Berlin, 20.10.2012/cw – Auf der Außerordentlichen Mitgliederversammlung des Frauenkreises der ehem. Hoheneckerinnen in den Räumen der UOKG in Berlin scheiterte zunächst die Neuwahl eines Vorstandes. Gegen die im Mai erfolgte Vorstandswahl hatten über zwanzig Prozent der Mitglieder aufgrund von Beanstandungen satzungsgerecht eine Wahlwiederholung beantragt. Nachdem die Vorsitzende Anita Goßler den Antrag abgelehnt hatte, wandten sich die Petenten an das zuständige Amtsgericht in Darmstadt. Dieses lehnte Anfang Oktober den Antrag auf einstweilige Anordnung mit der Begründung ab, es fehle den Petenten am „Rechtsschutzbedürfnis“, da durch den Vorstand bereits eine Außerordentliche Mitgliederversammlung für den 20.Oktober mit der Tagesordnung Vorstandswahl „zweifelsfrei mit dem Ziel der Wahl des kompletten Vorstandes“ anberaumt worden sei.
Die Antragstellerinnen hatten diesen Beschluß begrüßt. Sie sahen in dem Beschluß trotz der Ablehnung einer gerichtlichen Anordnung eine Bestätigung ihres Antragszieles, der den zuletzt nach Absprache geänderten Tagesordnungspunkt „Vorstandswahl“ entsprechend klar interpretierte.
Auf der fraglichen Versammlung in der einstigen Stasi-Zentrale kam es jedoch nicht zu Neuwahlen. Die klare und nach Meinung der Antragsteller unmissverständliche Aussage im Beschluß des Amtsgerichtes wurde vom Vorstand bestritten, eine Neuwahl abgelehnt. Die Versammlung wurde nach knapp zwei Stunden zwischenzeitlich tumultartiger Wortgefechte zwischen Mitgliedern und dem Vorstand mit dem Auszug von mehr als der Hälfte der Teilnehmerinnen unterbrochen: „Unter Protest gegen die rechtswidrige Versammlungsleitung und gegen die Missachtung des Beschlusses vom 5. Oktober des Amtsgerichtes Darmstadt“ verließen 21 von 35 erschienenen Mitgliedern vorzeitig den Versammlungsraum. Für die Petenten kündigte Regina Labahn eine rechtliche Überprüfung des Versammlungs-Ablaufs an. Labahn zeigte sich namens der Petenten verbittert über die Resistenz des amtierenden Vorstandes, „satzungsgemäße Anträge zu behandeln, zumal, wenn diese durch Gerichtsbeschluss sanktioniert worden wären.“ Der Vorstand habe „die Chance vertan, den Frauenkreis in einer entscheidenden Phase zu konsolidieren und wieder zu befrieden.“
Kommentar:
Die einstigen Opfer einer unmenschlichen Diktatur brauchen offenbar keine Feinde mehr, sie produzieren sie inzwischen selbst. Vielfach haben unnütze Eifersüchteleien auf der Grundlage einer Sehnsucht nach lange vermisster Anerkennung einstige Kameradschaft abgelöst. Der Frauenkreis stellt hier kein Novum dar, sondern eher eine traurige Wirklichkeit, die sich in vielen Vereinen der Opferszene wiederspiegelt.
Diese Entwicklung geht seltsamerweise oftmals mit einer einsetzenden, häufig lange und mühselig erkämpften Aussicht auf Förderung einher. Die Aussicht auf Positionen oder sonstige Einnahmequellen zerstört oftmals bisheriges Zusammenwirken.
Der Frauenkreis steht am historischen Kraterrand. Gelingt es nicht, die mit dem Präsidentenbesuch 2011 erstrittene Aufmerksamkeit in messbare Erfolge in Richtung eines würdigen Gedenkens umzusetzen, wird eine Gedenk- und Begegnungsstätte Hoheneck ohne die Frauen geschaffen werden, die Anlass und Ursprung dieser Erinnerung sind. Der Verein „Freiheit e.V.“ in Erfurt (Gedenkstätte Andreasstraße) kann in Sachen Ausgrenzung einstiger Opfer schlimme Erfahrungen vermitteln.
Zwei Fördervereine duellieren sich bereits im Schatten der düsteren Burg. Nun duellieren sich die Frauen in ihrem Hohenecker Kreis. Schlechte Zeiten also ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Sächsische Landtag durchgerungen hat, auch Hoheneck in die institutionelle Förderung aufzunehmen und der Vorstand des Frauenkreises dringend eines Zusammenwirkens aller Kräfte bedarf.
Carl-Wolfgang Holzapfel
V.i.S.d.P.: Redaktion „Hohenecker Bote“, Berlin/Hoheneck, Tel.: 030-30207785
1 Kommentar
20. Oktober 2012 um 17:32
Stefan Köhler
Einfach grandios, wunderbar, und so bleiben die wirklichen Interessen aller hart Betroffenen weiterhin der biologischen Lösung vorbehalten, denn nur darum geht es noch hierzulande, weil Täterbegünstigung Geld kostet, und das muss um jeden Preis an den Opfern der Täter eingespart werden. Es wird sich auch in 30 Jahren absolut nichts positiv verbessert haben, das lehrt uns die Geschichte seit 1945.
Möglicherweise erfahren aber unsere Nachfahren, dass es weder Maueropfer noch politische Opfer, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gegeben habe, denn die Forschung wird häufig von den Tätern selbst betrieben, um gut an ihr zu verdienen und die Opfer zynisch zu verhöhnen.
Die Täter aber befanden und befinden sich auf beiden Seiten der einstigen Mauer und des heutigen unüberwindlichen Grabens.