Berlin, 13.10.2011/rgg – Sie gehört zu den bekannten Gesichtern der Verfolgten-Szene der SED-DDR-Diktatur: Tatjana Sterneberg. Jetzt wollte sie dem – nach eigenen Angaben -größten Opferverband beitreten und wurde abgelehnt.
Heute teilte die Vereinigung der Opfer des Stalinismus der Antragstellerin die Ablehnung mit. In einem Schreiben des Bundesvorstandes heißt es lapidar, der Aufnahmeantrag vom 28.07.2011 „wurde geprüft und wird hiermit unter Verweis auf § 4 Abs.2 der VOS-Satzung abgelehnt.“ Was sich wie eine Begründung liest, ist keine. Denn in der angeführten Satzungsstelle heißt es lediglich: „Über die Aufnahme entscheidet der geschäftsführende Bundesvorstand.“
Sterneberg wurde durch ihre hartnäckigen Aufklärungs- und Forschungsarbeiten zur zweiten deutschen Diktatur bekannt. In zahlreichen Fernseh- und Printveröffentlichungen wurde darüber berichtet. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei die Aufdeckung des ehemaligen Anstaltsarztes Dr. Peter Janata als langjähriger Stasi-IM, der Häftlinge mit Psychopharmaka traktierte und die Begegnung mit einem IM vor den Kameras von FOCUS-TV, der als ehemaliger Kollege maßgeblich ihre Verhaftung ausgelöst hatte. Sterneberg hatte sich 1972 in einen in West-Berlin lebenden Italiener verliebt. Als sie diesen schließlich heiraten wollte und dazu einen Ausreiseantrag gestellt hatte, geriet sie in das Visier der Stasi, wurde am 7. November 1973 zusammen mit ihrem aus Neapel stammenden Antonio verhaftet und ein Jahr darauf zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Allein zwei Jahre saß Sterneberg im berüchtigten Frauenzuchthaus Hoheneck.
Nach ihrem Freikauf heirateten die Beiden; der Ehe entsprang ein Sohn. Doch 2006 starb Antonio an den mittelbaren Folgen der über zweijährigen Haft im DDR-Gefängnis Rummelsburg, heute ein beliebtes Eigentums-Wohn-Zentrum in Berlin. Sterneberg selbst wurde infolge der Haft berufsunfähig, sah sich aber immer in der Verpflichtung, Leidensgenossen bei der Bewältigung ihrer Trauma zur Seite zu stehen. So gründete sie in der Berliner Sektion des Sozialverbandes Deutschland ein Beratungsbüro. Nachdem sie 2008 von der Tätigkeit eines ehemaligen Stasi-Offiziers im Sozialverband erfuhr, forderte sie vergeblich dessen Umsetzung und stellte ihre Arbeit im SoVD ein.

Ehem. Hoheneckerinnen mit dem Bundespräsidenten in Hoheneck (Vorn Mitte mit Schal: Tatjana Sterneberg)
Seither wirkt und organisiert sie in verschiedenen Funktionen der Verfolgtenverbände. So war sie stellvertretende Vorsitzende im „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen“ und bereitete im Mai diesen Jahres u.a. den Besuch des Bundespräsidenten im ehemaligen DDR-Frauenzuchthaus in Sachsen vor. Obwohl nicht Mitglied, half die gelernte Finanzbuchhalterin auch bei der Organisation der Buchführung im VOS-Landesverband Berlin-Brandenburg. Zuletzt wirkte Sterneberg beratend an der Vorbereitung des Spielfilmes „Es ist nicht vorbei“ mit Anja Kling, Tobias Oertel und Ulrich Nöthen in den Hauptrollen mit, der am 9.11.2011 zur Prime-Time (20:15 Uhr) in der ARD ausgestrahlt wird. Vorträge vor Institutionen und Schülern in Berlin, Brandenburg, Bayern und Sachsen füllen ihren Tagesablauf aus. Gegenwärtig ist Tatjana Sterneberg Vorstandsmitglied der Vereinigung 17. Juni 1953 in Berlin.
