workuta-Komplexes machtlos gegenüber und flüchteten. Streikkomitees übernahmen die Kontrolle. Nach vergeblichen Verhandlungen mit einer eigens aus Moskau angereisten Kommission wurde der Komplex am 1. August von Soldaten der Roten Armee umstellt und die Streikenden zur Aufgabe aufgefordert. Mit dem Ruf „Auf in die Freiheit“ marschierten die Gefangenen in einem Lager auf den Lagerausgang zu. Im Feuer der Rotarmisten starben offiziell über 40 Gefangene, nach Angaben von Häftlingen „mehrere Hundert“. Der Streik brach zusammen. Infolge des letztlichen Aufstandes lenkte Moskau allerdings ein und entließ nach zunächst kriminellen auch die nach dem 2. Weltkrieg zumeist aus Deutschland stammenden inhaftierten Gefangenen.
Der Vater Wilhelm des gegenwärtigen Staatsoberhauptes, einstiger Oberleutnant zur See und NSDAP-Mitglied (1934), war 1951 verhaftet und von einem sowjetischen Tribunal in Stralsund zu 25 Jahren Haft verurteilt und zum Vollzug nach Workuta deportiert worden (Vorwurf: Spionage und antisowjetische Hetze). Der Präsident in seinen Erinnerungen: „Das Schicksal unseres Vaters wurde zur Erziehungskeule. Die Pflicht zur unbedingten Loyalität gegenüber der Familie schloss auch die kleinste Form der Fraternisierung mit dem System aus. Das machen wir nicht, vermittelte uns die Mutter (die bereits 1932 in die NSDAP eingetreten war) unmissverständlich.“ (2009, S.41).
Da Wilhelm Gauck also „Workutaner“ war, gingen die einstigen Lagergefährten von einem besonderen Interesse des Bundespräsidenten an dem bevorstehenden Jahrestag aus. Bereits vor einigen Wochen kam die präsidiale Absage „aus terminlichen Gründen“, wie jetzt bekannt wurde.
Ein Workutaner, der mit Wilhelm Joachim Gauck seinerzeit im Lager war, beschreibt diesen als einen „guten und hilfsbereiten“ Kameraden. Er war mit diesem in Taischet zusammen und „wir haben in der selben Baracke geschlafen.“ Der fast neunzigjährige Zeitzeuge, dessen Name dem Autor bekannt ist und der nicht genannt werden will, weil auch er „von der Absage schwer enttäuscht“ sei, befürchtet gar einen Herzinfarkt, wenn er sich zu sehr darüber aufrege. Man werde nun des Ereignisses „auch ohne den Bundespräsidenten“ in würdiger Form gedenken und den Vater des Präsidenten in die Erinnerung einbeziehen, wie „wir das mit allen Kameraden tun“.
V.i.S.d.P.: Verein (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953
2 Kommentare
28. November 2012 um 23:16
Lothar Scholz
Workuta liegt westlich des Urals, also europäisches Territorium der UdSSR!! Der so genannte „Aufstand “ war kein Aufstand, sondern ein Arbeitsstreik! Die Häftlinge legten die Arbeit nieder, malten auf die Barackendächer Losungen und provozierten damit den Kommandanten, der Hilfe aus Moskau herbeiholte, die dann blindwütig in die Menge der Häftlinge schoss, die zur Arbeit gehen sollten und im Inneren des Lagertores standen. Ergebnis: ca. 64 Tote!!
Bereits im August 1948 brach in der Tundra nahe Workuta ein wirklicher Aufstand aus! Die Häftlinge überwältigten die Wachmannschaft und töteten diese gnadenlos! Sie flohen aus dem Lager mit einigen Waffen und befreiten andere Lager, bis Tiefflieger erschienen und aus der Luft auf die Flüchtenden schossen; ca. 144 Tote! Später kam ein Erschießungskommando, das 2 500 Mann erschießen sollte. Die fuhren von Lager zu Lager und „erledigten “ jeweils wahllos Einige, bevor sie im nächsten Lager weiter machten. Ob sie die Zahl je erreicht haben? Oder ihre Norm übererfüllt haben, weiß niemand. Die russischen Medien seit Gorbatschow sagen 2 500! Beweis Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ vom 30. August 2003 (in meinem Besitz)!
28. November 2012 um 16:16
Bernd Stichler
Eine solche Brüskierung der Workuta- Häftlinge und gleichzeitige Verleugnung des eigenen Vaters hätte ich von Gauck nie erwartet ! Erst recht nicht vor dem Hintergrund seines früheren Amtes in der BStU. Es ist jedoch nicht das erste Mal das er politisch enttäuscht.