Ein Einwurf

Berlin, 16.02.2012/cw – Claudia Roth brachte es auf den Punkt: Dieser Bundespräsident kann nicht eine Rede zugunsten  der Neo-Nazi-Opfer halten. Die Angst vor einer möglicherweise großen und eindrucksvollen Rede des zum Abschuss frei gegebenen Staatsoberhauptes auf der bevorstehenden Trauerfeier in der nächsten  Woche treibt die Präsidenten-Jäger um. Was, wenn die allgemeine Stimmung kippt? Wenn dem Bundespräsidenten nach der erfolgreichen Durchsetzung eines angemessenen Gedenkens an die Toten braungewirkten Terrors auch noch eine eindrucksvolle und bleibende Mahnung gegen neonazistische Umtriebe gelingt?

Das Dilemma scheint so groß, das jetzt der Druck ins Unerträgliche gesteigert werden muss. Die Staatsanwaltschaft, so war heute in eiligst verbreiteten Vorabmeldungen  zu lesen, hat die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhauptes beantragt. Das ist sicher peinlich genug, und das macht uns so schnell wieder keiner  nach. Aber statt jetzt erst einmal in Ruhe, das heißt dem Amt angemessen, im  Bundestag zu beraten und dann eine Entscheidung herbeizuführen, werden laut (siehe Roth und Co.) unter Anführung der Trauerfeier Konsequenzen, sprich der bisher nicht erfüllte Rücktritt verlangt.

Bisher gab es bestimmte Gemeinsamkeiten der Demokraten. Dazu gehörte nicht zuletzt die Übereinstimmung, den Kampf gegen Extremismen, an vorderster Stelle gegen den Neo-Nazismus, nicht für die Tagespolitik zu missbrauchen oder in  die Niederungen der Parteipolitik herabzuziehen. Das gelang bisher einigermaßen, auch wenn dieser Konsens schon seit längerer Zeit bröckelt, weil zu vordergründig linksextreme Ausschreitungen als Auftritte von „Autonomen“ verharmlost, rechtsextreme Auftritte einhellig als „Neo-Nazismus“, „Faschismus“ und „Rechte Gefahr“ angeprangert werden.

Die Einbeziehung des Staatsoberhauptes in  diese Auseinandersetzungen bringt eine neue, eine ungute Qualität in die Diskussion. Die gesellschaftliche Vorarbeit gegen den Extremismus soll nun erklärtermaßen nicht dem Staatsoberhaupt zugute kommen. Von dieser skandalösen rothschen Äußerung bis hin zur Qualifikation des von bestimmten Kreisen ungeliebten Bundespräsidenten als „quälender Verfälscher des Kampfes gegen  den Faschismus“ ist es in unserer politisierten Mediengesellschaft nur noch ein hauchdünner Schritt.

Wer verstößt hier wann und wo gegen die ethischen Grundsätze unserer Republik?

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