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Neustadt a.d. Weinstraße, 6.10.2012/cw – Der beschauliche rheinland-pfälzische Neustadt a.d. Weinstraße gerät in den Fokus von Debatten, die durch irritierende Äußerungen eines örtlichen Predigers zu Juden, Muslimen, Buddhisten und anderen Gläubigen entstanden sind. Der Prediger Rainer Wagner ist nicht Irgendwer, sondern Leiter der Evangelikalen Stadtmission. Nebenberuflich übt der Religionspädagoge auch politische Ämter aus. So steht er seit einigen Jahren der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) als Vorsitzender vor. Im Rahmen seines Kirchlichen Dienstes greift Wagner auch mal zu drastischen Formulierungen und beruft sich dabei treuherzig auf den Wortlaut der Bibel.
„Wer Allah mit dem Gott der Bibel vergleicht erkennt, dass Allah nicht mit unserem Gott … identisch ist. Allah ist ein (arabisch) heidnischer Götze. Götzen aber sind nicht real, sondern Phantasieprodukte. Es gibt den Allah des Islam nicht wirklich (1. Kor.8,4). Allerdings stehen hinter diesem Phantasiegebilde die Mächte der Finsternis (1. Kor. 10,20). Die Bibel zeigt, wer nicht zu Jesus gehört, Namenschrist, Jude, Heide oder Atheist, ist ein Knecht Satans (Eph. 2,2) und niemals heilig (2. Kor. 6,14),“ formulierte Wagner bereits 2006 für den örtlichen Gemeindebrief. Die Anzeige eines Mitbürgers jüdischen Glaubens bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal verlief im Sande, wurde eingestellt. Das sei „Religionsfreiheit“ teilte der Staatsanwalt seinerzeit mit. Wagner hat mit seiner nach den jüngsten Veröffentlichungen über seine umstrittenen Äußerungen selbstgestellten Anzeige also gute Aussichten, von einem Strafverfahren verschont zu bleiben.
Religiös verbrämte Hetzformeln
Doch um eine mögliche Strafverfolgung geht es den Kritikern nicht. Sie stellen die Frage nach der Vereinbarkeit zwischen religiös verbrämten Hetzformeln und den politischen Ämtern in den Raum.
Zwischenzeitlich hat sich der gesamte Vorstand der UOKG mit einer Erklärung hinter ihren Vorsitzenden gestellt; von der CDU Rheinland-Pfalz liegt derzeit kein vergleichbares Votum vor. Die UOKG – und Wagner selbst – sehen keinen Konflikt zwischen dessen religiösen Ambitionen einerseits und den politischen Funktionen andererseits und sprechen von Intrigen und „Missbrauch theologischer Aussagen aus Rainer Wagners hauptberuflicher Tätigkeit.“
Die Auswirkungen der kritisierten Prediger-Äußerungen sind vor Ort aber wohl doch gravierender, als bisher bekannt. So sind in einem „Diskussionsforum gegen die Islamisierung Europas – Islamkritiker Forum“ bekannt wirkende Äußerungen gegen den Bau einer Moschee in Neustadt zu lesen, die man in dieser Konzentration eher vom Rechtsaußen „Pro Köln“ in NRW gewohnt ist. Unter dem Titel „Neustadt an der Weinstraße erhält eine Moschee“ finden sich teils widerliche Einträge (https://open-speech.com/threads/531475-Neustadt-an-der-Weinstra%C3%9Fe-erh%C3%A4lt-eine-Moschee!) :
So schreibt ein „Tempelritter“ zu dem Thema: „Die sollen einfach ne schweinezucht aufmachen und jeden Freitag ist dann irgendwie ne stalltür kaputt.. Dann wird die Sau zur Abwechslung mal durch die Moschee getrieben und nicht durchs dorf. Alternativ empfehle ich den Weg und den Zaun einfach mit Schweineblut zu lackieren. Und das regelmäßig. Die Erbengemeinschaft wird sich noch wundern wie viel ihr Grundstück oder ihre Immobile nach dem Bau des Teufelstempels noch wert ist.“
