SED-Opferverbände kritisieren Bundesregierung
Berlin, 25.01.2012/cw – Auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion werden heute in den Abendstunden mindestens zehn Vertreter von Opferverbänden der zweiten Diktatur die Debatte um eine Änderung des Renten-Überleitungs-Gesetzes (RÜG) verfolgen (- Drs 17/5516, 17/6108, 17/6390). Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben beantragt, die vorherigen Bestimmungen wieder dahingehend in Kraft zu setzen, nachdem DDR-Flüchtlinge, die vor dem 9.11.1989 die DDR verlassen hatten, wieder mit den Rentnern der (alten) Bundesrepublik gleichgestellt werden. Die Regierungsfraktionen lehnen diese erneute Änderung „zur Wahrung des Rechtsfriedens ab“ und begründen ihre Ablehnung überdies damit, durch die beantragte Änderung werde erneute Ungerechtigkeit geschaffen.
Dieser Argumentation können die Opferverbände nicht folgen. So erklärte die Vereinigung 17. Juni heute, die vorliegenden Anträge belegten die „Fortsetzung Gesamtdeutscher Kapriolen im Deutschen Bundestag.“ Während die heutigen Regierungsfraktionen die seinerzeitigen Änderungen der rückwirkenden Benachteiligung einstiger Flüchtlinge kritisiert hätten, würden sie heute in der Regierungsverantwortung nach dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern“ verfahren. Dieses „Katz- und Mausspiel“ würde die Diktatur-Opfer „nach dem unwürdigen und jahrzehntelangen Gerangel um die sogen. soziale Zuwendung, schamlos als Opferrente bezeichnet, erneut diskriminieren und allen Beteuerungen Hohn sprechen, nach denen die oft unter Lebensgefahr erbrachten Opfer und Leistungen der Flüchtlingsgeneration aus der ehemaligen DDR anerkannt und gewürdigtwerden würden,“ erklärte die Vereinigung.
Unter Anführung des Dachverbandes, der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), werden heute gegen 19:00 Uhr mehrere Frauen aus dem ehemaligen DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck, die Interessengemeinschaft ehemaliger DDR-Flüchtlinge und die Vereinigung 17. Juni von der Besuchertribüne aus aufmerksam der Debatte (TOP 12) und besonders dem Redebeitrag des SPD-Abgeordneten Ottmar Schreiner folgen. Die Hoffnungen auf eine Umkehr der Regierungsfraktionen werden hingegen realistisch als gering eingestuft. Man wolle aber durch die Präsenz im Bundestag die Bedeutung unterstreichen, die die Diktatur-Opfer „diesem Antrag und dem Umgang mit den Opfern im 23. Jahr der Wiedervereinigung“ zumessen. In diesem Zusammenhang werde auch daran erinnert, dass „DDR-Bewohner bis zum Mauerfall nach dem Rechtsverständnis der (alten) Bundesrepublik Deutschland nicht einem zweiten deutschen Staat angehörten, sondern als deutsche Staatsbürger empfunden und behandelt wurden. Die seinerzeitige Änderung des RÜG hat dieses Rechtsverständnis auf den Kopf gestellt und bis dahin geltendes Recht ad absurdum geführt.“ Die sei eine nachträgliche und unerträgliche Anerkennung der Zwei-Staaten-Theorie der einstigen DDR gewesen und auch „durch nachträgliche politische Erfordernisse im Schatten der vollzogenen Wiedervereinigung nicht gerechtfertigt.“
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953
1 Kommentar
26. Januar 2012 um 13:30
Gabriel
Lieber Wolfgang,
Es gibt für diese Sache einen Präzedenzfall, der zum Erfolg geführt hat. Ich hatte in der DDR als anerkannter Verfolgter des Naziregimes das Recht auf eine Sonderrente (VdN-Rente). Anlässlich meiner Verhaftung im Jahre 1976 wurde mir der VdN-Status aberkannt. Ab 1977 wohnte ich in Westberlin, bzw. in der Bundesrepublik. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde ein Entschädigungsrentengesetz erlassen, nach dessen Text die VdN-Renten als Entschädigungsrenten 1:1 an ehemalige DDR-Bürger weiterhin gezahlt werden, aber nach einer Stichtagregelung.
Soweit ich mich erinnere, war der Stichtag der 1.10.1990, das ist aber unerheblich. Wer bis zu diesem Stichtag auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wohnte, behielt das Recht, die Sonderrente zu beziehen, alle anderen nicht. Da nutzte mir auch der Tatbestand der Rechtsstaatwidrigkeit des Gerichtsurteils und meines rechtswidrigen Ausschlusses vom VdN-Status zunächst nichts. In zweiter Instanz ist mir aber diese Rente zuerkannt worden. Ich habe um sie 7 Jahre gekämpft, mit Erfolg, den ich sowohl einem engagierten Kölner Anwalt als auch den politisch argumentierenden Richtern zu verdanken hatte. Es war allerdings ein Einzelfall, der demzufolge keine großen Löcher in die Staatskasse gerissen hat.
Vom Prinzip her ist das Anliegen der ehemals aus der DDR geflohenen oder übergesiedelten Rentner das gleiche, wie das von mir oben beschriebene. Es müsste folglich mit analoger Argumentation vor Gericht die Wiedereinsetzung in das ursprüngliche Recht erstritten werden können. Wohl gemerkt: vor Gericht und nicht im Bundestag.
Bevor ich die Sache vor Gericht aufrollte, habe ich mich nämlich, mit gleicher Intention wie heute die SED-Opferverbände, an den Petitionsausschuss des Bundestages in meiner Sache gewandt. Ein SPD-Abgeordneter nahm die Angelegenheit wohlwollend entgegen und bereitete im Namen der SPD-Fraktion eine Gesetzesvorlage vor, die für Fälle wie meinen das Recht auf Zahlung der Entschädigungsrente ausdrücklich vorsehen sollte. Die Sache schien mir gewonnen, doch weit gefehlt. Die damals wie heute regierende CDU-FDP-Koalition schmetterte aus Prinzip jede Gesetzesinitiative der Opposition ab. Damit war die Sache zunächst einmal erledigt, bis sich ihr ein sehr rühriger Anwalt für Sozial- und Asylfälle annahm und sie schließlich in zweiter Instanz durchboxte.
Es war damals eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesrentenversicherungsanstalt. So ähnlich müsste auch dieser Fall durchgezogen werden, wobei man sich möglicherweise auf meinen Fall als Präzedenzfall beziehen kann. Nur so scheint mir etwas erreichbar zu sein. Übrigens, für den Anwalt habe ich nichts bezahlt, da offensichtlich bei Klagen vor dem Sozialgericht die Kosten vom Staat getragen werden. Auch das ist ein wichtiges Detail.
Vielleicht kannst Du mein Schreiben an kompetente Personen weiterleiten. Ich glaube, dass die Sache nicht chancenlos ist. Man muss nur den richtigen Weg einschlagen.
Grüße
Gabriel