Strausberg/Berlin, 24.07.2012/cw – Die Vereinigung 17. Juni 1953 teilte heute in Berlin den Tod des Strausberger Streikführers vom 17. Juni, Heinz Grünhagen, mit. Grünhagen verstarb nach langer schwerer Krankheit am 11.07.2012 im Alter von 79 Jahren in den Armen seiner Frau.
Mit Heinz Grünhagen betrauert die Vereinigung 17. Juni den Heimgang eines der letzten noch lebenden Streikführer des Volksaufstandes von 1953: „Die Einschläge kommen immer dichter,“ stellte der Vorsitzende Holzapfel in Berlin fest. „Wir werden zum 60. Jahrestag in 2013 kaum noch einen der herausragenden Streikführer, zu denen auch Heinz Grünhagen gehörte, erleben.“
Heinz Grünhagen, der zwanzigjährige Bauarbeiter, hört am Abend im Berliner Sender RIAS den Aufruf zum Streik: „Morgen am Strausberger Platz.“ Der Brigadier, der für zahlreiche Kollegen die Stunden erfasst und die Abrechnungen erstellt, weiß um den Druck, der durch die vom Staat verordnete Normenerhöhung entstanden ist. Obwohl jung verheiratet, seine Frau ist schwanger, trifft er sich am Morgen des 17. Juni auf der Baustelle. Schnell ist man sich einig und beteiligt sich am Streik. Eine Streikführung wird gewählt, Heinz Grünhagen gehört dazu.
Man bemächtigt sich mehrerer LKW der Bau-Union und fährt enthusiastisch von einem Betrieb zum anderen in Strausberg, um zum Streik aufzurufen. Im Zementwerk Rüdersdorf fordern die Streikenden die Freilassung der politischen Gefangenen. Angesichts der vor Ort schwer bewaffneten Polizei ziehen sich die Arbeiter nach Strausberg zurück.
Nach dem Mittagessen beschließen die Streikenden: Wir fahren nach Berlin. Doch Kasernierte Volkspolizei und sowjetische Militärs sichern die Stadtgrenze. In der heutigen Hennickendorfer Chaussee stadtauswärts sichten Grünhagen und seine Freunde Panzerspähwagen der Roten Armee. Als die Arbeiter vorrücken, werden Warnschüsse abgefeuert. Die Strausberger Streikenden ziehen sich zurück.
Fünf Jahre Zuchthaus für Streik-Beteiligung
Noch in der Nacht wird Grünhagen von der Stasi aus dem Bett geholt. Am 25. Juni 1953 findet bereits der Prozess gegen die „Aufrührer“ statt. Grünhagen ist der jüngste Angeklagte, wird zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht wirft ihm vor, Wortführer der Streikenden gewesen zu sein und begründet damit seine besondere Schuld an dem „Aufruhr“.
Bis 1956 verbüßt Heinz Grünhagen seine Haft im Zuchthaus Luckau. Als er entlassen wird, bleibt er seiner Frau zuliebe in der DDR. Von den Arbeiten im Steinbruch ist er gesundheitlich schwer gezeichnet, später wird eine Staublunge diagnostiziert. Trotzdem arbeitet er notgedrungen im Straßenbau, jeglicher Aufstieg wird dem einstigen Streikführer verwehrt.
Nach dem Fall der Mauer lebt Grünhagen wieder auf. Mit einer seine vielen Freunde erstaunenden Energie setzt er sich nunmehr für das Gedenken an die Vorgänge im Juni 1953 ein. In der nach wie vor rot regierten Stadt hat er keinen leichten Stand, findet aber immer wieder Verbündete, so in dem Landtagsabgeordneten und späteren Mitglied des Stadtrates der Partei Bündnis90/DIE GRÜNEN, Detlef Grabert. Nach langem Ringen erkämpft Grünhagen die Errichtung eines Gedenksteines, allerdings außerhalb der Stadt, vor dem Kasernentor an der Hennickendorfer Chaussee. Wieder nach Jahren erreicht Grünhagen mit seiner Beharrlichkeit die Anbringung einer Gedenktafel mit den Namen der seinerzeit Streikenden auf dem Gedenkstein.
Sein innigster Wunsch, noch zu Lebzeiten einen Kilometer der Hennickendorfer Chaussee in „Straße des 17. Juni“ umzubenennen, scheiterte bisher am hartnäckigen Widerstand der roten Mehrheit aus SPD und LINKE im Strausberger Rathaus. Im letzten Jahr erfolgte auf sein maßgebliches Drängen eine symbolische Umbenennung durch das zeitweise Überkleben von drei Straßenschildern am Bahnhof Strausberg in Anwesenheit der Brandenburgischen Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, Ulrike Poppe, die damit ihre Sympathie und Unterstützung des Anliegens unterstreichen wollte. Die Stadt antwortete mit einer Geldstrafe von über 300 €, eine Strafanzeige wurde jedoch eingestellt. Heinz Grünhagen, der sich an der Begleichung der Geldstrafe maßgeblich beteiligte, gab sich auch nach dieser „Niederlage“ kämpferisch. So lange er lebe, werde er für diese angemessenen Erinnerung an den Volksaufstand von 1953 kämpfen.
Am 11. Juli hörte dieses Kämpferherz auf zu schlagen. In einem Nachruf würdigt die Vereinigung 17. Juni ihr Mitglied: Heinz Grünhagen habe „beispielgebend und unvergessen buchstäblich bis zum Tod für die Erinnerung an einen großen Tag in der deutschen Geschichte gekämpft. Der 17. Juni prägte sein Leben. Seiner Familie und besonders seiner Frau gehört unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme. Seine Frau habe die volle Last der schweren Erkrankung in den letzten Jahren mit großer Liebe und an die Grenzen der Kraft gehendem Einsatz getragen.“
„Straße des 17. Juni“ in Strausberg?
„Die Stadt Strausberg hätte nun die Gelegenheit, sich vor dem großen Sohn der Stadt zu verneigen und zum bevorstehenden 60. Jahrestag des Aufstandes die Hennickendorfer Chaussee stadtauswärts umzubenennen. Es wäre ein später Dank an Heinz Grünhagen und die Frauen und Männer vom 17. Juni 1953, die auch in Strausberg Kampfesmut für einen besseren Staat zeigten“, sagte heute der Vorstandssprecher in Berlin.
Die Beisetzung findet am Freitag, 27.07.2012, um 10:00 Uhr auf dem Waldfriedhof Strausberg statt.
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
Letzte Kommentare