Und „Aladin“ schreibt: „Gut zu wissen, Iblis! Kenne Klaus von den Dürkheimer Rep´s. Werd ihn mal anrufen u.fragen was er drüber weiß – es gibt noch viel zu tun; packen wir´s an…
Unregistriert: „Allah entscheidet nichts, aber auch überhaupt nichts. Er ist nicht fähig etwas zu entscheiden! Er wurde von Mo kastriert! Er ist ein hilfreicher Eunuche in der verfluchten Welt der Muslime.“
Gegenseitige „geistige Aufbauarbeit?“
Könnte es sein, das hier eine gegenseitige geistige „Aufbauarbeit“ erfolgt, der Prediger sich durch dieses Umfeld ermutigt sieht, die Wort-Hasardeure sich geistlichen Zuspruchs erfreuen? Jedenfalls nahm Rainer Wagner im November 2011 im Missionsbrief der Stadtmission Neustadt erneut Stellung und dekretierte:
„In Neustadt entsteht direkt am Ortseingang eine Moschee für den Götzen Allah und seinen falschen Propheten Mohammed.“
Gibt es hier wirklich keine Verbindungen und Zusammenhänge zwischen hauptberuflichem Predigeramt und dem politischen Vorstandsamt in der UOKG? Hat der übrige Vorstand des Dachverbandes der SED-Opfer die Hintergründe wirklich ausgeleuchtet und hinterfragt? Wer schadet hier dem Dachverband und der Opfergemeinschaft? Besorgte Kritiker oder ein Vorsitzender, der offensichtlich Probleme hat, seine religiöse Passion mit der eindeutigen Satzung der UOKG (§ 1) in Einklang zu bringen? Jedenfalls könnte das selbstzufrieden wirkende Herausposaunen „des mangelnden öffentlichen Interesses“ an den Vorgängen als voreilig geschleuderter Bumerang zurückkehren. Denn in der Tat würde eine öffentliche Diskussion nicht nur der UOKG zu schaffen machen. Es sei denn, sie sorgte rechtzeitig für satzungsgemäße Verhältnisse, um die in Schieflage geratene Position wieder aufzurichten. Das könnte durch eine eindeutige Klarstellung durch Rainer Wagner selbst oder, falls nicht erreichbar, durch eine klare Positionierung des Dachverbandes geschehen.
Die Uhr tickt, und sie wurde nicht durch die Kritiker eingependelt sondern durch einen Prediger, der offenbar nicht den Mut hat, Klartext zu sprechen und sich entweder von religiösem „Müll“ zu befreien oder sich gegen sein politisches Amt zu entscheiden.
Nachbemerkung: Rainer Wagner hat zwischenzeitlich an die Mitglieder der UOKG eine Stellungnahme zu den bisherigen Veröffentlichungen versandt. Nachdem er über die Absicht informiert wurde, diese Stellungnahme“ nach den Intentionen des Berliner Pressegesetzes in der Fassung vom 4.12.2002 (GVBl. S. 356), § 10 „Gegendarstellung“ ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung auf dieser Seite zu veröffentlichen, übermittelte Rainer Wagner per Fax an den Autor eine Unterlassungserklärung. „Meine Stellungnahme ist kein Presseerzeugnis und unterliegt nicht dem Pressegesetz,“ schreibt der „Diplom-Religionspädagoge und UOKG-Vorsitzender“ (lt. Briefkopf) an den Autor und droht im Falle der Nichtbeachtung „eine Honorarforderung bzw. Schadenersatzforderung von 5.000 Euro“ an.
Wir bedauern, die interessante Stellungnahme Rainer Wagners zu den Vorwürfen daher im Augenblick nicht an dieser Stelle veröffentlichen zu können. Wagner entzieht sich dadurch erneut der Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzustellen.
V.i.S.d.P.: C.W.Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785
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