Die Ablehnung ihres Aufnahmeantrages, den sie „als Angebot zur aktiven Mitarbeit“ verstanden wissen wollte, kann sie nicht einordnen: Die VOS hatte sich nach eigenen Angaben zwischen 2009 und 2011 von 10.000 Mitgliedern über 6.000 und 3.000 auf nunmehr knappe 2.000 Mitglieder reduziert. „Vielleicht hat sich der Trend ja umgekehrt und die Aufnahmeanträge haben so zugenommen, dass sich der Vorstand die Rosinen rauspicken kann,“ merkt die unerschrockene Kämpferin für die Rechte der SED-Justiz-Opfer sarkastisch an. Vielleicht habe sich aber auch nur Ronald Lässig durchgesetzt. Schließlich hatte der VOS-Vize vor einem Jahr in einer Mail an führende SPD-Genossen die Entfernung von Tatjana Sterneberg und eines VOS-Mitgliedes von einer SPD-Veranstaltung im Rathaus Schöneberg („aus dieser braunen Ecke“) freudig begrüßt und ausdrücklich als richtig bezeichnet („zurecht des Saales verwiesen“). Pikant: Diese Mail wurde nicht nur von Lässig als VOS-Vize unterzeichnet sondern auch aus der Bundesgeschäftstelle versandt.
Für den Verein geworben hatte Sterneberg die Vorsitzende der Bezirksgruppe Halle der VOS und diesjährige „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“, Waltraud Thiele, auch eine ehemalige Hoheneckerin. Aber das machte auf den Vorstand wohl keinen Eindruck, zumal auch Waltraud Thiele in den vergangenen Monaten deutliche Kritik am VOS-Vize Lässig vorgetragen hatte.
V.i.S.d.P.: © 2011 Ralf Gründer (Gastbeitrag) – http://www.berliner-mauer.de/Aktuell/vos-lehnt-aufnahme-ehemaliger-hoheneckerin-ab.html – Rückfragen: Tatjana Sterneberg, Tel.: 030-30207778 oder t.Sterneberg@gmx.de
4 Kommentare
13. Oktober 2011 um 19:43
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Hallo Carl Wolfgang
auf diesen Link möchte ich doch kurz reagieren.
Erstens frage ich mich, warum Tatjana ausgerechnet der VOS beitreten will, mit der sie und ihr doch schon entsprechende Erfahrungen gesammelt habt. Andere, ebenso verdienstvolle und namhafte ehemalige Hoheneckerinnen traten in diesem Jahr aus der VOS aus. Sie hatten gute Gründe.
Tatjana hat es wahrlich nicht nötig, ihre Einsätze unter dem Signum dieser mittlerweile umstrittenen Organisation durchzuführen. Ich war in den 70er Jahren unter dem BV Köhler Mitglied. Da ging es noch halbwegs seriös zu, vor allem gab es keine Grabenkämpfe, die man in fast allen Organisationen dieser Art findet. Deshalb bin ich nirgendwo Mitglied, außer im seriösen „Förderverein Gedenkstätte“, Vorsitzender Dr. Jörg Kürschner (joerg.kuerschner@mdr.de). Ich kann mich nicht erinnern, dass es dort ähnliche Vorfälle gab, wie in den großen Opferverbänden in zurückliegender Zeit.
Es wäre schade, wenn Tatjana ihr innovatives Talent als Rechercheurin (Janata pp) dort unter dem sprichwörtlichen „Scheffel“ stellen und sich unnötig verschleißen würde.
LG
Wolfgang Welsch
13. Oktober 2011 um 19:33
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Uns erreichten u.a. folgende Kommentare:
Wundert ihr euch wirklich noch darüber???? Die Angriffe durch Herrn A.L. gegen mich gehen doch auch in die nächste Runde und keiner kann oder sogar WILL ihn stoppen…. das Feld ist von diesen Leuten besetzt und keiner hat was tun wollen….
Gruß Angela K.
Jeder „normale“ Verein legt Wert auf aktive Mitglieder. In diesem speziellen Fall muss man mutmaßen, dass die drei Vorstandshanseln um ihre
Positionen fürchten, wenn so eine mutige, konsequente Frau deren Reihen vergrößert. Wie schizophren! Statt froh zu sein, Verstärkung im Kampf gegen SED- und Stasi-Unrecht zu erhalten, stoßen sie ein weibliches Opfer in alter DDR-Manier vor den Kopf.
