Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck e.V.
Hohenecker Bote
Nr.001 Förderverein – Info 08. Dezember 2011
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Akademie zur Extremismus-Forschung auf Hoheneck?
Förderverein stellt zukunftsorientiertes Konzept für Gedenkstätte vor
Hoheneck, 15.Dezember 2011/cw – In diesen Tagen legte der Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck seine „Konzeptionelle Vorstellung“ für eine „Europäische Begegnungs- und historische Gedenkstätte“ auf dem Gelände des einstigen DDR-Frauenzuchthauses vor. „Wir haben unsere Vorstellungen komprimiert allen Fraktionen im Sächsischen Landtag, der Sächsischen Staatsregierung und allen sonst an dem Projekt mitwirkenden Institutionen zugestellt und hoffen jetzt auf eine breite, offene und zielführende Diskussion über eine Realisierung“, erklärte Tatjana Sterneberg, Vorsitzende des Vereins und selbst ehemalige Hoheneckerin, aus diesem Anlass.
Der Sächsische Landtag hatte kürzlich über einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN debattiert (Drucksache 5/7435) und die Staatsregierung aufgefordert, die Verkaufsaktivitäten für die „Ehemalige Justizvollzugsanstalt auf dem Kaßberg in Chemnitz“ auszusetzen, um eine „ergebnisoffene Diskussion über die zukünftige Nutzung … als Gedenkstätte“ zu ermöglichen.
Der Förderverein BuG Hoheneck begrüßt dieses „rechtzeitige Stopp-Signal“, dass seinerzeit beim Verkauf der Immobilie Hoheneck „in dieser Klarheit wohl nicht gekommen“ war. Allerdings gibt der Vorstand in seinem Konzept-Papier zu bedenken, den „für den Verkauf tausender politischer Gefangener auch aus Hoheneck“ wichtigen Gedenkort in Chemnitz in ein umfassendes Konzept Hoheneck einzufügen, da ein „getrenntes Gedenken und der damit verbundene fiskalische und verwaltungstechnische Aufwand in einer engen Region“ dem berechtigten Anliegen nicht gerecht werde. Außerdem eigne sich die Hoheneck-Immobilie zweifellos eher für die Umsetzung eines regionalen Gesamtkonzeptes, so Sterneberg.
Erinnerung an den Besuch des Bundespräsidenten
Der Förderverein erinnert in seinem Vorwort zu dem vorgelegten Konzept an den eindrucksvollen Besuch des Bundespräsidenten im Mai diesen Jahres, den die Gründungs-Vorsitzende nicht nur angeregt sondern auch im Auftrag des Frauenkreises organisiert hatte. Der Präsident habe sich eindrucksvoll und unmissverständlich für ein Gedenken an „die Leiden der Frauen an diesem Ort“ ausgesprochen. Und Siegfried Reiprich, Direktor der Sächsischen Gedenkstätten, hatte einen vor dem Besuch durchgeführten Gedankenaustausch mit Sterneberg aufgegriffen und in einem MDRfigaro-Interview am Tage des Staatsbesuches daran erinnert, dass in Stollberg „das zivilgesellschaftliche Umfeld“ fehle, das man braucht „um einen regen und rührigen Förderverein zu haben“, der dann „auch der Politik ein bisschen auf die Beine helfen kann“.
Reiprich: Zivilgesellschaftliches Engagement notwendig
Der Stiftungs-Direktor führte weiter aus: „Durchbrochen wird das Schweigen immer nur durch zivilgesellschaftliches Engagement … Immer mussten vor Ort engagierte Bürger erst mal die Politik wachrütteln“. Tatjana Sterneberg ist auch heute noch für „dieses klare Statement eines für die Gedenkpolitik in Sachsen maßgeblichen Entscheidungsträgers“ dankbar und ein wenig stolz darauf, „das wir und einige Stollberger Bürger diesen Appell konstruktiv aufgenommen und mit der Gründung eines Fördervereins umgesetzt haben.“
In dem vorgelegten Papier wird „bewusst und in Kenntnis der schrecklichen Geschehnisse während der ersten deutschen Diktatur“ auch an die Leiden politisch Verfolgter, vornehmlich aus Stollberg, erinnert und auch „die Erforschung dieses weiteren dunklen Kapitels deutscher Geschichte auf Hoheneck“ gefordert. Dazu gehöre auch die Dokumentation der einstigen Verantwortlichkeiten von KZ-Aufseherinnen, die auch in Hoheneck inhaftiert waren und die Erforschung der makaberen Verhaltensweisen einstigen Gefängnis-Personals, das bei seinen Unmenschlichkeiten und Folterungen Unschuldiger „die Gründe für die Verurteilung der ehemaligen KZ-Aufseherinnen offensichtlich ignoriert hat“.
