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Berlin/Dresden, 20.04.2012/cw – Die Sächsische Zeitung berichtet heute über eine Entscheidung der 7. Kammer des Dresdner Verwaltungsgerichtes, nach der es der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag durch eine einstweilige Anordnung ermöglicht wird, wie vorgesehen am 22. April die Gedenkstätte Bautzen II zu besuchen.
Ausladung „mit deftigen Worten“
Im Gegensatz zur Gedenkstättenleiterin Silke Klewin, die keinen Handlungsspielraum sah, den Antrag der NPD-Fraktion abzulehnen, weil „wir verpflichtet (sind), auch Vertretern demokratisch gewählter Parteien Zutritt zu unserer öffentlichen Einrichtung zu gewähren“, sah der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten Handlungsbedarf. Die SZ berichtet gar, die Zusage durch Klewin „brachte den Vorsitzenden von Sachsens Gedenkstättenstiftung auf die Palme“. Siegfried Reiprich lud die NPD per Brief wieder aus. „Mit deftigen Worten“, so die SZ: „Sie sind nicht willkommen. Ich mache vom Hausrecht Gebrauch und storniere die … gegebene Zusage“, formulierte Reiprich an die NPD. Ein Besuch der NPD in der Gedenkstätte würde als „Verhöhnung aller Opfer politischer Gewaltherrschaft erscheinen“.
Die rechte Fraktion beantragte beim Dresdner Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen diesen in NPD-Augen „dreisten Versuch einer Gesinnungszensur“ und war damit vorerst erfolgreich. Denn Reiprich legte unverzüglich beim Bautzener Oberverwaltungsgericht Beschwerde gegen das Dresdner Urteil ein. Er sei zuversichtlich, „dass das Oberverwaltungsgericht Bautzen ein Einsehen hat und der Besuch der NPD doch nicht stattfinden wird“.
In Beurteilung rechtlicher Fragen überfordert
Beobachter sehen das Vorgehen Reiprichs durchaus kritisch. Zwar stände der gemeinsame Kampf aller Demokraten gegen Extremismen von links und rechts außer Frage. Diese politische Auseinandersetzung dürfe aber Grundsätze unseres Rechtsstaates nicht willkürlich aushebeln, „denn gerade dies sei eines der stärksten Argumente gegen Extremisten. Diese würden in ihren angestrebten Ordnungen stets der Willkür vor klaren Gesetzen und Grundrechten eines Rechtsstaates den Vorrang einräumen, um Gegner durch Terror zu verfolgen, in Einrichtungen wie Bautzen oder Sachsenhausen (wieder) einzusperren oder gar physisch zu vernichten,“ erklärte der Vorstand der Vereinigung 17. Juni 1953 in Berlin zu den Vorgängen. „Zumindest lege das die Verherrlichung der vergangenen Diktaturen nahe.“
Extremisten mit Diktatur-Hinterlassenschaften konfrontieren
Allerdings sei Siegfried Reiprich gut beraten, sich in diesen Fragen „vor derartigen Aktionen durch Experten seines aufsichtsführenden Ministeriums beraten zu lassen, da er in der Beurteilung rechtlicher Vorgaben offensichtlich überfordert“ sei. Dagegen habe die Leiterin der Gedenkstätte Silke Klewin „rechtlich einwandfrei reagiert“.
Die Vereinigung sieht auch einen gänzlich anderen Ansatz für den Umgang mit politischen Extremisten, als die sie die „Verteidiger der Diktaturen in Deutschland“ einstuft. Danach sei der Stiftung zu empfehlen, gerade diese Parteien offensiv mit den Hinterlassenschaften der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu konfrontieren und in die bestehenden Gedenkstätten demonstrativ einzuladen. Befremdlich sei auch, „dass eine ähnliche Aussperraktion gegen Politiker der SED-Nachfolgepartei“ durch Siegfried Reiprich „bisher nicht bekannt geworden sei“. Das relativiere seine Argumentation im vorliegenden Fall erheblich.
Gegen Reiprich läuft derzeit eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Der Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck wirft dem Geschäftsführer auch eine Überschreitung seiner Kompetenzen vor, „die sich an der Satzung der Stiftung ausrichten sollte“, weil dieser sich in „teilweise rüdem und unzulässigen Ton“ in die Belange des Vereins „bis hin zur ultimativen Forderung von Ausschlüssen ihm nicht genehmer Mitglieder“ eingemischt habe.
Siehe auch: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3041265
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