Übrigens wurde bezüglich der Aktivitäten von Frau Sterneberg ihre Mitwirkung bei der von der Stiftung Aufarbeitung geförderten DVD „Ein Tag zählt wie ein Jahr“, die vorwiegend an Schulen zur Aufklärung eingesetzt wird, vergessen.
E.T.
Hallo ihr beiden Aktivisten, jetzt reichts mir endgültig. Habe noch immer keine Antwort auf meine Mail an Rink erhalten. Das Verhalten gegen
Tatjana bringt das Fass zum Überlaufen. Werde morgen meinen Austritt aus der VOS per Einschreiben erklären.
Mit kameradschaftlichen Grüssen
Paul
Betreffs der Ablehnung als Mitarbeiterin bei der VOS zu sein, ist nicht etwas, das verloren wäre, höchstens das man sich sinnlose Zeiten bei
dieser VOS einspart.
Die Ablehnung geschah mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, das Tatjana Sterneberg eine Gefahr für den ganzen Vorstand darstellt, das sie einige „Dinge“ zum „enttarnen“ bringen könnte, was diesem Vorstand mehr als nur unangenehm werden könnte. Denn dort gehen einige nicht als koscher zu bezeichnende Dinge vor, die das Tageslicht scheuen. Tatjana Sterneberg sollte sich mal die Personen, welche den Vorstand bilden, etwas näher unter die Lupe nehmen, vielleicht werden dann solche Dinge aus diesem Vorstand entfernt. Diese VOS ist es nicht wert, das sie in diesem Verein auch noch ihr Arbeitskraft verschwendet. Dieser Verein ist nicht nur „etwas unterwandert“.
…
Gruss Heinz
13. Oktober 2011 um 15:36
wormsdorf
Ich finde es nicht richtig, dass man die Frau Sterneberg so vor dem Kopf stößt, wo es sich dabei doch um ein Opfer handelt, die schon viel für andere Opfer getan hat. Aber ich glaube eher, dass die Opferverbände nicht mehr das sind, was sie mal waren und selbst Opfer abgelehnt werden. Mit anderen Worten: Jeder macht letztendlich das was er will. Jedenfalls finde ich, dass es nicht in Ordnung ist, dass gerade so ein Opferverband VOS so mit Opfern umgeht.
Wolfgang Slominski
13. Oktober 2011 um 11:11
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Uns ging nachfolgender Kommentar zu:
Trauriges Beispiel
Dieses Ablehnungsschreiben ist ein trauriges Beispiel dafür, wie ein Opferverband – hier die VOS – mit den Menschen umgeht, für die er per Satzung gegründet wurde, nämlich den Opfern der DDR bzw. seines sogenannten Staatssicherheitsdienstes (MfS) ein Forum zu sein und sich für die Belange dieser stigmatisierten Menschen einzusetzen. Tausende Bürger der DDR sind ohne (kriminellen) Hintergrund in die Mühlen der STASI geraten, die von einem tollwütigen Eifer getrieben, Menschen, die ausscherten aus dem „SED-Einheitztritt”, und sei es nur, weil sie einen Ausländer heiraten und in das Land des Geliebten ziehen wollten, mit brutalster Effizienz physisch und psychisch terriorisiert worden. Handelte nicht ein DDR-Slogan von der unverbrüchlichen Völkerfreundschaft?
Von einem stalinistischen Staatssicherheitsdienst, angeführt von einem Minister, der sich als Doppelmörder seinem neuen Dienstherrn angedient hatte, war nichts anders zu erwarten! Was ist das für ein Opferverband, der Opfer dieses Terrors ablehnt, dazu noch noch lapidar und ohne Begründung?
Werden die Mitglieder der VOS und andere Opferverbände gegen diese Ungerechtigkeit demonstrieren und sich für Tatjana Sterneberg einsetzen?
Ralf Gründer
http://www.berliner-mauer.de/Aktuell/2011-10-07-vos-grenzt-stasi-opfer-tatjana-sterneberg-aus.html