Ein bleibendes Denkmal für die Verfolgten Frauen überfällig
Mahnend weist der Verein darauf hin, dass im Bewusstsein der Öffentlichkeit bisher vorwiegend der männlichen Verfolgten gedacht wird. Es ei überfällig, auch den Frauen ein würdiges und bleibendes Denkmal zu setzen. In das Frauenzuchthaus wurden überdies von den Frauen nicht nur Kinder mitgebracht, sondern auch dort geboren. Den Müttern wurden diese Kinder schließlich brutal entrissen und verschiedentlich sogar Zwangsadoptionen durchgeführt.
Sächsische Akademie zur Extremismus-Forschung
Schließlich führt der Förderverein aus, dass im Hinblick auf die Größe des betroffenen Areals nur eine „gemischte Nutzung“ der Immobilie umsetzbar wäre. Dazu gehöre neben dem Gedenkstättenbereich eine „gleichrangige Begegnungsstätte“ wie „zukunftsträchtige Institutionen wie die einer „Sächsischen Akademie zur Erforschung und Bekämpfung von Extremismen in Politik und Gesellschaft“. Sterneberg: „Wo denn sonst können wir jungen Menschen die Auswirkungen linker und rechtsextremer Gedanken nahe bringen als am Ort extremistischer Wüterei gegen unschuldige Menschen?“
Die Unterbringung einer Außenstelle der TU Chemnitz zu Forschungszwecken vor Ort wie die Zusammenführung der „noch immer an unterschiedlichen Stellen verwahrten Dokumente und Akten über Hoheneck“ an einer Stelle stehen als Denkanstösse ebenso auf der Agenda wie die Teilnutzung durch ein Hotel (für die Unterbringung von Seminaristen und Besuchern) und die Einrichtung für Sport und Begegnung für Jugendliche durch die Stadt Stollberg.
Trotz zweifellos „vorhandener Irritationen“ in den teils heftig geführten Diskussionen um eine Zukunft des seit 2001 kaum genutzten Areals sieht der Vorstand des Fördervereins optimistisch in die Zukunft: „Da wir uns weder als Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen verstehen noch unrealistische Lösungen anstreben, sondern im Gegenteil auf die aktive Unterstützung aller Kräfte abstellen, die sich für eine Gedenkstätte in Hoheneck engagieren wollen oder schon engagiert haben, sehen wir für den Förderverein gute Ansatzpunkte und genug Möglichkeiten, dieses Projekt vereint zu fördern;“ stellte Tatjana Sterneberg abschließend fest.
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Wir bedanken uns herzlich im Voraus!
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© 2011 Redaktion: Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck e.V., verantwortlich: C.W. Holzapfel, Kaiserdamm 9, 14057 Berlin
3 Kommentare
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12. Januar 2012 um 19:58
Angelika Kanitz
Soeben habe ich erfahren, dass in der „Leipziger Volkszeitung“ heute ein Artikel erschien, der sich über „Hoheneck“, Wulff und den Streit zweier Vereine ehemaliger Insassinnen “ ausläßt „, Darin auch über Herrn Holzapfel, als früheres Mitglied der Republikaner, dies finde ich unverschämt, vorverurteilend. Als wenn eine Parteizugehörigkeit etwas über das Angagement für „Hoheneck “ zu tun hätte.
Besser ganz rechts, als ganz links.
Leider kann ich den Artikel nicht verlinken, da er heute erst erschienen ist.
Ich bin jedenfalls empört über eine solche Rufschädigung.
Herr Holzapfel, Sie müssen wirklich jeden Tag kämpfen, Halten Sie tapfer durch. Wir stehen zu Ihnen.
Angelika Kanitz
14. Dezember 2011 um 19:36
Stefan Köhler
Man sollte all diese Stätten des Grauens, der Folter und für viele auch des Todes ebenso nutzen, wie es mit jedem KZ der braunen Garde bis heute üblich ist. Alles andere ist Betrug an unserer deutschen Geschichte und somit Geschichtsverfälschung.
Stefan Köhler
13. Dezember 2011 um 16:32
Petzold
Ich könnte mir eine gemischte Nutzung von Hoheneck ebenso von der ehem.U-Haft der Stasi auf dem Kaßberg vorstellen.Hoheneck könnte als Begegnungstätte oder auch als Hotel genutzt werden aber dann mit entsprechenden Hinweisen auf die frühere Verwendung dieser Burg.
Warum sollte in die U-Haft Kaßberg nicht die BStU oder eine andere Institution einziehen,mit Bezug auf die ehem. Stasi Haftanstalt. Der Freistaat Sachsen wird diese Immobilie jedenfalls nicht für alle Ewigkeit leer stehen lassen können.Man kann sich viele Möglichkeiten zur künftigen Nutzung vorstellen,nur muß man es wollen.
Der Verkauf von Menschen gegen Devisen in der Neuzeit ist ein einmaliges Ereignis und sollte für die Zukunft auch dokumentiert werden.